Er musste nicht lange warten, bis etwas passierte und ihn ablenkte.
»Oh, Mist«, murmelte er, als er am Check-in nach seinem Pass gefragt wurde. Er bückte sich, um sein Handgepäck zu durchwühlen. Ben wusste noch genau, dass er ihn beinahe vergessen hätte. Seine Mom hatte ihm den Pass nachgereicht, aber er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wohin er das verdammte Ding gesteckt hatte.
Sein Gesicht brannte feuerrot. Elias beobachtete ihn. Nein, er würde nicht weinen. Nein! Wo konnte dieser dämliche Pass nur stecken?
»Hey«, sagte Elias und berührte ihn an der Schulter. Ben schaute auf. Elias hatte die Augenbrauen hochgezogen, schien aber nicht böse zu sen. »Hast du schon in deiner Jackentasche nachgesehen?«
Elias hatte recht. Er hatte es kaum gesagt, da fiel Ben ein, dass er den Pass in die Brusttasche seiner Jacke gesteckt hatte. Gott sei Dank. »Sorry, Sir«, sagte er verlegen und reichte ihn dem Mann hinterm Schalter. Dann packte er sein Handgepäck wieder ein.
Ben erwartete, dass Elias sich über ihn ärgern würde, aber als er sich vom Boden aufrappelte, gab Elias ihm nur ein Daumen hoch. Die Anspannung in Bens Brust löste sich wieder.
»Danke«, sagte er.
»Kein Problem«, sagte Elias schulterzuckend. »Ich bin schließlich hier, um mich um dich zu kümmern.«
Ben wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Er kam sich bemuttert vor und seufzte innerlich, weil er es lieber in einem anderen Kontext gehört hätte. Als Freund und Partner. Aber das war lächerlich.
Sie kamen relativ problemlos durch den Sicherheitscheck. Ben hatte vergessen, eine Wasserflasche aus der Tasche zu nehmen. Die Flasche fiel erst auf, als die Tasche durchleuchtet wurde, wurde ausgekippt und ihm leer zurückgegeben.
»Mann, die Fliegerei ist anscheinend wirklich nicht mein Ding«, sagte er lachend. Elias zuckte nur wieder mit den Schultern und grinste ihn an.
»Du hast Glück«, meinte er. »Je öfter man fliegt, umso langweiliger wird es. Ich bin froh, dass ich mit dir fliege. Es ist eine schöne Abwechslung, nicht allein unterwegs zu sein.«
Wahrscheinlich war es nur Einbildung, aber es kam Ben so vor, als wäre er nicht der Einzige, dem ein Schauer über den Rücken lief. Elias meinte vermutlich nur, dass es weniger langweilig war als seine normalen Geschäftsreisen. Das war alles. Es musste nichts mit Ben zu tun haben.
Oder?
Ben schüttelte den Gedanken ab. Hier herrschte so viel Betrieb, dass es leicht war, andere Dinge zu finden, mit denen er sich beschäftigen konnte.
Sie hatten schon sehr früh einchecken müssen, wie es für Transatlantikflüge vorgeschrieben war. Dadurch hatten sie jetzt noch viel Zeit totzuschlagen, bevor sie an Bord gehen konnten. Elias hatte das Laptop aufgeklappt und ging seine letzte Geschäftspost durch. Ben wollte nicht an ihm kleben wie ein liebeskrankes Hündchen. Also machte er sich zu einem Schaufensterbummel auf und besorgte ihnen zwei Becher Kaffee, den sie mit an Bord nehmen konnten. Er gab sich zwar Mühe, Elias nicht allzu offensichtlich anzuhimmeln, fühlte sich aber trotzdem geschmeichelt, als Elias sich so offensichtlich darüber freute, dass Ben sich noch daran erinnern konnte, wie er seinen Kaffee trank.
Elias hatte ihm während des Essens schon gesagt, dass er aus beruflichen Gründen fliegen musste, auch wenn es sich nur um nationale Flüge handelte. So hatte er die vielen Flugmeilen angespart. Einer seiner Klienten war in Salt Lake City ansässig, ein anderer in Sacramento. Außerdem nahm er oft an Konferenzen in Las Vegas und Portland teil. Ben war bisher nur ein einziges Mal geflogen. Das war, als Emery ihn nach Las Vegas eingeladen hatte. Sie waren damals zwar erster Klasse geflogen, aber mit dem, was ihn nach dem Betreten des Flugzeugs in der Businessclass erwartete, hatte Ben nicht gerechnet.
