»Nur zum Spaß«, sagte Bond, und M schaute ihn einen Augenblick lang merkwürdig an.
»Ich schätze schon«, erwiderte M schließlich. »Aber Muriks Besuch in Ascot nächste Woche sollte uns die Gelegenheit liefern. Sofern es keine kurzfristige Planänderung gibt, sollten Sie wohl in der Lage sein, am Tag des Gold Cups den Kontakt herzustellen. Damit bleibt uns noch genug Zeit, um Sie ausreichend vorzubereiten und anständig auszurüsten, was?«
Abgesehen von den großen Golfturnieren interessierte sich James Bond nicht sonderlich für jene Ereignisse, die nach wie vor das darstellten, was die Klatschkolumnisten – und die Schmarotzer, die Lippenbekenntnisse abgaben und ihnen Informationshappen zur Verfügung stellten – als »die Saison« bezeichneten. Ihn zog nichts nach Wimbleton, zur Henley-Regatta oder zum Royal Ascot. Die Tatsache, dass Bond ein standhafter Monarchist war, änderte nichts an den ernsten Bedenken, die er hegte, als er den Saab am Tag des Gold Cups in Richtung Ascot steuerte.
Sein Leben war seit dem Freitagabend der vergangenen Woche, an dem M beschlossen hatte, Bond ins Herz der Welt des Lairds von Murcaldy einzuschleusen, sehr betriebsam gewesen.
Im Inneren des Gebäudes am Regent’s Park stellte man keine Fragen, wenn ein plötzliches Verschwinden eines Mitarbeiters oder ein Ausbruch hektischer Aktivität die Tagesabläufe durcheinanderbrachten. Obwohl Bond gelegentlich auftauchte, wenn er von einer Besprechung zur nächsten eilte, hielt er sich nicht in der Nähe seines Büros auf.
Tatsächlich arbeitete Bond während dieser Vorbereitungsphase ganze siebzehn Stunden pro Tag. Für den Anfang gab es lange Besprechungen mit M in dessen großem Büro, das kürzlich renoviert worden war und nun von Coopers Gemälde von Admiral Jervis’ Flotte, die 1797 vor Cap St. Vincent über die Spanier triumphierte, dominiert wurde. Das Bild war eine Leihgabe des National Maritime Museum an den Secret Service.
Während der folgenden Wochen sollte sich Bond oft an diese Schlachtszene vor dem Hintergrund eines düsteren Himmels und die Darstellungen der britischen Krieger, der flatternden Flaggen und Banner erinnern, die durch die aufgewühlte See pflügten, die vom Glühen des Feuers und dem Rauch der Kanonen eingefärbt wurde.
Unter diesem Gemälde führte M Bond ruhig durch alle logischen Möglichkeiten der vor ihm liegenden Situation. Er eröffnete ihm das Ausmaß, in dem Anton Murik kürzlich in Unternehmen investiert hatte, die alle auf die ein oder andere Weise mit Atomenergie zusammenhingen, und verriet ihm seine schlimmsten insgeheimen Befürchtungen bezüglich möglicher Pläne, die der Laird von Murcaldy in diesem Augenblick aushecken mochte.
»Das Teuflische daran ist, James«, erklärte M ihm eines Abends, »dass dieser Murik seine Finger in einem Dutzend Märkten hat – in Europa, im Nahen Osten und sogar in Amerika.« Bisher hatte M die CIA noch nicht informiert, aber er hatte sich mit der Tatsache abgefunden, dass es nötig sein würde, falls sich Bond gezwungen sah – durch die Anstellung, die er bei Anton Murik zu ergattern hoffte –, innerhalb der streng behüteten Sphären des amerikanischen Einflussbereichs zu operieren.
In erster Linie bestand die Idee darin, Bond als eine Art wandelndes Abhörgerät in Muriks Gefolge unterzubringen. Natürlich musste er aus diesem Grund viel Zeit mit den Mitarbeitern der Q-Abteilung verbringen, den Experten für alle genialen technischen Spielereien. In der Vergangenheit hatten ihn die ernsthaften jungen Männer, die die dortigen Werkstätten und Testbereiche bevölkerten, oft gelangweilt, aber die Zeiten änderten sich. Innerhalb des vergangenen Jahrs hatte sich jeder im Hauptquartier über das Auftauchen eines neuen Gesichts unter den leitenden Mitarbeitern der Q-Abteilung gefreut: eine große, elegante, langbeinige junge Frau mit glattem und glänzendem strohblondem Haar, das sie in einer tadellosen, wenn auch strengen Hochsteckfrisur trug. Dies verlieh ihr in Kombination mit ihrer großen Brille ein gebieterisches, aber auch widersprüchliches Auftreten, denn sie strahlte sowohl Sexappeal als auch kühle Effizienz aus.
