Dem Arion dient’ ein Fisch –“
„Diese Romanze ist mein Unglück“, sagte er in seiner Weise bitter lachend. –
Ich hatte Campe das Versprechen abgenommen, mich nicht eher zu nennen, als bis die Sontag weggereist sein würde. Daß er es dann tun würde, war vorauszusehen. Nun wußte es auch Heine bald, und es belustigte ihn sehr. Doch konnte er sich eine kleine Rache nicht versagen.
Eines Abends war er mit mehreren Freunden bei mir. Wir wollten eben zu Tische gehen, als er seinen Hut ergriff und versicherte, nicht dableiben zu können. So auf dem Sprunge brachte er noch die Broschüre aufs Tapet. Er warf die Frage auf: ob man ihn noch für ihren Verfasser halte? – Sogleich ergriff Maltitz das Wort und ergoß sich in seinem Eifer in Schmähungen über das Machwerk, und wie er nie geglaubt habe, daß Heine dessen Verfasser sein könnte. Ich gab ihm nicht unrecht, denn auch mir wäre es wahrlich nie eingefallen. Einige andere noch stimmten Maltitz bei und lästerten und schimpften gewaltig auf den armen Satiriker, ohne zu wissen, daß sie mit ihren Pfeilen ihren armen Wirt selbst trafen. Heine aber empfahl sich gewandt und rief: „Nun denn, der Verfasser der Broschüre ist Herr Lewald, und es wird ihm ebenso leid tun als mir, Ihren Beifall nicht errungen zu haben, meine Herren!“ – Er ergötzte sich noch eine Weile an der verlegenen Miene meiner Gäste, dann drückte er mir lachend die Hand und lief hinaus. –
[Von der Broschüre gegen die Sontag berichtet Heine an Varnhagen, 30. Nov. 1830 und 4. Jan. 1831, ohne aber Lewald zu nennen.]
1830?
Man trägt sich noch [1837] in der Hamburger Gesellschaft mit vielen seltsamen Gerüchten über Heine, die aber mehr zur Charakteristik Hamburgs dienen als zu der Heines. Er hat einmal mehrere Damen nicht gut unterhalten, und sie können es ihm noch immer nicht vergessen, daß er erst stumm dagesessen und nachher bloß vom Wetter angefangen. Sie versicherten mich auf das bestimmteste, daß das kein großer Dichter sein könne, der bloß vom Wetter mit ihnen spräche, gesellschaftlich so ungeschickt und unbrauchbar sei und nachher maliziöse Verse auf sie mache. Vergebens entgegne ich, daß ein großer Poet nicht auch dafür gut sei, in den Gesellschaftszimmern einen Hanswurst der Unterhaltung abzugeben. Man liebt in Hamburg gar zu sehr die gute Unterhaltung.
219. Maria Embden-Heine 74
1830?
Bei einem späteren Aufenthalt in Hamburg spielte er seiner Schwester einen bösen Streich.
Alle Bekannte und Verwandte des Hauses Embden baten meine Mutter, eine Soirée zu geben, da alle den berühmten Dichter kennenlernen wollten. Sie ließ sich dazu bereden. Künstler, Gelehrte, Kaufleute, Bankiers, alle wurden eingeladen, und viele der Herren glaubten mit ihrem Reichtum zu imponieren und klapperten mit den Talern in der Tasche. Ihre schönen Hälften waren mit Brillanten und Perlen behangen, doch glaube ich, daß die wenigsten Heines Schriften gelesen hatten, denn noch jetzt gilt dort derjenige für den genialsten, liebenswürdigsten und gescheitesten Mann, der seine Million Mark ins Trockene gebracht hat.
Meine Mutter ermahnte ihren Bruder, sich möglichst gut aufzuführen, den Leuten keine Bosheiten zu sagen und keinen Spott zu treiben. Heine versprach alles aufzubieten, um ihren Wünschen nachzukommen, doch wie wurde sie enttäuscht!
Heine trat in die Gesellschaft, verbeugte sich stumm, nahm eine seiner kleinen Nichten auf den Schoß, scherzte mit ihr und erzählte ihr ein hübsches Märchen. Während meine Mutter von einem zum andern ging, diesem und jenem ein freundliches Wort zu sagen, verschwand der Dichter, ehe sie sich dessen versah.
Den folgenden Tag empfing sie ihn mit Vorwürfen und klagte, er habe sie lächerlich gemacht.
