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Vampiralarm
Der dritte Bodensee-Krimi für Kinder
Thurid Neumann
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2014.
Herstellung und Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM
Titelbild: Heike Georgi
ISBN: 978-3-86196-304-2 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-354-5 - E-Book
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Herbstferien am Bodensee
Ausritt in der Dämmerung
Ein seltsames Mädchen im Stall
Gibt es eigentlich Vampire?
Das verschwundene Pferd
Vickys Geschichte
Der Plan
Abraxas geht auf große Fahrt
Herr Ölmann
Halloweenparty
Die Autorin
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„Uahhh, ich bin Igor, der schreckliche Vampir!“, rief Flo und stürmte in Laras Kinderzimmer.
„Mensch, Flo! Musst du mich so erschrecken!“, schimpfte Lara, doch im nächsten Moment musste sie lachen. „Puh, auf den ersten Blick siehst du wirklich aus wie ein Vampir, Flo. Wie hast du das Gesicht so weiß bekommen?“
„Mit Mehl“, erklärte Flo stolz und ließ dabei ihre spitzen Plastikzähne im Mund aufblitzen.
Lara schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Und was sagt Mama dazu, dass du ihren roten Lippenstift genommen hast?“
Flo zuckte unschuldig mit den Schultern. „Nichts. Sie weiß es ja nicht.“ Dann breitete sie ihre Arme zum Flug aus und flatterte mit ihrem schwarzen Umhang wieder aus Laras Zimmer, bevor diese auch nur noch ein weiteres Wort über den Lippenstift verlieren konnte.
„Hey, Flo!“, rief sie ihr hinterher. „Willst du nicht sehen, wie ich mich an unserer Halloweenparty verkleide?“
Kaum hatte Lara dies gesagt, kam der kleine Vampir auch schon zurückgeflogen. „Au ja! Weißt du es denn jetzt endlich?“, fragte Flo neugierig und kletterte auf Laras Bett, wo sie gleich zu hüpfen begann.
„Wenn das Mama sieht“, murmelte Lara nur, öffnete ihren Schrank und zog ein weißes Kleid mit langen Spitzenärmeln heraus, das bis zum Boden reichte. Flo runzelte die Stirn, als ihre Schwester das Kleid vor sich hielt und sich im Spiegel betrachtete. „Willst du etwa eine Braut spielen?“, fragte sie enttäuscht. „Ich dachte, wir geben eine Halloweenparty und spielen nicht Märchenbraut.“
Langsam drehte sich Lara zu Flo um und verzog ihre Augen zu schmalen Schlitzen, sodass nur noch etwas Schwarzes zu sehen war. „Ich bin die weiße Frau aus dem Nebel“, zischte sie zwischen zusammengepressten Lippen hervor. Mit einem Satz hüpfte Flo nach hinten und drückte sich gegen die Wand, als wolle sie versuchen, durch sie zu verschwinden. „Lara?“, fragte sie verunsichert. „Bist du das?“
„Lara?“, lachte die weiße Frau spöttisch. „Ich kenne keine Lara. Ich kenne nur Rache! Rache an all denen, die mir bei Nacht und Nebel meinen Geliebten genommen haben. Haben ihn mir entrissen und ...“
„Lara!“, ertönte in dem Moment die Stimme von Laras und Flos Mutter. „Telefon!“
„Ich komme!“, rief Lara, ließ das Kleid fallen und rannte aus ihrem Zimmer.
Die weiße Frau lag in sich zusammengefallen auf dem Boden. Flo lehnte immer noch auf Laras Bett an der Wand und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den mit Spitzen besetzten Stoff. Hatte da soeben wirklich die weiße Frau aus dem Nebel zu ihr gesprochen? Was hatte sie mit Rache gemeint? An wem? Und ... wie sollte diese Rache aussehen? Flos Atem ging schwer.
Schon kam ihre Schwester zurück. Aber ... wieso sah sie auf einmal so blass um die Nase herum aus? Hatte sie sich etwa auch Mehl ins Gesicht gepudert? Flo schüttelte den Kopf. Nee, das konnte ja nicht sein. Sie hatte doch gerade noch telefoniert. Wie hätte sie da noch Mehl aus der Küche holen sollen. Flo durchfuhr ein gewaltiger Schrecken. Hatte etwa die weiße Frau aus dem Nebel sie angerufen?
