Sandra Dünschede
Friesentod
Ein Fall für Thamsen & Co.
Tödliche Zweifel Haie Ketelsen ist beunruhigt. Seit Tagen hat er seine Nachbarin Tatjana Lieberknecht nicht mehr gesehen. Auf sein Klingeln öffnet niemand die Tür und ihr Arbeitgeber weiß nicht, wo sich die junge Frau aufhält. Haie ist sich sicher, ihr muss etwas zugestoßen sein. Doch der Polizei sind die Hände gebunden. Da nichts auf ein Verbrechen hindeutet, kann nicht ermittelt werden. Erst als die Leiche von Tatjana Lieberknecht in einem leer stehenden Haus gefunden wird, beginnen Dirk Thamsen und seine Kollegen mit ihrer Arbeit. Ins Visier der Ermittlungen geraten schnell zwei Männer: Der eine ist Tatjanas Ex-Freund, er hat sie nach dem Ende ihrer Beziehung gestalkt. Der andere ist Tatjanas Ex-Kollege, er war neidisch auf ihren beruflichen Erfolg. Doch der Fall gerät ins Stocken, denn Dirk Thamsen fehlen entscheidende Hinweise. Als eine weitere junge Frau aus Risum-Lindholm spurlos verschwindet, wächst der Druck auf die Polizei. Können Thamsen und Haie die Vermisste rechtzeitig finden?
Sandra Dünschede, geboren 1972 in Niebüll/Nordfriesland und aufgewachsen in Risum-Lindholm, erlernte zunächst den Beruf der Bankkauffrau und arbeitete etliche Jahre in diesem Bereich. Im Jahr 2000 entschied sie sich zu einem Studium der Germanistik und Allgemeinen Sprachwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Kurz darauf begann sie mit dem Schreiben, vornehmlich von Kurzgeschichten und Kurzkrimis. 2006 erschien ihr erster Kriminalroman »Deichgrab«, der mit dem Medienpreis des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes als bester Kriminalroman in Schleswig-Holstein ausgezeichnet wurde. Seitdem arbeitet sie als freie Autorin und lebt seit 2011 wieder in Hamburg, wohin es sie als waschechtes Nordlicht zurückzog.
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Sven Lang
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Timmitom / photocase.de
ISBN 978-3-8392-6744-8
Für Bence
Deine Hand ist in meiner, solange du sie dort lässt.
Franz Kafka
Wie die guckt.
Was guckt die denn so?
Die soll damit aufhören. Sofort soll die aufhören, so zu gucken. Was denkt die sich denn?
Ach, ich kann mir schon vorstellen, was die denkt. So wie die guckt.
Aber da hat die sich geschnitten. Gewaltig sogar. Das kann die sich abschminken. Komplett.
Jetzt wirft die auch noch ihr Haar so herum. Hält sich wohl für besonders raffiniert, als wenn ich nicht durchschauen würde, was die da versucht. Hält die mich für dumm? Ich glaube, die hält mich tatsächlich für blöd. Dabei ist sie die Doofe. Sieht doch jeder Blinde mit ’nem Krückstock, was die da treibt. Also wirklich. Tss. So was Peinliches.
Die glaubt wohl, ein bisschen Augenklimpern und Arschwackeln reicht, dass man ihr auf den Leim geht. Gleich fährt die sich bestimmt noch … Natürlich, hab ich es doch gewusst, schön die Lippen befeuchten. War ja klar. Wie billig. Echt.
Schon wieder dieser Blick. Die soll endlich damit aufhören. Verdammt noch mal. Wenn die nicht gleich damit aufhört, spring ich auf und klatsch die. Aber so richtig. Dann wird die schon aufhören mit ihrem Geglotze.
Ach nee, jetzt zippelt die auch noch an ihrem viel zu kurzen Rock herum. Der steht ihr ja überhaupt nicht. Wie die darin aussieht. Als wenn irgendjemand diese dicken Stampfer sehen will. Ist ja widerlich. Hat die keinen Spiegel? Das muss man doch sehen, dass man so nicht aus dem Haus gehen kann.
Die glaubt bestimmt, dass da irgendjemand drauf anspringt. Hauptsache, kurz. Was? Ha, das ist so ein alter Hut und hat so gar keinen Stil. Widerlich. Also wirklich.
Und dieser Blick – jetzt reicht es mir aber wirklich. Da kriege ich echt zu viel. Da schwillt mir der Hals zu. Was denkt die, wer die ist? Marilyn Monroe persönlich oder was? Nee, also echt. Dazu dieses alberne Gegrinse, mit diesen dicken, schwulstigen Lippen. Eklig. Es reicht. Der wird das Lachen vergehen. Und zwar jetzt.
»Was machst du denn da?« Tom Meissner schlurfte langsam in die Küche und steuerte direkt auf die Kaffeemaschine zu. Er goss sich eine Tasse ein und betrachtete dann seinen Freund, der halb auf der Fensterbank lag und sich die Nase an der Scheibe platt drückte.
»Das ist doch merkwürdig«, murmelte Haie. »Seit zwei Tagen hat sie die Jalousien nicht hochgezogen.«
»Welche Jalousien?« Tom ließ sich auf einen der Küchenstühle fallen und nahm einen Schluck Kaffee.
»Na, die von unserer Nachbarin. Hast du die in den letzten Tagen gesehen?« Haie wandte sich Tom zu.
»Wen, die Lieberknecht? Vielleicht ist sie verreist?«
»Aber dann hätte sie bestimmt den Schlüssel vorbeigebracht. Ich gieß doch immer die Blumen, wenn sie in den Urlaub fährt.« Haie verließ seinen Posten am Fenster und setzte sich zu Tom an den Tisch.
»Dann hat sie halt jemand anderen gebeten. Oder sie ist nicht so lange weg.«
»Hm.« Haie hatte Tatjana Lieberknecht seit Donnerstag nicht gesehen. Heute war Montag. Vielleicht machte sie einfach nur ein verlängertes Wochenende? Aber warum hatte sie dann die Jalousien nicht hochgezogen? Ihm ließ die Angelegenheit keine Ruhe. Zu der jungen Frau, die seit gut einem Jahr neben ihnen wohnte, hatte er zwar keinen engen Kontakt, dafür war der Altersunterschied zwischen ihnen zu groß, aber dennoch unterhielten sie so etwas, was Haie als gutes nachbarschaftliches Verhältnis bezeichnen würde. Man kümmerte sich umeinander. Übernahm Post- und Blumendienst, wobei Haie derjenige war, der diese Gefälligkeiten für Tatjana Lieberknecht übernahm, denn sie selbst fuhren so gut wie nie weg. Er schnackte ab und zu mit ihr über den Zaun hinweg, sie erzählten sich dies und das aus dem Dorf, und Niklas hatte schon so manches Mal eine Süßigkeit bei Tatjana abgestaubt. Dass Haie sie seit ein paar Tagen nicht gesehen hatte, machte ihn unruhig. Sie hätte es ihm gegenüber sicher erwähnt, wenn sie ein paar Tage verreist wäre.
»Das Auto steht auch auf der Einfahrt.«
»Dann hat sie vielleicht jemand mitgenommen. Oder sie ist mit der Bahn gefahren.«
»Und wie soll sie zum Bahnhof gekommen sein? Nee, irgendetwas stimmt da nicht. Ich gehe nachher mal rüber und klingle bei ihr.«
»Haie«, mahnte Tom den Freund. Hier im Dorf bekam ohnehin jeder so gut wie alles mit, und er fragte sich, ob man sich wirklich überall einmischen musste.
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