Deutsche Erstausgabe (ePub) November 2020
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2018 by Teodora Kostova
Titel der Originalausgabe:
»Ten Mile Bottom«
Published by Arrangement with Teodora Kostova
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2020 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
Druckerei: CPI Deutschland
Lektorat: Bernd Frielingsdorf
ISBN-13: 978-3-95823-853-4
Besuchen Sie uns im Internet:
www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen
von Anne Sommerfeld
Liebe Lesende,
vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*der Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.
Vielen Dank!
Euer Cursed-Team
Klappentext:
Finn ist ein erfolgreicher Autor und hat eigentlich alles, was ein Mensch sich nur wünschen kann – und trotzdem sucht er immer wieder Zuflucht in Drogen. Nachdem er das dritte Mal nach einer Überdosis im Krankenhaus aufwacht, beschließt er, dass sich etwas ändern muss. Völlig willkürlich wählt er das kleine Städtchen Ten Mile Bottom für seinen Neuanfang aus. Als Finns geliebtes Auto dann dort den Geist aufgibt, ist Mechaniker Ben seine Rettung. Und zwar nicht nur in Bezug auf schwächelnde Motoren. Bens liebevolle Art zieht Finn aus dem dunklen Loch, das ihn so lange gefangen gehalten hat. Aber sind ein Umzug und eine neue Liebe wirklich genug, um die Probleme aus Finns Vergangenheit abzuschütteln?
Für meinen Ehemann,
der mir immer eine Schulter zum Anlehnen bietet.
Anmerkung der Autorin
Ich glaube, dass Autor*innen ein Stück von sich selbst in jede Geschichte, jeden Charakter und jede Szene legen.
In dieses Buch habe ich mehr von mir gepackt, als ich je vorhatte oder wollte, aber sobald ich mit dem Schreiben anfing, konnte ich nicht anders. Ich musste ehrlich sein.
Das ist meine Geschichte, so nah an der Wahrheit, wie ich es aufzuschreiben gewagt habe.
Die Musik schnitt wie ein heißes Messer durch Butter durch mein Inneres, schmolz die Ränder und sank nahtlos in mich hinein, sodass ich verwundbar und ungeschützt war. Das Dröhnen des Basses war jedes Mal wie ein Schlag in den Magen; jedes schrille, elektronische Kreischen erschütterte meine Nervenenden und ließ meine Gliedmaßen zucken.
Niemand bemerkte, dass meine Bewegungen ein wenig unnatürlich waren, und wenn doch, war es ihnen egal. Ich tanzte, schüttelte mich und erzitterte auf der überfüllten Tanzfläche, während sich die Zeit quälend verlangsamte. Die bunten Lichtstrahlen glitten bedächtig, vorsichtig über die verschwitzten Gesichter, als wären sie Taschenlampen von Rettern, die einen Moment dort verharrten und versuchten, jemanden zu finden, der etwas brauchte.
Die Sache war, dass jeder hier etwas brauchte. Erlösung, eine gute Zeit, einen schnellen, unkomplizierten Fick in den Schatten. Jeder rannte auf die eine oder andere Weise dem nächsten High nach. In meinem Fall wollte ich vergessen, ich wollte den konstanten Gedankenstrom und die Bilder verstummen lassen, die in meinem Kopf umherjagten und sich jede verdammte Sekunde um die Vorherrschaft stritten.
Du hast ihn umgebracht. Du hast ihn verdammt noch mal umgebracht.
Ich hatte meine Mutter angeschrien, während der Sarg meines Vaters hinter dem Altar vor uns aufragte. Alle starrten uns an. Renee hielt mich zurück. Ich konnte nichts sehen. Meine Augen waren vor Wut und Schmerz und Tränen blind.
Ich blinzelte.
Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, fühlte sich aber an, als hätte ich stundenlang die Augen geschlossen. Als ich meine schweren Lider schließlich hob, sah ich, dass die Zeit wieder zu ihrem normalen Tempo zurückgekehrt war. Mich traf eine Wand aus Lärm. Ich stolperte rückwärts. Nicht weit, höchstens einen Schritt, bevor ich gegen Körper stieß, die sich im schnellen Rhythmus bewegten. Sie schoben mich eine Weile hin und her, bis ich wieder Halt fand.