„Mein liebes Schwesterchen.“ antwortete Heine, „du hast nur eins vergessen – –“
„Das wäre?“ fragte die Mutter.
„Mir eine Kette um den Hals zu legen und mich so im Zimmer herumzuführen und jedem zu sagen: ‚Meine Herren und Damen, schauen Sie sich ihn an, das ist der Dichter Heinrich Heine, der nichts anderes kann und weiß, als dem lieben Gott die Zeit zu stehlen und Verse zu machen.‘“
220. Varnhagen von Ense 103
1831
Heinrich Heine schrieb seinem Onkel Salomon Heine ins Stammbuch: „Lieber Onkel, leihe mir hunderttausend Taler und vergiß auf ewig Deinen Dich liebenden Neffen
H. Heine.“
[Denselben Denkspruch soll M. G. Saphir dem Bankier Rothschild ins Album geschrieben haben.]
30. April 1831
Im Frühjahr 1831 beschloß er endlich, nach Paris zu gehen. Auf den 1. Mai wurde die Abreise bestimmt. Tags vorher brachte ich noch viele Stunden in seiner Gesellschaft zu. Er teilte mir seine Vorsätze und Pläne mit, und wir berieten uns als treue Freunde. Eine hübsche Zeichnung von Lyser aus der „Harzreise“ schenkte er meiner Frau. Er selbst saß darin, in luftiger Wandertracht, nachlässig in der Hütte des alten Bergmanns, der mit seinem spinnenden Weibe halb abgewendet am Fenster hockte und Zither spielte. Der Mond schien herein. Vor ihm lag das junge Mädchen auf dem Fußschemel kniend und sprach die Worte, die er selbst unter die Zeichnung geschrieben hatte:
„Daß du gar zu oft gebetet,
Das zu glauben wird mir schwer;
Dieses Zucken deiner Lippen
Kommt wohl nicht vom Beten her.“
Mir gab er die Abbildung einer Kirche in Lucca beim Abschiede. Er hatte daruntergeschrieben:
„Die Kirche siehst du auf diesem Bilde,
Worin, zu heiliger Stimmung bekehrt,
Signora Franzeska und Lady Mathilde
Mit Doktor Heine die Messe gehört.“
Das Liebste aber, was ich von ihm erhielt, waren seine neuesten Lieder im Manuskript, auf einzelnen Blättchen, wie er sie niedergeschrieben hatte, mit allen Veränderungen. Er ließ sie später unter dem Titel „Neuer Frühling“ im Morgenblatt abdrucken. Zuerst sollten sie um Neujahr mit Kompositionen von Methfessel erscheinen. Dieser etwas schläfrige Mensch wußte aber die Auszeichnung, die ihm durch den Antrag eines solchen Dichters zuteil wurde, nicht gehörig zu würdigen und zögerte mit seinen Noten so lange, bis Heine andere Gedanken bekam.
222. Johann Baptist Rousseau 174
Mai 1831
Vom Sturm der Julirevolution mitergriffen, eilte Heine... von Hamburg plötzlich über Frankfurt nach Paris. Er kehrte damals bei mir ein und brachte mir noch jene alte Liebe mit, die er mir von Jugend auf gewidmet und die er auch öffentlich... beurkundet hat.
Was aber unsere religiösen und politischen Ansichten betrifft, so fanden wir diese so völlig divergierend, daß jeder die des andern anzugreifen in die Lage kommen könnte. Und dieser Fall, der so häufige, daß Meinungen und Grundsätze ohne Rücksicht auf Freundschaft durchgefochten werden müssen, trat bald auch bei uns ein.
9.–15. Mai 1831
Im Frühling 1831 verließ Heine das deutsche Vaterland, weil es, seinem eigenen Geständnis nach, in Spandau wohl Ketten, aber keine Austern gibt, so wie er einst auch nach Italien pilgerte, weil er in München einen Schneider bei dem bloßen Namen „Italien“ vor Vergnügen krähen hörte. Man muß gestehen, Heine hat eigentümliche Motive zu seinen Fahrten. Welche Gründe ihn auch in der Tat nach Frankreich trieben, mir einerlei; seine Reise führte ihn über Frankfurt...
Die Erschütterungen, welche die Julirevolution in den Gemütern hervorgerufen, bebten noch durch alle Schichten der Gesellschaft... Da ward uns die Kunde, Heinrich Heine werde auf seiner Reise nach Frankreich unsere Stadt berühren. Ich muß gestehen, daß ich mich auf seine nähere Bekanntschaft lebhaft freute...
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