Saga
Was schürst du noch die Funken,
Und wärmst dich gar?
Es ist in Schutt gesunken
Was Flamme war.
Sie sassen in dem kleinen Zimmer
Noch spät am Sommerabend wach;
Die Lampe gab nur matten Schimmer,
Der Regen rauschte auf das Dach.
Der junge Meister strich die Geige.
Es war ein seltsam rauhes Lied,
Wie wenn durch welke Blätterzweige
Ein Schwarm verscheuchter Vögel zieht.
Es war ein wildes Flügelschwirren,
Todtbange Töne jagten sich,
Ein Kämpfen war’s und dunkles Irren,
Ein Flüchten vor dem eig’nen Ich.
Doch plötzlich müde sank der Bogen,
Der Spieler wandte das Gesicht,
Und halb verstohl’ne Blicke flogen
Zum jungen Weib im Dämmerlicht.
Das Haupt gestützt in beide Hände,
Sass Angiola. Sie wusste kaum,
Dass Mario Peri’s Spiel zu Ende,
Und lauschte weiter, wie im Traum.
Den düstern Kranz von schwarzen Haaren
Trug ihre Stirn gleich einer Last,
Und ihre frommen Augen waren
Zu gross und allzu schwärmend fast.
— „Was hiessest du mich heut’ verweilen?“
Drang seine Stimme plötzlich ein.
„Du willst nicht meine Freuden theilen,
„So lass’ im Unmut mich allein!“
Doch Angiola hielt ihn umfangen.
— „Nur heute harre bei mir aus!
„Ein volles Jahr ist nun vergangen,
„Seit ich entfloh dem Vaterhaus.
„Die alte Furcht will mich erfassen,
„Als sei ein Frevel unser Glück ...
„Und konnte doch nicht von dir lassen,
„Ach, denkst du an den Tag zurück?
„Es war die Zeit der Lindenblüthe,
„Wo Düfte träumend niederweh’n;
„Die junge Heckenrose glühte,
„Da sie uns sah vorübergeh’n!
„Wir konnten keine Worte finden,
„Nur unsre Herzen schlugen laut, —
„Es haben stumm die klugen Linden
„Auf unser stummes Glück geschaut.“ —
Sie barg halb lächelnd, halb in Thränen
Das dunkle Haupt an seiner Brust.
Er spielte mit den schwarzen Strähnen,
Und küsste sie, fast unbewusst.
— „Wohl denk’ ich an den Sommertag,
„Es war ein Strahlen, Duften, Prangen,
„Die Lerche sang im Blüthenhag, —
„Ein Jahr ist drüber hingegangen.
„Thauperlen funkelten im Thal,
„Dir standen Thränen auf den Wangen.
„Ich küsste dich zum ersten Mal, —
„Ein Jahr ist drüber hingegangen.
„Dein grosses Auge streifte mich
„Mit scheuem, brennendem Verlangen,
„Es träumte mir, ich liebe dich, —
„Ein Jahr ist drüber hingegangen.“ —
Dit Lächeln und Zieren,
Mit Necken und Nicken,
Mit spielenden Worten
Und brennenden Zlicken,
Mit süssem Verheissen,
Und kaltem Versagen,
Hab’ ich deine Seele
In Zande geschlagen.
Das Kleid zerrissen mir die Hecken,
„Der Schuh blieb im Gestrüppe stecken,
„Das Haar verwirrte mir der Wind;
„Ich bin ein armes Wanderkind.
„Der Vater würfelte beim Weine,
„Die Mutter starb am Strassenraine,
„Uns Kinder trieb die Noth hinaus,
„So betteln wir von Haus zu Haus.
„Ich schritt durch heisse Sonnengluthen,
„Ich schritt durch kalte Regenfluthen,
„An eurer Thüre stockt der Fuss, —
„Ein Bettelliedchen ist mein Gruss!“
Die Stimme klang so süss und helle,
Es pochte wie von kleiner Hand,
Die Thür ging auf, und vor der Schwelle
Ein schlankes Kind im Regen stand.
Der Blick, die bittende Geberde
Umstrickten lieblich Herz und Sinn.
