Obschon dies nur eine Zwischenbilanz ist, steht bereits fest, dass die Performance von Dominic Thiem – länderbezogen auf Österreich, fachsportlich bezogen auf Tennis – von sporthistorischer Bedeutung ist. Aufgrund seiner Siege geht er in die heimische und internationale Sportgeschichte ein, aufgrund seiner Lebensführung ist er ein für uns alle nachahmenswertes Beispiel. Thiem ist nicht nur Grand-Slam-Sieger, er ist auch Lehrmeister.
So ist dieses Werk eine Verbeugung vor einem der größten Sportler, die Österreich je gehabt haben wird. Es ist ein Buch, das erzählen und erklären soll, und hoffentlich auch motivieren und inspirieren wird.
Viel Spaß beim Lesen.
Egon Theiner, im November 2020
Marktgemeinde Lichtenwörth / Österreich
Die 2742 Einwohner zählende Marktgemeinde (Stand 1.1.2020) war vor Christi Geburt Teil des keltischen Königreiches Noricum, unter den Römern lag die Gegend in der Provinz Pannonia. Urkundlich erstmals erwähnt wurde Lichtenwörth in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Darin überlässt der Salzburger Erzbischof Adalbert III. dem Kloster Vorau 1174 alle Pfarrrechte und einen Teil der Zehnte, die innerhalb der Grenzen des Gebietes „Lutunwerde“ entrichtet werden. Im gleichen Jahrhundert wird eine Burg errichtet, die „Feste Lichtenwörth“ wird erst um 1490 zerstört. Auf der „Insel“, wo sich diese Burg befand, wurde später ein bischöflicher Hofgarten angelegt. Heute ist die Insel mit dem so genannten Villateich öffentlich zugänglich und wird sowohl als Veranstaltungsplatz als auch als Naherholungsgebiet genutzt.
Der Name Lichtenwörth (früher Lutunwerde) bedeutet „eine Siedlung auf einer Insel oder auf einer Bodenerhebung inmitten eines Sumpfes“.

1747 wurde unter der Regentschaft von Maria Theresia die Metallwaren- und Messingnadelfabrik (samt Drahtzug) Nadelburg durch ein zugunsten von Johann Christian Zug, Inhaber eines Kupferhammers zu Lichtenwörth, ausgestelltes landesfürstliches Privileg gegründet. Die Nadelburg fällt in den Ursprung der Industrialisierung in Österreich und ist für die Industrie-, Kultur- wie Sozialgeschichte entsprechend bedeutsam. Gemäß der von Manfred Wehdorn 1984 publizierten Wertanalyse zählt die Arbeitersiedlung, die nach einem einheitlichen Grundplan in Theresianischer Zeit errichtet wurde, zweifellos zu den ältesten, noch weitgehend einheitlich erhaltenen Anlagen dieser Art in Europa.
1992 wurde Lichtenwörth vom Niederösterreichischen Landtag das Marktrecht verliehen, politisch halten sich schwarz und rot die Waage. Aktuell sitzen im 21-köpfigen Gemeinderat zehn SPÖ-Vertreter, neun von der ÖVP (Wir alle sind Lichtenwörth). Zukunft Lichtenwörth (ZL) und FPÖ haben jeweils einen Sitz. Den Bürgermeister stellt mit Manuel Zusag die ÖVP. Es gibt zwei Kindergärten, eine Volksschule, eine Mittelschule, eine Musikschule. Und den Tennis Club Lichtenwörth.
An der Katholischen Pfarrkirche Lichtenwörth zum Heiligen Jakobus der Ältere wird rund 500 Jahre gebaut. Begonnen wird bereits im 14. Jahrhundert mit dem Bau der Kirche in gotischem Stil, doch Überfälle und Geldmangel verhindern eine zeitnahe Fertigstellung. Diese erfolgt erst 1889. Als ein Wahrzeichen von Lichtenwörth zählt auch das Adlertor, das als eines der drei Zugänge zur Arbeitersiedlung und in gutem Zustand erhalten ist.