Ich lächelte. Ich hob die Arme über den Kopf und ließ mich erneut von der Musik erfassen.
Es fühlte sich gut an.
Es fühlte sich immer gut an.
Ich brauchte es, heute noch mehr als sonst.
Du hast ihn umgebracht.
Du hast ihn verdammt noch mal umgebracht.
Stopp!
»Finn«, schrie mir jemand ins Ohr. Selbst für den Club war es zu laut. »Finn!«
Instinktiv legte ich die Arme um den Körper, der mir so nah gekommen war. Ich ließ mich von der Vertrautheit, der Nähe und dem Geruch wie von einer weichen Decke an einem kalten Tag einhüllen, zitterte aber trotzdem.
»Nicht«, sagte er, als ich meine Lippen auf die Stelle an seinem Hals legte, an der sein Puls schlug. Starke Hände packten meine Schulter, schoben mich aber nicht weg. Ich straffte den Rücken und begegnete Aidens Blick.
Sich bewegende Bilder, in der Zeit eingefrorene Momente – alle in strahlenden Farben – strömten in dem Moment auf mich ein, als ich meinem besten Freund ins Gesicht sah. Das lächelnde, jugendliche Gesicht meines Vaters aus meiner Kindheit; wie sein Sarg zu Boden gelassen wurde; meine weinende Schwester; meine Mutter, die ebenfalls weinte, während ich dasaß und nicht begreifen konnte, wie sie um jemanden weinen konnte, den sie ihr ganzes Leben lang gehasst hatte. Aiden drückte meine Hand und sah mich besorgt an.
Du hast ihn umgebracht.
Ich rannte, Aiden war direkt hinter mir und rief meinen Namen; er presste den Mund zu einer farblosen Linie zusammen, als ich ihm sagte, dass ich vergessen musste. Heute mehr als sonst.
Ich erinnerte mich an zu viel, denn die Wirkung der Drogen, die meinen Geist betäubten, ließ nach. Ich musste die Räder in meinem Kopf zum Stillstand bringen. Ich musste diese Bilder loswerden, wenn schon nicht für immer, dann für ein paar Stunden, sonst würde ich auf dem Boden der überfüllten Tanzfläche zusammenbrechen und sterben.
»Ich brauch noch eine Dröhnung«, schrie ich Aiden ins Ohr und wandte mich von ihm ab, bevor er antworten konnte.
Er würde mich nicht aufhalten, das wusste ich. Wahrscheinlich würde er sich selbst noch eine Dröhnung geben, genau wie sonst auch. Er würde für mich da sein, bei mir sein, immer. Aber ich wollte nicht wieder sehen, wie das Licht in seinen wunderschönen Augen erlosch. Wohin auch immer ich ging, Aiden folgte mir, selbst wenn es bedeutete, dass es ihn langsam umbrachte. Ich wusste nie, warum, aber ich war auch nicht allzu scharf darauf, mich damit zu beschäftigen.
Ich spürte seine Hand an meinem Oberarm, als er mir durch die Menschenmenge zur Toilette folgte. Das plötzliche Licht und die Stille, als wir die Tür hinter uns schlossen, prasselten auf meine Sinne ein und ließen mich zucken.
»Hast du was?«, fragte ich, während das Adrenalin in meinen Adern summte. Aiden nickte und zog eine kleine Tüte aus seiner Tasche. »Gut.«
Wir gingen in eine der Kabinen und Aiden lehnte sich mit dem Rücken an die geschlossene Tür. Mir fielen die Geräusche aus einer der anderen Kabinen auf, aber es war mir vollkommen egal, was dort getrieben wurde. Mir rauschte das Blut in den Ohren, mein Kopf pulsierte und meine Hände zitterten, als ich sie in meinen Haaren vergrub und daran zog. Es tat weh und ich genoss den Schmerz.
Читать дальше