Beschäftigen wir uns also mit den Traditionen, an die dieses Gleichnis anknüpft. Auf der Suche nach jüdischen Hochzeitsbräuchen habe ich zwei Schilderungen gefunden, die das Gleichnis für uns verständlicher machen, die erklären, warum die Brautjungfern vor dem Hochzeitssaal warten mussten.
Hier die erste Version: Der Bräutigam verbrachte den Tag vor der Hochzeit mit seinen Freunden. Erst nach Einbruch der Dunkelheit zog er mit seinen Gästen zum Hochzeitssaal. Auf diesem Weg trugen alle Begleiter Öllampen oder Fackeln, um den Weg zu erhellen. Denn damals waren die Nächte finster.
Und eine zweite Version als Zitat:
Es war damals üblich, dass der Bräutigam die Braut in ihrem Elternhaus abholte und vom Brautvater freikaufte. Erst nach Abschluss der Verhandlungen zog der Bräutigam mit seiner Braut in feierlichem Zug zum Hochzeitssaal, in dem er von den Jungfrauen erwartet wurde. Nun war es eine Tradition, dass der Brautvater mit dem Bräutigam ausführlich verhandelte und von seinen Wohltaten erzählte, die er seinen Töchtern angedeihen ließ, damit sie so liebenswert wurden, wie sie der Bräutigam nun vorfindet. Je ärmer ein Bräutigam nun war, umso schneller waren die Verhandlungen abgeschlossen: Wo nichts zu holen ist, braucht man auch nicht feilschen. Ein sehr vermögender Bräutigam, der zudem eine sehr liebreizende Braut heimführen wollte, konnte allerdings schon einmal die halbe Nacht durch die Verhandlungen mit dem Brautvater aufgehalten werden. (Karl-Leisner-Jugend, aus den Katechesen das Heft ‘Was Jesus uns verkündet hat’, Seite 9)
So oder so, die Brautjungfern vor dem Hochzeitssaal drückten ihre Wertschätzung gegenüber dem Bräutigam dadurch aus, dass sie gut vorbereitet auf ihn warteten und sich auch nach langer Wartezeit nicht die Blöße gaben, den Bräutigam im Dunkeln stehen zu lassen. Der Fehler der törichten Jungfrauen war also nicht die mangelnde Vorratshaltung ihres Lampenöls, sondern die zugrundeliegende Geringschätzung von Braut und Bräutigam.
So wird deutlich, warum sie ohne brennende Lampe nicht zur Feier eingelassen wurden. Wer will denn bei seiner Hochzeitsfeier Gäste haben, die einem nicht wohlgesonnen sind?
Wir sind heute eher an eine Deutung dieses Gleichnisses gewöhnt, die sich auf die Symbolik des Öls konzentriert. Man sagt also, das Öl stehe für eine gute Eigenschaft oder eine Gabe des ´Heiligen Geistes`. Die Schlussfolgerung ist dann, dass man sich bemühen müsse, diesen Mangel abzustellen. Man setzt das Öl ein für …
•mangelnde Liebe und sagt: Liebe mehr!
•mangelnden Dienst und sagt: Diene besser!
•mangelnden Gehorsam und sagt: Gehorche wieder!
•usw.
Die Botschaft ist dann also: Strenge dich mehr an! Was du tust, reicht nicht, um in das Reich Gottes zu kommen!
Wollte JESUS mit diesem Gleichnis wirklich auf unser Verhalten, auf mangelndes Bemühen, Einfluss nehmen?
Oder zielt das Gleichnis auf etwas viel Grundlegenderes?
JESUS hat uns Gleichnisse nicht erzählt, um uns zu verwirren, ganz im Gegenteil. Schon SEINE einleitenden Worte zeigen, dass es um etwas überaus Wichtiges, um etwas ganz Grundsätzliches geht:
Dann wird man das Königreich der Himmel so erklären: …
Das ist kaum die Einleitung zu einem Gleichnis, das sich mit dem einen oder anderen Detail unseres Wohl- oder Fehlverhaltens auseinandersetzt. Vielmehr geht es um Alles oder Nichts, um das Dabeisein oder das Ausgeschlossen-werden.
Es geht hier um das Ewige Leben bei JHWH – nach dem Wiederkommen JESU CHRISTI – im ´Reich Gottes`, genau das, was uns in Joh. 3:16 in Aussicht gestellt wird; siehe dazu die Erklärung im Glossar.
Wie konnte es geschehen, dass die Deutungen dieses Gleichnisses, die auf eine Verhaltensänderung zielen, so viel Raum gewinnen? Letztlich, auch wenn es nicht offensichtlich sein mag, geht es um die Frage: Wer entscheidet darüber, wer in das Reich Gottes eingeht?