»Verdammte Scheiße«, flüsterte er, als er die kleine Tüte in Empfang nahm, die Begrüßungsgeschenke, Kissen und richtige Kopfhörer enthielt. Vor seinem Sitz war so viel Platz, dass er bequem mit den Beinen wackeln konnte. Er ließ sich seufzend fallen und riss die Tüte auf wie ein kleines Kind seine Weihnachtsgeschenke. »Elias, das ist wunderbar!«
Elias nahm ebenfalls Platz. Zwischen ihren Sitzen befand sich ein schmaler Gang. »Es ist ein langer Flug. Ich dachte mir, wir sollten so bequem wie möglich reisen«, sagte er verlegen.
Natürlich wollte Elias so bequem wie möglich reisen. Mit Ben hatte das nichts zu tun. Ben hatte nur das Glück, mit Elias unterwegs zu sein und dadurch ebenfalls davon zu profitieren. Es war nicht so, dass Elias ihm damit einen Gefallen tun wollte oder so. Trotzdem kam er sich vor wie ein Prinz, als er aufgeregt in seiner Geschenktüte wühlte, wo er noch eine Augenmaske, Socken, eine Zahnbürste mit einer kleinen Tube Zahnpasta, Ohrstöpsel und andere Kleinigkeiten fand.
»Champagner, Sir?« Ben schaute auf. Eine Flugbegleiterin stand lächelnd vor ihm und hielt ein Glas Champagner in der Hand.
»Ähm…«, krächzte er unsicher.
Elias zwinkerte ihm zu. »Das gehört dazu«, sagte er leise. Ben hätte sich beinahe über seine zögernde Reaktion geschämt, aber das Funkeln in Elias' Augen ließ ihn seine Unsicherheit schnell wieder vergessen. »Tu dir keinen Zwang an. Essen und Trinken sind im Preis inbegriffen.«
»Oh, wow. Vielen Dank, Ma'am«, sagte Ben und nahm den Champagner an.
»Für mich nicht, vielen Dank«, sagte Elias. Ben sah ihn fragend an.
»Willst du nicht feiern? Das ist der Beginn unseres großen Abenteuers!«
Elias sah ihn so verlegen an, dass Ben sich innerlich verfluchte. Offensichtlich hatte er unwissentlich ins Fettnäpfchen getreten. »Ich trinke keinen Alkohol«, erklärte Elias. »Aber ich will ganz bestimmt mit dir feiern.«
Ben fühlte sich fürchterlich. Das Glas in seiner Hand wog plötzlich Tonnen. »Es tut mir leid. Das war gedankenlos von mir.« Er hasste es, wenn Menschen andere zum Trinken animierten.
Elias winkte ab. »Schon gut, vergiss es. Ich würde gerne ein Glas trinken, aber ich muss auf meine Gesundheit achten. Hmm… ich könnte mir vielleicht ausnahmsweise ein Glas Mimosa gönnen.«
Ben schüttelte den Kopf. Verdammt, da war schon wieder diese Verlegenheit. »Das musst du nicht«, sagte er. Guter Gott, würde das jetzt während ihrer ganzen Reise so weitergehen? Dass er ständig irgendwelchen Unsinn sagte?
Elias grinste nur. »Wir haben einen Grund zum Feiern und es kann mir nicht schaden, gelegentlich eine Ausnahme zu machen. Solange ich nicht durchdrehe und Schnaps kippe, kann nichts passieren.«
Ben musste an den Abend mit Emery und den Absinth denken, den sie zusammen getrunken hatten. Allein bei der Erinnerung drehte sich ihm der Magen um. »Nein, kein Schnaps«, stimmte er Elias mit ganzem Herzen zu.
Es war schon komisch, wie schnell sich die Stimmung wieder geändert hatte – von verlegen zu entspannt. Das passierte oft zwischen ihnen. Ben wäre es lieber, sie könnten die verlegenen Momente ganz überspringen, aber er freute sich auch darüber, wie schnell Elias ihre Unterhaltung wieder in normale Bahnen lenkte. Mit etwas Übung würde es ihm vielleicht in Zukunft gelingen, nicht mehr so oft ins Fettnäpfchen zu treten.
Die Flugbegleiterin brachte Elias den Champagner mit Orangensaft. Elias hob das Glas, um mit Ben anzustoßen. »Auf unser Abenteuer«, sagte er zögernd, aber das Lächeln auf seinen Lippen zeigte Ben, dass Elias genauso aufgeregt war wie er selbst.
»Auf unser Abenteuer«, stimmte Ben ihm begeistert zu und sie stießen an. Etwas Champagner schwappte über den Rand auf ihre Finger. Sie lachten. Ben fühlte, wie er sich entkrampfte. Etwas jedenfalls.
Es würde zauberhaft werden, wie auch immer. Die Räder hoben von der Startbahn ab. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ben war auf dem Weg nach England, um sich sein Erbe zu sichern. Mit einem wunderbaren Mann an seiner Seite.
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