Doch als ich nach Hause kam, fand ich es in einem völlig chaotischen Zustand vor, ihre Schlüssel auf der Küchentheke und eine Nachricht.
Ruf mich NIE wieder an.
Ich zucke zusammen, während ich Kendrick Lamar lausche und dann den Rap ausschalte. Schließlich gehe ich nach oben, wobei ich auf dem Weg meinen iPod mitnehme. Ich laufe nach draußen und beginne mit meiner Joggingrunde, gemeinsam mit all den anderen reichen Leuten, die früh morgens in der Buckhead Nachbarschaft joggen gehen. Ich lasse den Rap wieder laufen und höre Drake zu, der davon rappt, wie berühmt er doch ist.
Ich weiß, dass die Beziehung mit Emily wegen mir zerbrochen ist. Das wurde mir mittlerweile klargemacht, hauptsächlich während langer Nächte, in denen ich mich bei meinen Freunden über die ganze Sache ausließ. Alex und Mason hören zu, aber sie scheuen sich auch nicht davor, Fragen zu beantworten.
Also bin ich jetzt hier, ein frisch gebackener… okay, vielleicht nicht ganz so frisch gebackener, Single auf der Jagd. An dem Abend neulich war ich ziemlich verzaubert von Cady… trotz der Tatsache, dass sie überhaupt nicht mein Typ ist. Blond, zierlich, zugänglich… keines dieser Worte trifft auf Cady zu.
Vielleicht ist das etwas Gutes, denke ich. Vielleicht brauche ich jemanden, der so gar nicht meinem Typ entspricht.
Ich versuche mir vorzustellen, wie ich Cady date, ihre Hand halte. Sie heirate, ihr Gesicht hinter dem weißen Schleier auftauchen sehe. Cady im Krankenhaus, wo sie unser Baby auf die Welt bringt.
Ich kann es nicht so recht sehen, aber andererseits konnte ich es noch nie sehen, mit niemandem. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich in diesem Alter noch immer allein bin. Vielleicht muss ich mir einfach eine aussuchen, die mir meine Zeit und Energie wert ist, und mich ihr verpflichten.
Ich beschleunige meine Schritte und sprinte, bis ich keine Gedanken mehr fassen kann.
4
Ich schaffe es bis zum Parkhaus bei der Arbeit und parke auf meinem reservierten Platz, bevor ich die Fassung verliere. Ich schalte den Motor aus, als die heißen, salzigen Tränen über meine Wangen zu strömen beginnen.
Das Ziel ist natürlich gar nicht zu weinen… aber wenn ich es schon tun muss, dann ist das der perfekte Ort dafür. Allein in meinem Auto, im Dämmerlicht des Parkhauses bin ich sicher. Ich lehne mich nach vorne und lege meinen Kopf auf meine Arme, die auf dem Lenkrad meines Mercedes ruhen. Während ich weine, tropfen meine Tränen auf meinen Schoß und durchnässen mein weißes Seidenkleid.
Ich weine, weil ich gerade von einem Termin bei Dr. Altman zurückkomme, die meine Endokrinologin aka mein Fruchtbarkeitsguru ist. Leider spielt es keine Rolle, wie nett sie ist, denn es gibt einfach keine guten Worte, um meine Situation zu beschreiben. Ich sah, dass sich Dr. Altmans Mund bewegte, doch das Einzige, was ich hörte war: „DIR LÄUFT DIE ZEIT DAVON, CADY!!!“
Im Grunde lässt sich meine Situation damit zusammenfassen, dass meine Ovarialfollikel mit der Zeit immer weniger geworden sind. Aufgrund einiger Bilder meiner Eierstöcke und insbesondere dieser Follikel ist Dr. Altman der Meinung, dass mir noch drei fruchtbare Jahre bleiben.
Während ich dort in dem Hartplastikstuhl in ihrem schwedisch angehauchten Büro saß, rechnete ich nach. Selbst, wenn ich irgendwie noch heute schwanger werden sollte, würde mich das ein Jahr lang außer Gefecht setzen, in dem ich nicht einmal daran denken könnte, erneut schwanger zu werden. In meinem Kopf hatte ich schon diese perfekte Familie geplant mit drei Kindern, die alle zwei Jahre Altersabstand hatten.
Ich habe sogar schon ihre Namen: für Mädchen, für Jungen.
Ich nickte mit dem Kopf, während die Ärztin mich zu beruhigen versuchte, aber ich wusste, was sie wirklich sagte.
Mir war die Zeit davongelaufen.
