„Ja, Bub, die Tasse Tee hat uns beruhigt und die Qualmerette auch. Jetzt fühle ich mich wieder fit und wir können nach oben gehen.“
„Ursula, ich bleibe noch ein Weilchen hier sitzen und werde dann kochen, lasst euch überraschen.“
Daraufhin gingen Diether und Ursel hinauf in den ersten Stock und betraten Uschis Suite. Nun konnte Diether sie endlich in seine Arme nehmen und zärtlich an sich drücken, ehe er sie lange küsste.
„Puh, Großer, i krieg keine Luft net“, flüsterte Ulli.
„Deine Küsse werden immer besser, Schatz“, meinte er nur und küsste sie erneut. Dabei zog sie ihn zu sich herunter, denn bei Diethers Größe und ihrer Größe von nur 1,50 Metern war das alles etwas kompliziert. „Also, Madl, derzeit müssen wir vernünftig sein und unsere Koffer zuerst auspacken. Wenn wir dann alles erledigt haben, werden wir den Park erforschen und uns ein feines Platzerl suchen, gell Ulli“, sprach Diether liebevoll und küsste sie nochmals. Dann nahm er den Rest der Gepäckstücke und ging nach nebenan.
Uschi seufzte leise, aber sie fügte sich. „Wir haben nur noch diese eine Woche“, dachte sie bei sich. Dann mussten sie sich trennen, da Diether wieder nach Hause fuhr. Während sie ihre Garderobe in den Schrank hängte, trällerte sie eine Operettenmelodie von Lehár vor sich hin: „Vilja, oh Vilja, du Waldmägdelein, lass mich, oh lass mich dein Trautliebster sein, Vilja, o Vilja, was tust du mir an, bang fleht ein liebkranker Mann.“ Sie legte noch ein paar andere Kleinigkeiten in die Truhe und ins Bad. Als schließlich alle Dinge eingeräumt in den Schubladen lagen, schloss sie die Balkontüre auf und ließ frische Luft in ihre Stube. Uschi trat auf den Vorbau des Hauses und entdeckte am Horizont einen Teil der Berninagruppe: den Piz Rosegg und Piz Scerscen mit dem Piz Bernina. Auf der rechten Seite der Loggia sah man den Piz Corvatch und einige andere Dreitausender. Diether war gerade mit dem Aufräumen fertig geworden und trat ebenfalls hinaus auf den Balkon. Dort erblickte er beim Umherschauen Uschi neben sich.
Sie hatte sich leise verhalten, bis Diether merkte, dass der Balkon bis zum Ende des Hauses reichte. Mit nur einem Schritt war er bei ihr und bedankte sich für das kleine Ständchen mit einem Kuss. „Schatz, deine Stimme ist so frisch und natürlich, wenn du singst. Und glockenrein noch dazu. Es ist eine Freude, dir zuzuhören. Was hältst du davon: Wir gehen in den großen Garten, nehmen einen Notizblock mit und überlegen uns, was du singen möchtest und ich spielen kann“, sagte Diether aufmunternd zu ihr.
„Das ist eine gute Idee, Bub. Ich schnappe mir meine Schreibmappe und dann können wir im Park flanieren, oder?“
Ursula nahm den Schreibblock und einen Stift und zu zweit verließen sie über die Treppe der Veranda ihren Aussichtspunkt. Nur Augenblicke später nahm der Garten sie auf. Eine herrliche Anlage umgab sie, eifrig suchten sie nach einem verschwiegenen Pavillon. Es vergingen jedoch etwa zehn Minuten, ehe sie den Ort für Verliebte fanden. Vor sich sahen sie ein von roten, weißen und gelben Teerosen bewachsenes japanisches Teehaus. Uschi blieb vor Entzücken stehen und meinte: „Die sind seit dem letzten Jahr schon wieder gewachsen, was für eine Rosenpracht.“ Das Gartenhaus hatte eine achteckige Form, um die sich diese Rosenfülle rankte. „Was für eine verschwenderische Blütenfülle und dieser Duft. Mh, mh, mh, wunderbar, gell Diether?“
„Du hast recht, Liebes, diese Vielfalt ist grandios.“
Zögernd traten sie in den japanisch aussehenden Pavillon ein. Es war aber keine japanische Gartenlaube, sondern eine Rokoko-Liebeslaube. Alles war im Louis-seize-Stil und in geblümtem Chintz eingerichtet, die Liege und die Sitzmöbel waren zueinander passend mit dem gleichen Stoff überzogen. Das sah alles allerliebst aus. Ulli drehte sich zur Seite und gewahrte ein Tischlein-deck-dich mit Kaffee und Petit Fours-Stücken auf einem silbernen Tablett. „Ob das Marieles Idee war? Weil sie uns in den Park gehen sah?“, überlegte Uschi laut.