Schauen wir zunächst auf das, was uns in Kirchen und Gemeinden gelehrt wird, und auf das, was man billigend in Kauf nimmt, wie wir es verstehen:
Bei den Themen Mitgliedschaft, Kirchenzugehörigkeit, Kindertaufe, Kommunion, Konfirmation, Letzte Ölung, Todsünden, Sakramente usw. geht es um menschliche Handlungen und Auffassungen, die angeblich darüber entscheiden, wer das Ewige Leben im Reich Gottes verbringen wird. Es sind Menschen, die diese Handlungen vollziehen und die diese ´Dogmen` aufstellen. Menschen maßen sich an, darüber zu urteilen, ob du errettet wirst oder nicht.
Worüber urteilen Menschen am liebsten? Über das, was andere Menschen tun. Eine Deutung dieses Gleichnisses, die auf unser Verhalten abzielt, kommt also denen gelegen, die über unser Schicksal entscheiden wollen. Diese Deutung nützt denen, die ihre Macht über uns dadurch ausüben, dass sie anhand einfacher und sichtbarer Kriterien über Gut und Böse, über Wohl und Wehe entscheiden wollen.
Gemeinden und Kirchen behaupten oder lassen uns glauben, dass ihre Würdenträger die Macht hätten, uns den Einlass in den Himmel zu gewähren oder zu verweigern. Die Zugehörigkeit zur Kirche, die Mitgliedschaft und die angeblich heiligen Handlungen seien entscheidend, ob du errettet wirst oder nicht. Hältst du dich nicht an ihre Regeln, so wirst du verbannt, exkommuniziert oder ausgeschlossen. Das sei natürlich mit der Folge verbunden, dass du nicht mehr in den Himmel kommst, sondern ewig in der Hölle schmorst.
Diese unbiblische Lehre, dass die Kirchen oder ihre Würdenträger den Schlüssel zum Himmel innehätten, geht Hand in Hand mit der falschen Deutung dieses Gleichnisses.
Was sagt nun die Bibel, wer über den Zugang zum ´Reich Gottes` entscheidet? Die Bibel sagt, dass es – bevollmächtigt durch SEINEN Vater JHWH – allein JESUS CHRISTUS ist, der beim ´Jüngsten Gericht` darüber entscheiden wird, wer in das ´Reich Gottes` einziehen wird. Der Bräutigam im Gleichnis, der die fünf törichten Mädchen nicht einlässt, steht stellvertretend für JESUS; SEINE Braut ist die ´Ekklesia` (Epheser 5:21ff u. a.).
Erarbeiten wir uns also, Schritt für Schritt, eine schlüssige Deutung dieses Gleichnisses:
Verirre dich nicht in Details ohne Bedeutung!
Das Öl in diesem Gleichnis hat keine eigene Bedeutung, es ist kein Symbol für eine Eigenschaft, die man haben sollte (Glaube, Gehorsam, Liebe, Heiliger Geist oder was auch immer). Worum es geht, ist die bewusste Entscheidung, dem Bräutigam und der Braut wohlgesonnen zu sein, und das auch äußerlich, für jeden sichtbar, zum Ausdruck zu bringen. Nicht ich, nicht du, sondern JESUS steht im Mittelpunkt! Das Bereithalten der Lampe steht für dieses Zeugnis vor der Welt: Ich huldige dem Bräutigam! Weiter steht der Ölvorrat für das Zeugnis: Ich warte auf den Bräutigam, auch wenn es länger dauert, als ich gedacht habe. Ich lasse es mich etwas kosten, bereit zu sein, denn JESUS ist es allemal wert. Lieber schleppe ich einen Kanister Öl mit mir herum, als auch nur einen Tropfen zu wenig zu haben. JESUS hat sein Blut für mich vergossen, da werde ich alles tun, um IHM und der Welt zu zeigen, wie sehr ich IHN ehre und liebe. Ich will bereit sein, wenn der Bräutigam kommt, nichts und niemand soll mich davon abhalten!
Entscheide dich jetzt!
Du weißt zwar nicht die Stunde, wann der Bräutigam eintrifft, aber du weißt, dass ER kommt. Also bereite dich jetzt vor, wo noch Zeit ist, denn wenn du SEIN Kommen bemerkst, ist es schon zu spät! Du wirst es nicht verschlafen können, denn SEIN Kommen wird von einem tumultartigen Lärm begleitet werden. Auch die fünf klugen Mädchen schliefen, das wurde ihnen aber nicht zum Verhängnis.
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