G. M. Berrow
My Little Pony - Rarity und der seltsame Fall von Charity
Saga
My Little Pony - Rarity und der seltsame Fall von Charity übersetzt aus dem Englischen von Burkard Miltenberger nach Rarity and the Curious Case of Charity
HASBRO und das Logo MY LITTLE PONY sowie alle dazugehörenden Charaktere sind Markenzeichen von Hasbro und werden mit Zustimmung verwendet. © 2019 Hasbro. Alle Rechte vorbehalten.
ISBN: 9788726220957
1. E-Book-Ausgabe, 2019
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.
www.sagaegmont.com
SAGA www.saga-books.com
– a part of Egmont www.egmont.com
Für Kiki und all jene, die das Element der Großzügigkeit verkörpern
Ein bedeutendes Pony
Die Post in Equestria war manchmal unzuverlässig, aber die Ponyville-Post hatte einen besonders schlechten Ruf, was ihre Pünktlichkeit anbelangte. Und in der Tat, sie gehörte zu den langsamsten Postämtern im Umkreis. Ganz egal, welche Sendung ein Pony dort aufgab, eine Geburtstagskarte etwa, ein Dankesschreiben an einen Moderator für eine fantastische Veranstaltung in Canterlot oder eine Warensendung von Seidenröcken an eine Boutique in Nordrhein-Westfohlen – es dauerte ewig.
Und obwohl sie wusste, dass die Briefträger eher lahmen Enten ähnelten, konnte es Rarity nicht verstehen, warum der Brief noch nicht bei ihr eingetroffen war: der Brief, der ihren Status als bedeutende Vertreterin der zeitgenössischen Mode Equestrias festigen sollte.
Das konnte doch – verflixt und zugenäht– nicht sein! Rarity hatte sich vor Monaten für das Sommer-Mentorenprogramm der Kammer für Ausgefallene und Aufwändige Mode (KAAM) beworben und seitdem nichts mehr gehört. Sie war damals zuversichtlich, als Mentorin genommen zu werden. Warum sollten sie ein Pony wie sie ablehnen? Sie hatte Mode für Prinzessinnen, Popstars und die Oberschicht von Canterlot entworfen! Es gab niemand Besseren, der eine junge, leicht zu beeindruckende Designerin durch die Welt von Mode und Stil geleiten könnte. Zumindest könnte sie einem jungen Pony beibringen, wie man die perfekte Mähnenwelle hinbekommt, dachte sie, als sie ihre eigenen violetten Locken im Spiegel betrachtete.
Rarity warf einen Blick aus dem Schaufenster der Carousel Boutique. Sie stellte sich vor, sie wäre die Hauptfigur in einem Märchen namens Raponyzel. Sie war eine verzweifelte Jungfrau, eingesperrt in einem Turm. Als Gefährtin hatte sie nur ihre fließende, atemberaubende Mähne. Rarity war zwar nicht in der Carousel Boutique gefangen, aber sie fühlte sich hoffnungslos wie die Heldin in der Geschichte. Wo blieb ihr Brief?
Der Briefkasten vor der Tür war mit funkelnden gelben Edelsteinen besetzt. Er war wirklich hübsch. Zumindest so schön wie etwas eben von außen sein kann, obwohl für Rarity die inneren Werte mehr zählten – besonders in diesem Fall. Würde der Briefkasten heute wieder leer bleiben, oder würde der kostbare Brief drin sein, der ihr Leben veränderte?
Man konnte sich nie sicher sein, aber sie hatte ein mieses Gefühl. Einfach nur mies. Sie sollte am besten gar nicht rausgehen und nachsehen, sondern drinbleiben und arbeiten. Sie schleppte sich schwerfällig die Stufen hinunter, als müsste sie ins Bergwerk einrücken.
Sie schätzte sich glücklich, dass die Boutique sowohl Zuhause als auch Arbeitsplatz war – ein einladender Rückzugsort voller Schätze. Die Kleidung an den Haken war wunderschön, exklusiv von ihr entworfen. Tag und Nacht träumte sie von Kleidungsstücken, die „chic, unverwechselbar und maginifique“ waren.
„Sweetie Belle?“, rief sie ihre kleine Schwester. Das junge Fohlen war wahrscheinlich unten in der Werkstatt und arbeitete sich noch einmal durch die Textilmuster. Sie hatte vor kurzem ihre Schwester darum gebeten, für das Clubhaus neue Vorhänge zu nähen, und war nun verzweifelt auf der Suche nach dem passenden Muster.