Auf der Wikipedia-Seite steht unter Lichtenwörth, Persönlichkeiten: Dominic Thiem (* 1993), Tennisprofi
Ebendort, in Lichtenwörth, wächst Dominic Thiem auf. Geboren wird er am 3. September 1993 in Wr. Neustadt, er kommt etwas überraschend. Mutter Karin studiert Ökologie im ersten Abschnitt, Vater Wolfgang ist Grundwehrdiener und steht kurz vor der Abrüstung. Die finanzielle Situation des Pärchens ist, nun ja, nicht rosig. „Als wir erfuhren, dass wir ein Kind bekommen, sind wir zunächst aus allen Wolken gefallen“, erinnert sich Karin Thiem in einem News- Interview zurück. Von einem Moment auf den anderen ändert sich das Leben schlagartig. Wichtig ist vor allem, regelmäßiges Einkommen zu generieren. Die beiden besinnen sich auf das, was sie können: und das war unter anderem auch Tennis spielen. Die Prüfungen zu Tennislehrwart und Tennistrainer sind rasch geschafft, und da der Sport – Thomas Muster und Co. sei Dank – boomt, bringen es Karin und Wolfgang Thiem bei mehreren Vereinen auf bis zu 60 Stunden Tennistraining.
Die Aktivitäten der Eltern hinterlassen nicht immer, aber zumeist, ihre Spuren beim Nachwuchs. So ist Dominic als Baby dabei, wenn Vater Wolfgang in das Finale der Klubmeisterschaft einzieht. Schon mit einem Jahr und ein paar Monaten soll er mit einer Fliegenklatsche einem Luftballon hinterhergestolpert sein, und mit dem Großvater Luftballonturniere gespielt haben. Während seine Eltern ihrem Beruf nachgehen, sitzt er im Korb, in dem auch die Tennisbälle liegen, und wirft einen nach dem anderen heraus. Bälle gehören somit von Anfang an zu seinem Leben, und Parallelen mit anderen späteren Stars tun sich auf, zu Andre Agassi beispielsweise, oder auch Serena Williams.
Mit zwei schlägt Dominic die ersten Bälle über das Netz, mit vier gibt es für ihn nur mehr ein Spielgerät: das Tennisracket. Seinen Vater nennt er „Trainer“, und wenn er mit ihm auf den Platz geht, hat er drei Schläger dabei, für alle Fälle. Wolfgang freut es, dass er sich um seinen Sohn kümmern kann, immer dann, wenn Pausen entstehen, während (oder zwischen) seinen Trainerstunden, spielt er mit Dominic ein paar Bälle und verbringt so sehr viel Zeit mit ihm. Bei einem Strandurlaub in Griechenland simuliert das Kind fortwährend Vor- und Rückhandschläge, und Passanten werden sich wohl ihren Teil gedacht haben. Wenn weder Eltern noch Großeltern daheim Zeit für den Kleinen haben, schlägt er stundenlang Bälle gegen die Hauswand.
Dominic ist immer noch ein Kind, als Vater Wolfgang bei Günter Bresnik in dessen Tenniszentrum in der Baumgasse in Wien vorstellig wird. Bresnik ist so etwas wie der Übervater der österreichischen Tennisszene, er hat seit Mitte der 1980er-Jahre mit Spielern wie Boris Becker, Henri Leconte, Patrick McEnroe zusammengearbeitet, er hat Horst Skoff und Stefan Koubek betreut, war Kapitän der österreichischen Davis-Cup-Mannschaft und Sportchef des Österreichischen Tennisverbandes. Der Australier Bob Brett, selbst eine Legende unter den Tennis-Trainern, inspiriert ihn. Kurzum, Bresnik ist jemand, von dem man nur lernen kann.
Das erste Gespräch zwischen Wolfgang Thiem und Bresnik ist für Ersteren ernüchternd. Er habe keinen Job für Familienväter, sagt der Ältere dem Jüngeren, und sagt im Buch Die Dominic Thiem Methode : „Fahr nach Hause. Kümmere dich um deine eigene Tennisschule und deine Familie“.
Am nächsten Tag steht Wolfgang Thiem wieder da, er habe mit seiner Frau geredet, meint er, sie hätte mit Scheidung gedroht, ihm aber letztlich zugestanden, machen zu dürfen, was er wolle.
Es ist ein Schritt, den beide nicht bereuen. Wolfgang Thiem ist in der Früh der erste auf dem Platz und am Abend der letzte, der ihn verlässt. Immer konzentriert, immer ernst, immer zuverlässig, sei es im Training, oder bei Turnieren im In- und Ausland, wohin er mit den Spielern der Tennis-Akademie fährt. Und er saugt Wissen auf wie ein Schwamm. Doch der Lohn ist bescheiden, wahrscheinlich geht dieser für den Treibstoff drauf, das der Pendler auf der Strecke Wr. Neustadt – Wien benötigt, vermutet Bresnik. Es liegt hauptsächlich an Mutter Karin, Geld zu verdienen, um die Familie durchzufüttern, und es liegt besonders an ihr, sich um die Erziehung von Dominic zu kümmern.
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