„Marie ist krank“, sagte Lara plötzlich mit tränenerstickter Stimme. „Sie kann diese Woche nicht zu unserer Halloweenparty kommen.“ Die weiße Frau schien sich augenblicklich in Luft aufgelöst zu haben.
„Marie ist krank?“, wiederholte Flo ungläubig. Mit einem Satz war sie vom Bett zu Lara gesprungen. „Was hat sie denn? Halloween ist doch erst ...“ Sie zählte an ihren Fingern ab. „Halloween ist doch erst in sieben Tagen. Vielleicht ist sie bis dahin ja wieder gesund!“ Sie stellte sich vor Lara und nickte ihr aufmunternd zu.
Doch Lara schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht“, seufzte sie, „sie hat die Masern.“
„Die was?“, wollte Flo wissen. Die Masern? Hatte das irgendetwas mit Außerirdischen vom Mars zu tun?
„Masern. Na, da hast du am ganzen Körper so rote Punkte ...“ Weiter kam Lara nicht. Sie hatte sich doch so auf die Halloweenparty gefreut, die sie zusammen mit ihrer besten Freundin Marie in den letzten zwei Wochen geplant hatte. Und nun das!
„Rote Punkte?“, piepste Flo. „Auch am Hals?“
Lara nickte und schaute mit wässrigen Augen auf ihr weißes Spitzenkleid, das sie vorhin noch voller Vorfreude vor sich gehalten hatte. Und nun war alles vorbei. Ein einziger Anruf und der Traum war zerplatzt. Zack! Wie eine Seifenblase, die man mit dem Finger berührte.
Plötzlich spürte sie Flos Hand in ihrer. „Vielleicht wurde sie ja von einem Vampir gebissen?“, hauchte Flo neben ihr.
Lara schaute verdutzt zu Flo hinunter, die ihren Griff verstärkte. „Wie kommst du denn auf die Idee?“, wollte Lara stirnrunzelnd wissen und wischte sich mit der freien Hand über das Gesicht.
„Na ja, rote Punkte am Hals ... du weißt doch, was das bedeutet ...“, erklärte Flo und ihre Stimme zitterte jetzt ein wenig.
„Ach Flo, könntest du bitte mit deinem Vampirtick aufhören? Seit du Igor, der schreckliche Vampir, gelesen hast, scheinst du an nichts anderes mehr denken zu können. Nicht einmal, wenn nun nichts aus der Halloweenparty wird.“ Lara holte tief Luft.
„Aber ich habe doch noch Luisa eingeladen“, gab Flo zu bedenken. „Und außerdem ... außerdem habe ich keinen Vampirtick“, wollte sie noch hinzufügen. Doch da klopfte es plötzlich an der Zimmertür. Flo riss erschrocken ihre Augen auf und klammerte sich an Lara. Waren sie jetzt die Nächsten, die gebissen werden sollten? Trieb wirklich ein Vampir in Freiburg sein Unwesen? Aber ... klopften Vampire vorher an?
Da steckte ihre Mutter Kerstin den Kopf ins Zimmer. „Ich weiß gar nicht, wie ich es euch sagen soll ...“, fing sie mit schwerer Stimme an und trat ein. Dann setzte sie sich gegenüber von Lara und Flo auf das Bett, ohne sich zu fragen, weshalb sich Flo so an ihre Schwester krallte. Auch dass die Bettdecke zerwühlt war, schien sie nicht zu bemerken. Sie wunderte sich nicht einmal darüber, weshalb Flo so weiß im Gesicht war und warum ihre Lippen rot glänzten. Jetzt senkte sie ihren Blick und sah auf das Kleid am Boden. Dann atmete sie einmal kräftig durch.
„Luisa hat ebenfalls die Masern“, sagte sie schließlich leise, aber es war doch laut genug, dass Lara und Flo es hören konnten.
„Luisa? Sie hat auch die roten Punkte?“, rief Flo entsetzt und Lara spürte, wie sich die Fingernägel ihrer Schwester in ihren Arm bohrten. Doch sie fühlte sich wie betäubt. Sie spürte fast nichts.
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