Sweetie Belle erschien mit großen, hoffnungsfrohen Augen im Türrahmen. „Was gibt’s, Rarity?“
„Sei doch bitte so lieb und schau einmal in den Briefkasten. Ich halte diese ständigen Enttäuschungen einfach nicht mehr aus.“ Rarity seufzte dramatisch und warf sich auf das rote Samtsofa. Sie hatte vorher die perfekte Position eingenommen, um dann voller Anmut „ohnmächtig“ zu werden.
„Naja, im Grunde habe ich schon viel zu viel zu Arbeit. Die Bestellung der Auftrittsroben für den Ponyville-Chor ist doch viel aufwendiger als gedacht. Fünfzehn Kleider und Fliegen für die Hengste noch dazu! Was, in Equestrias Namen, habe ich mir dabei gedacht?!“ Die Pony Tones, das andere Musikensemble der Stadt, hatten wenigstens nur vier Mitglieder.
Wenn Rarity nur einen helfenden Huf eines Schülers gehabt hätte, dann wäre alles schneller gegangen. Aber auch so würde sie gegenüber den anderen Ponys nie zugeben, dass sie allein nicht in der Lage war, das Geschäft zu führen. Selbst wenn sie gestresst war, hielt sie es für wichtig, eine gewisse elegante Fassade aufrechtzuerhalten. Eine ihrer französischen Lieblingsdesignerinnen, Coco Cheval, pflegte zu sagen: „Eine Stute soll zwei Eigenschaften haben. Sie soll stilvoll und fantastisch sein.“ Rarity glaubte von sich, diese Maxime jederzeit zu erfüllen.
„Rarity!“ Sweetie Belles zarte Rufe drangen durch das Fenster nach drinnen. „Rarity! Komm doch mal!“
Rarity fuhr hoch. War es möglich? War der Brief doch noch angekommen? Jetzt konnte sie etwas entspannen und sich auf ihre Rolle als Mentorin vorbereiten. Meine Güte , dachte sie, was trägt eine Mentorin eigentlich? Eine Art Robe? Einen kunstvollen Hut ? Modetechnisch konnte sie die ganze Sache auf sehr unterschiedliche Art und Weise angehen.
„Rarity!“, rief Sweetie Belle erneut.
Stimmt, dachte Rarity. Erst einmal musste sie nachsehen, ob sie tatsächlich in das Programm aufgenommen worden war. Rarity strich sich ihre violette Mähne glatt und trabte nach draußen zu ihrer Schwester. Ihr Herz klopfte ein bisschen schneller.
Gute Nachrichten aus Mähnhatten
Rarity war überrascht, dass das kleine Fohlen mit seiner pink- und lavendelfarbenen Mähne nichts in ihrem Huf hielt. „Und, wo ist er?!“, kreischte Rarity, zügelte sich dann aber selbst. Laut zu werden, war nicht besonders vornehm. „ Ähm , ich meine … ich glaubte, du sagtest, er wäre da.“ Sie ging zum Briefkasten.
„Nein, ich habe dich gerufen, weil ich nicht an die Öffnung komme!“ Sweetie Belles zarte Stimme schnappte fast über, als sie sich erklärte. „Ich glaube, es ist etwas drin, aber ich bin zu klein.“ Das kleine Fohlen senkte niedergeschlagen seinen Blick. „Was beweist, dass ich ein nichtsnutziges und kleinwüchsiges Fohlen bin!“
Das stimmte.
„Das stimmt nicht!“, tröstete sie Rarity.
Trotz aller Bemühungen hatten sich Sweetie Belle und ihre zwei besten Freundinnen Scootaloo und Apple Bloom immer noch nicht ihre Schönheitsflecken verdient. „Das ist das Schlimmste. Überhaupt!“, heulte Sweetie Belle los und gab vor, im Vorgarten in Ohnmacht zu fallen. Rarity schmunzelte. Ihre kleine Schwester hatte schon die ein oder andere Lektion im Fach „Ein Drama machen“ gelernt. Manchmal konnte Rarity es kaum glauben, wie viel sie schon von ihr abgeschaut hatte. Es war süß.
„Jetzt mal langsam, Sweetie“, beruhigte sie Rarity. „Du weißt doch, dass du deinen Schönheitsfleck bekommst, wenn die Zeit reif dafür ist. Und was haben wir denn da?“ Rarity griff in den Briefkasten und heraus kam … ein Brief!
Читать дальше