Innerhalb einer Woche nach ihrer Ankunft hatte die Q-Abteilung ihrer neuen leitenden Mitarbeiterin den Spitznamen Q’utie verpasst, denn sie war bereits in dieser kurzen Zeit zum Ziel zahlreicher Verführungsversuche durch unverheiratete Offiziere aller Altersstufen geworden. Bond war sie ebenfalls aufgefallen, und er hatte die Geschichten gehört. Es hieß, dass die kühlere Seite von Q’uties Persönlichkeit auch während der Stunden, in denen sie nicht im Dienst war, dominierte. Nun musste 007 plötzlich eng mit dieser jungen Frau zusammenarbeiten, denn sie war damit beauftragt worden, die Ausrüstung zusammenzustellen, die er mit auf seinen Auftrag nehmen würde, und ihm die Anwendung der einzelnen Geräte zu erklären.
Während dieses Zeitraums hielt James Bond professionellen Abstand. Q’utie war eine attraktive Frau, doch wie so viele Frauen, die zu dieser Zeit für die Sicherheitsdienste arbeiteten, blieb sie zwar freundlich, war aber stets bemüht, ihren männlichen Kollegen klarzumachen, dass sie eine selbstbestimmte Frau und damit Bond gleichgestellt war. 007 sollte erst später erfahren, dass sie ein Jahr lang im Außeneinsatz gearbeitet hatte, bevor sie den zweijährigen Technikkurs belegte, der ihr schließlich eine Beförderung in eine leitende Position in der Q-Abteilung einbrachte.
Innerhalb von achtundvierzig Stunden hatte Q’uties Team eine Reihe von Gegenständen zusammengestellt, die sie als »personalisiertes zusammenpassendes Gepäck« bezeichnete. Es bestand aus einem Lederkoffer mit einer ähnlich konstruierten stahlverstärkten Aktentasche. Beide Gepäckstücke enthielten ausgetüftelte Fächer, die versteckt und so gut wie nicht aufzuspüren waren und dazu dienten, jede Menge elektronischer Abhörgeräte, Sabotageausrüstung und ein paar andere nützliche Gegenstände aufzubewahren. Unter anderem befanden sich darunter ein hoch entwickelter Verwanzungs- und Abhörapparat, ein VL-22H-Wanzendetektor und ein Alarmstift, der auf eine Frequenz eingestellt war, die ihn mit einer Langstreckenmodifikation des SAS-900-Alarmsystems verband. Wenn er ausgelöst wurde, würde dieser Alarmstift für Bond eine sofortige Telegrammkommunikation mit dem Hauptquartier am Regent’s Park herstellen, damit er Hilfe anfordern konnte. Der Stift enthielt außerdem Microchips, wodurch er als eine Art Peilsender fungierte. Sobald er aktiviert war, konnten die Leute im Hauptquartier jeden Schritt ihres Manns im Außeneinsatz verfolgen – ein persönliches Alarmsystem in der Brusttasche.
Zur weiteren Unterstützung gab es einen kleinen Ultraschalltransmitter, und während er sich auf dieser Mission befand, sollte Bond eine exakte Kopie seines eigenen Dunhill-Feuerzeugs bei sich tragen – eine Nachbildung, die besondere Eigenschaften besaß. Des Weiteren gab es eine sogenannte »Sicherheitstaschenlampe«, die einen enorm hellen Strahl aussandte, der stark genug war, um jedes Opfer, das in sein Licht blickte, so heftig zu blenden, dass es die Orientierung verlor. Und dann hatte Q’utie noch – fast als nachträglichen Einfall – eine TH70-Nachtsichtbrille für ihn besorgt. Bond hielt es für unklug, zu erwähnen, dass diese leichte Brillenart zur Standardausrüstung gehörte, mit der Communication Control Systems Inc. seinen Saab ausgestattet hatte. Er hatte sie persönlich getestet – auf einem alten, stillgelegten Flugplatz in einer besonders dunklen Nacht –, indem er den Saab ohne Scheinwerfer mit Höchstgeschwindigkeit gefahren hatte, während er die Nachtsichtbrille getragen hatte. Durch die kleinen Projektionslinsen hatte er die umliegende Landschaft und die rissige Rollbahn, über die er den Wagen fuhr, genauso klar und deutlich sehen können, wie es an einem Sommerabend kurz vor der Dämmerung der Fall gewesen wäre.
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