Ich schlage die schwarze Bettdecke zurück und strecke mich, splitterfasernackt. Emily mochte es nicht, dass ich nackt schlafe. Aber nachdem Emily mich vor über einem Monat verlassen hatte, probierte ich es erneut aus. Es fühlt sich so gut an, einfach nur meine Haut und die Decke, keine Kleider, die diese Glückseligkeit stören.
Ich stehe auf und gehe in das En Suite Badezimmer, wobei ich mir nicht die Mühe mache, irgendwelche Lichter anzuschalten. Im Bad beginnt bereits das erste Licht von oben herein zu sickern. Irgendein gewiefter Architekt hat im ganzen Haus Oberlichter eingeplant. Das Bad verfügt über bloße Zedernbalken an der Decke und schlichte weiße Wände, was ein widerkehrendes Thema im ganzen Haus ist. Das ganze Teil wurde von jemanden mit mehr Geschmack und Freizeit eingerichtet, als ich sie habe, und ist wirklich minimalistisch.
Vor dem riesigen Spiegel putze ich meine Zähne und inspiziere mich. Mein Bart wird ein bisschen zu lang. Also werde ich ihn vielleicht heute oder morgen kürzen. Ich halte inne, als mein Blick auf das Doppelwaschbecken fällt.
Es ist nicht ihr Waschbecken, bläue ich mir ein. Es gehört derjenigen, die irgendwann ihren Platz einnehmen wird.
Ich beeile mich, irgendwelche Trainingsklamotten auszusuchen und gehe dann nach unten in den Keller. Ich werde mein Workout mit Cardiotraining beenden, aber jetzt ist es erstmal Zeit, in meinem Heimstudio ein wenig Eisen zu stemmen. Ich schalte die Lichter an und drücke auf einen Knopf an der Wand, um die Musik anzuschalten. Rapmusik dröhnt aus den eingebauten Lautsprechern, laut und schnell.
Perfekt.
Ich schlendere zwischen den Maschinen hindurch, während ich mich zu entscheiden versuche, wo ich anfangen soll. Ich lasse es langsam angehen, indem ich meine Brustmuskeln trainiere und anschließend meine Trapezmuskeln.
Nach meiner ersten Runde an Wiederholungen, denke ich erneut an Emily. Ich verspüre eine Menge gemischter Gefühle ihr sowie dem Ende unserer Beziehung gegenüber. So viele, dass ich mir damals ein langes Wochenende frei nahm und allein campen ging in dem Versuch, mir einiger Dinge klar zu werden.
Ich campte in der Natur und lag unter den Sternen, während ich versuchte, zu ergründen, was genau schiefgelaufen war.
Erstens war Emily vermutlich wütend über meine Weigerung, sie einziehen zu lassen. Tatsächlich hatte ich so einige Dinge aufgeschoben, die eine Langzeitverpflichtung signalisierten: gemeinsam einen Hund anschaffen, Urlaubspläne schmieden, die weit in die Zukunft reichten, selbst eine Familienmitgliedschaft für das Fitnessstudio, in das wir beide gingen, war zu viel für mich.
Zugegeben, sie wurde nie wirklich sauer, wenn ich Zukunftspläne einfach mit einem Achselzucken abtat. Ihr Mund wurde zwar zu einem schmalen Strich und ihre Augen verengten sich, aber es war nichts, das mich direkt betroffen hätte. So gelang es mir auch, ihr zorniges Verhalten drei Jahre lang zu ignorieren: indem ich taub und töricht war.
Wenn ich also irgendetwas von meiner gescheiterten Beziehung lernen wollte, musste ich herausfinden, was ich wollte. Und ich musste mich dem verpflichten. Das war im Großen und Ganzen das, was ich von dieser Beziehung gelernt hatte.
Zweitens nehme ich an, dass Mason recht hatte, als er mich beschuldigte, immer wieder den gleichen Typ Frau zu wählen. Zierliche Blondinen, die Yogamatten herumtragen, sind meine Zielgruppe. Wenn ich ehrlich mit mir selbst bin, gefällt mir an ihnen, dass sie im Allgemeinen unterwürfig sind und mich intellektuell nicht allzu sehr herausfordern.
Im Grunde genommen ist mein Typ das genaue Gegenteil von Cady, dem Mädchen, das ich neulich abends kennenlernte. Ich stelle sie mir vor, ihre dunklen Haare und grauen Augen, größer als die Frauen, auf die ich normalerweise abfahre. Sie hatte Brüste und Hüften und einen richtigen Hintern, nicht nur einen flachen Yogapo.
Und ihre Persönlichkeit ist so anders als die aller Frauen, die ich bisher gedatet habe. Sie ist sarkastisch und gewitzt und sie hat einen wichtigen Job in einer Kanzlei. Sie kann auf ihren eigenen Füßen stehen, im Gegensatz zu Emily.