All die Jahre auf dem College und das Jurastudium. All die späten Abende, in denen ich mich bemühte, mich als Partnerin im ersten (oder zweiten oder dritten) Jahr zu beweisen. All die Zeiten, in denen ich mir einen noch größeren Vorrat an Verhütungsmitteln zugelegt habe, weil es ein Desaster gewesen wäre, schwanger zu werden…
All diese Zeiten strömten auf mich ein, während ich aus Dr. Altmans Büro lief. Sie drückte meinen Ellbogen und sagte zum letzten Mal, dass alles gut werden würde. Ich ertappte mich bei der Frage, wie oft sie das wohl zu ihren Patientinnen sagt, während ich das Foyer durchquerte.
Ich stieg in meinen weißen Mercedes, schützte meine Augen mit einer Sonnenbrille vor der hellen Sonne und zuckte leicht zusammen, weil der Sitz so heiß war. Ich wusste, dass ich unter Schock stand. Es dauerte nur eine Weile, bis er mich einholte. Um genau zu sein, zwanzig Minuten.
Und jetzt sitze ich hier und suche in meinem Handschuhfach nach dem Taschentuchpäckchen, das ich dort aufbewahre. Ich finde es, ziehe ein Taschentuch heraus und wische all den Rotz und Tränen mit dem dünnen Papiertuch weg.
Was genau soll ich jetzt mit dieser Information anfangen?
Es ist nicht so, als könnte ich ein paar Jahre in der Zeit zurückreisen oder gar die Uhr zurückdrehen. Das ist keine Option.
Das Einzige, das ich nach diesen Neuigkeiten tun kann, ist mich zu beeilen und schwanger zu werden. Streich das, mich beeilen und einen gefestigten Kerl mit tollen Genen finden, der heiraten und Kinder bekommen möchte und dann schwanger werden.
Ich sinke zurück in meinen Sitz und heule jetzt so richtig los. Es ist die Sorte Weinen, bei der ich einen Schluckauf bekomme und versuche, gleichzeitig zu atmen und zu weinen und jämmerlich darin versage.
Jemand klopft ans Fenster, ein leises Klonk-Klonk Geräusch. Ich schwöre, ich zucke dermaßen zusammen, dass ich fast aus meinem Sitz springe, und mein Herz hämmert wie wild. Hektisch wische ich mir eine Sekunde übers Gesicht, bevor ich eine Stimme höre, die leicht vom Fenster verzerrt wird.
„Ich bin’s, Olive“, sagt sie. „Geht’s dir gut?“
Ich lasse sämtliche Luft auf einmal entweichen und blinzle ihr entgegen. Sie erwidert meinen Blick besorgt.
„Was machst du hier draußen?“, will sie wissen und gestikuliert zu dem dunklen Parkhaus.
Ich greife zur Seite und drücke auf den Knopf, um die Türen zu entriegeln und bedeute ihr, einzusteigen. Sie rennt um den Wagen auf die andere Seite, wobei ihre Manolo Blahniks über den Asphalt klappern. Sie steigt ein, ihre langen roten Haare fließen perfekt über ein hautenges florales Etuikleid.
Neben ihr fühle ich mich wie ein erbärmliches Häufchen Elend, was mir erneut die Tränen in die Augen treibt.
„Oh, oh mein Gott!“, ruft Olive und macht Anstalten, mich zu umarmen. „Komm her.“
Ich erlaube es ihr und beuge mich unbeholfen über meine Mittelkonsole. Ich bemühe mich, keine meiner Tränen auf ihr überraschend weiches Kleid zu vergießen, indem ich mein Gesicht leicht von ihr abwende, als sie mich umarmt. Allerdings lasse ich es auch nicht ausarten. Kein Schluchzen und kein Schluckauf.
Sowie meine Tränen versiegen, löse ich mich von ihr, bereit, das bisschen zusammenzukratzen, das von meiner Würde noch übrig ist. Olive findet die Taschentücher und reicht mir eines und ich gebe mein Bestes, mein Gesicht zu trocknen. Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht einmal an mein Makeup gedacht, aber ich bin mir sicher, dass mein Mascara und Eyeliner schrecklich aussehen.
„Geht’s dir gut?“, fragt Olive, die ihre Hand auf mein Schulterblatt legt. Sie drückt leicht, womit sie mich an Dr. Altman erinnert. Ist das die allgemein gültige Reaktion auf eine weinende Frau oder so was?
Ich räuspere mich. „Mir geht’s gut. Es ist nur… ich bin gerade von der Fruchtbarkeitsärztin zurückgekommen.“
„Oh mein Gott. Bist du… unfruchtbar??“ Olives Gesicht wirkt ganz besorgt und sie flüstert das Wort unfruchtbar nur.
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