„Das ist nicht möglich Schatz, wir sind vom Altan aus hinunter und haben nichts dergleichen verlauten lassen, es hat uns auch niemand vom Chalet aus nachgesehen, Kleines!“
„Nun denn, sei es, wie es ist, kümmern wir uns nicht darum. Also, frisch ans Werk, Diether: Wir überlegen uns zuerst, wie wir deinen beziehungsweise unseren Abschiedsabend gestalten. So schön wie möglich.“
Diether erwiderte: „Ich dachte an etwas Leichtes, Beschwingtes, zum Beispiel Träumerei von Schumann oder Liebestraum von Liszt. Vielleicht a bisserl Chopin: In mir klingt ein Lied. So ungefähr habe ich mir das vorgestellt. Hast du weitere Vorschläge, Liebes?“
„Was meinst du: von Mozart das Wiegenlied oder von Schubert Meine Ruh ist hin! Dann das Ständchen und sein Ave Maria“, schlug Uschi vor.
„Toller Plan, Kleines! Dazu eine leichte Opernarie aus Flotows Martha: Die letzte Rose, Liebes. Händel wäre auch nicht schlecht: Largo oder Dank sei dir, Herr!“, brachte Diether seine Gedanken zu Ende.
„Das könnte den Zuschauern gefallen“, dachte Uschi laut vor sich hin.
„Wir dürfen aber auch nicht die Liebeslieder vergessen, unser Lieblingslied: Summertime und von Carl Bohm Chanson d’amour!“
„Du meinst unser Lied: Still wie die Nacht?“
„Ja, mein großer Schatz, das meine ich. Weißt du, diese herrliche Musik könnte ich stundenlang hören“, sprach Ulli seufzend und schaute träumend durchs Fenster in den Garten hinaus.
Diether sah sie lächelnd an. „Schatz“, rief er leise. „Wir dürfen die Pause nicht vergessen! Es müssen mindestens fünfundzwanzig bis dreißig Minuten zwischen unseren Auftritten liegen. Du musst auch an deine Stimme denken, wir werden uns überlegen, was deine Stimme verkraftet und womit wir beginnen. Ich würde mit der Träumerei anfangen, das könnten wir am Flügel zusammen spielen. Dann die Lieder von Schubert und Chopin, was meinst du, Kleines?“
„Ja, diese Reihenfolge wäre nicht schlecht und so schreibe ich es jetzt auf diesen Block.“ Ursula notierte alles so, wie sie es gerade mit Diether besprochen hatte. „Danach Largo und Caro mio ben, dahinter Summertime und zum Schluss das Lied aus Der Vogelhändler: Schenkt man sich Rosen in Tirol, das Stück, welches wir beide singen. Ich würde Chanson d’amour vor Gershwin singen, was meinst du, Liebster?“
„Das können wir noch überlegen, da werden wir noch genügend Spielraum haben.“
„Genau, ich notiere mir die Lieder in der richtigen Reihenfolge, damit wir einen besseren Überblick der Musikweisen bekommen“, erläuterte Ulli ihrem Freund.
Nachdenklich über das geworden, was Uschi über ihr Lied gesagt hatte, meinte er: „Willst du wirklich für mich das Liebeslied aller Liebeslieder singen, mein Schatz? Würdest du das wirklich und wahrhaftig tun?“
„Natürlich, Liebster, ich hoffe nur, dass ich dieses Bekenntnis ohne Tränen in der Stimme singen kann“, sagte sie mit bebenden Lippen.
Diether umarmte sie liebevoll und drückte ihr einen Kuss auf dieselben. „Schatz, der Schluss fehlt uns noch, was meinst du zur Arie aus Der Vogelhändler? Du hattest es eben schon mal angesprochen …“
„Toller Vorschlag! Den behalten wir und eventuell noch eine Zugabe, ein einfaches Abendlied wie Der Mond ist aufgegangen?“
„Das ist ein guter Abschluss für den Gala-Abend.“
„Komm her, lass dich küssen, meine Süße, du bist eine Wucht.“ Er küsste sie ausgiebig.
Dann meinte sie: „Diether, die Rosen aus Tirol werden wir ja zusammen singen …“
„Ja, und du bekommst dazu ein großes Bukett roter Rosen mit einem dicken Kuss von mir auf der Bühne und vor den Augen aller“, erwiderte Diether. „Jeder soll sehen, wie glücklich wir sind, auch deine Mutter.“
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