Für Emily sprachen viele Dinge, aber sie arbeitete auch in einem Coffee Shop und konnte nicht ohne Mitbewohner leben.
Als ich die Maschinen wechsle und wirklich ins Schwitzen gerate, beginnen meine Gedanken zu wandern. Zuerst denke ich an die Arbeit. Ich habe Bryce noch immer nicht unter Vertrag genommen und später heute habe ich noch ein Meeting im Büro.
Dann denke ich an Mason und Alex, meine zwei besten Freunde. Ich habe gute Arbeitskollegen, aber ich bin wirklich wählerisch, mit wem ich meine Freizeit verbringe. Mason reagiert allergisch auf Beziehungen und hat jede Nacht eine neue Frau. Ich kann nicht glauben, dass er tatsächlich so unverfroren war, mich zu beschuldigen, nur One-Night-Stands zu haben.
Und Alex… Alex scheint bei Frauen gut anzukommen, aber der Mistkerl ist so heimlichtuerisch. Er könnte meine Mom, meine Schwester und meine Oma vögeln und niemand würde es wissen. Aber was auch immer er treibt, er ist ein verlässlicher Kerl. Er taucht immer auf, wenn er sagt, dass er das tun wird, selbst wenn es sich dabei um die Totenwache meines Großvaters handelt.
Auf dem College hatte ich mehr Freunde, aber sie sind alle langsam in der Versenkung verschwunden, fanden Partnerinnen und heirateten… und waren irgendwann weg. Mason und Alex sind die Einzigen, die noch neben mir stehen.
Leider ist das momentan so ziemlich das Einzige, worüber ich mir den Kopf zerbrechen muss. Ich trainiere, ich mache meinen Job und verbringe Zeit mit meinen Freunden. Mein Leben ist irgendwie leer, wenn ich ehrlich mit mir selbst bin. Mittlerweile bin ich fünfunddreißig und hätte gedacht, dass ich inzwischen verheiratet wäre, vielleicht eine Familie gegründet hätte.
Tatsächlich war das die Sache, die mich an Emilys Weggang wirklich schockierte. Ich erinnere mich daran, wie sie die Dokumente fand, die ich für eine geplante Reise brauchte. Ich hatte allein nach Macchu Picchu reisen wollen.
„Du hattest nicht vor, mir davon zu erzählen?“, fragt sie und schleudert mir die Dokumente entgegen, während ich auf dem Sofa liege. Zu diesem Zeitpunkt sind wir bereits fast drei Jahre zusammen, lang genug, dass ich ihre Wut erkennen kann.
„Ohh… ich meine, bis dahin, na ja, sind es noch drei Monate“, erwidere ich und setze mich auf.
„Was soll das bitteschön heißen?“, explodiert sie. Jetzt ist sie wirklich auf hundertachtzig und ihr blonder Pferdeschwanz schwingt bei jeder Bewegung mit. „Im Ernst, wie konntest du mir nichts davon erzählen? Oder… warte, hast du schon eine andere Frau, mit der du dorthin gehst? Oh mein Gott, betrügst du mich??“
„Whoa, whoa. Erstens, nein. Zweitens, wann sollte ich dazu die Zeit haben?“, sage ich abwehrend. „Ich will damit nur sagen, dass… du weißt schon, es liegt in der Zukunft. Wer weiß schon, was bis dahin alles passieren wird?“
Sie richtet ihren wütenden Blick und einen Finger auf mich.
„Fragst du dich etwa, was in drei Monaten mit unserer Beziehung sein wird?“
„Nein…“, entgegne ich schuldbewusst. Sie starrt mich eine Sekunde an und ich beginne mich zu fragen, ob sie meine verdammten Gedanken lesen kann oder nicht. Denn ich sagte zwar Nein, aber was ich meinte war… vielleicht.
„Weißt du was? Damit ist das Maß voll. Während du heute in der Arbeit bist, werde ich meine Sachen hier rausholen. Mach dir gar nicht erst die Mühe, irgendetwas zu sagen, denn ich will es nicht hören.“
„Warte, Emily –“
Sie trampelt die Stufen hoch und ich höre schwach einen Knall. Das war dann wohl die Tür zum Schlafzimmer.
Fuck.
Die Sache ist die, ich ging an diesem Tag zur Arbeit. Ich nahm einfach an, dass sie tun würde, was sie in so einem Fall normalerweise tat: eine Shoppingtour und ein Workout machen. Dann wäre alles wieder in Ordnung. Ich schickte ihr von der Arbeit Blumen, was ich für eine nette Geste hielt.
Читать дальше