— „Tritt ein, und wärme dich am Herde!“
Sprach Angiola zur Bettlerin.
War es das Weh der eignen Seele,
Das sie zum Mitleid mächtig zwang?
— „Wer bist du?“ frug sie sanft, — „erzähle,
„Wer lehrte dich so holden Sang?“
— „Coghetta heiss’ ich,“ sprach die Kleine.
„Ich singe noch der Weisen viel,
„In jedem Städtchen lernt’ ich eine,
„Versteh’ mich auch auf’s Saitenspiel.
„Am Pfeiler dort hängt eine Laute ...
„Es zog mich hin, gleich als ich kam; —
„Ach, wenn ich mich nur recht getraute, —
„Doch jener Mann ist mir wohl gram.
„Was schaut er nur so streng? Wie heisst er?
„Aus seinem Aug’ blickt Last und Qual —“
Da bat die Frau den jungen Meister:
— „Sprich zu dem Kinde, mein Gemahl!“
— „Was soll ich mit der tollen Kleinen?“
Frug Mario Peri fast verstimmt.
„Sie wird erschrecken, schmollen, weinen,
„Wenn man ihr dann das Spielzeug nimmt.“
— „Wie schade!“ sprach das Mädchen leise.
„Er stösst mich fort, er mag mich nicht.
„So hässlich rauh ist seine Weise,
„So hübsch und jung ist sein Gesicht.“
Die niedliche Gestalt verneigte
Sich spöttisch. Nicht ganz unbedacht
Entglitt der Mantel, und sie zeigte
Ihr Kleidchen von verblich’ner Pracht.
Es war aus rosenrother Seide,
Mit gelbem Flittergold gestickt,
Blechmünzen trug sie zum Geschmeide,
Der Spitzenkragen war geflickt.
Sie zupfte die zerknüllten Schleifen,
Sie stellte sich vor’s Spiegelglas,
Das feuchte Haar zurückzustreifen,
Und summte lächelnd dies und das.
— „Vergebt, —“ der Meister sprach’s mit Stocken,
Sein Blick verfolgte sie gespannt, —
„Der Mantel, — Eure kurzen Locken, —
„Ich hab’ Euch ganz und gar verkannt.
„Ich hab’ so bitter Euch gescholten,
„Ich war so launisch, war so blind, —
„Vergebt, — es hat dem Kind gegolten,
„Doch Ihr, — Ihr seid —“ — „Ich bin kein Kind!
„Ihr aber seid recht unmanierlich,
„Ich bin kein Kind, das ist wohl klar!“
Sie rief’s halb trotzig, halb possirlich,
Und fuhr sich durch das krause Haar.
Laut lachte Peri, und sie wandte
Vertraulich ihm das Köpfchen zu.
— „Ei, und wer ist denn dein Amante,
„Du süsse, kleine Puppe du?“
Sie prüfte mit dem Blick ihn flüchtig:
— „Allori war’s, der Comödiant.
„Ich hass’ ihn, er war eifersüchtig,
„Und treulos hat er mich genannt.“
Da hob der junge Meister sachte
Ihr Angesicht zu sich empor,
Sie schloss die Augen, doch sie lachte,
Er raunte flüsternd ihr in’s Ohr:
„Was soll uns die Treue?
„Treue ist nagende Reue,
„Ist Stumpfsinn und Ueberdruss.
„Die Liebe muss
„Kommen und schwinden,
„Aufflackern und zünden
„Wie des Blitzes Strahl.
„Die brennendste Qual,
„Die leuchtendste Wonne
„Sie kann nicht stocken und bleiben,
„Denn unter der Sonne
„Ist ewig wechselndes Treiben.
„Die Rosen blühen
„Nach frostigen Tagen,
„Die Herzen glühen,
„Jubeln und zagen
„In diesem Leben
„Immer auf’s Neue:
„Gedanken entschweben,
„Und andere werden, —
„Es giebt keine Treue
„Auf Erden!“
Es gleicht dein Herz dem meinen,
Das hab’ ich bald gewusst,
Du trägst den süssen Leichtsinn
Der Götter in der Zrust.
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