»Ich suche eine Bleibe näher an meinem Arbeitsplatz.«
Edgar nickte verständnisvoll. »Gut. Nun, wie Sie ebenfalls sehen, handelt es sich um eine Neubausiedlung. Das älteste Haus wurde, glaube ich, vor drei Jahren gebaut. Sollen wir hineingehen?«
»Bitte, ja.«
»Der Angestellte von Andrews & Sohn öffnete die Tür und machte Platz, um seinem Interessenten den Vortritt zu überlassen. Fox zog den Schlüssel im Vorbeigehen aus dem Schloss.
»Danke, gekauft.«
Edgar war verdutzt, lächelte aber dennoch, bis die Tür zufiel und er ausgesperrt dastand. Fox zwinkerte sich im Spiegel auf dem Flur selbst zu, bevor er zur Küche ging, wobei er die Klingel ignorierte, die der verwirrte Vermittler jetzt drückte. Er griff unters Spülbecken und drehte die Wasserleitung wieder auf. Dann öffnete er den Wandschrank unter der Treppe und stellte den Strom ein. Das Läuten hatte aufgehört; Fox füllte den Wasserkocher am Hahn. Als Edgar an einem der Fenster hinterm Haus auftauchte, hielt Fox die Kanne und einen ausgestreckten Daumen hoch, bevor er den Rollladen hinunterließ.
Tracy wollte ihn nach Strich und Faden bescheißen. Das Haus war bis auf einzelne Gegenstände leer, die sie strategisch zurückgelassen hatte, um es »verkaufen« zu können: Den Herd in der Küche, teure Kochutensilien an ihren Haken und Zeitschriften, die sie nie gelesen hatten, auf dem Kaffeetisch im Eingangsflur. Zum Glück blieben außerdem sowohl der Fernseher als auch die Couchgarnitur zur Vorspieglung erhalten.
Plötzlich kam Fox eine Idee. Er ging schnell zu der Tür, die in die Garage führte, und öffnete sie. Da stand er, sein geliebter Porsche, als habe er sich partout nicht von der Stelle bewegen wollen, still bis zu dem Tag, da er ihn vollständig reparieren würde. Er sah noch genauso aus wie zuletzt, bloß dass er nun von Kisten umgeben war. Fox machte die erstbeste auf und sah, dass Kleider – seine eigenen – darin lagen. Er hob sie auf und nahm sie mit nach oben, wo er duschte, erneut ohne auf die Klingel oder jetzt auch sein brummendes Handy zu achten.
Riad, Königreich Saudi-Arabien
Chalid blickte hinaus in die Wüste. Gab es ein besseres Zeugnis für Gottes Allmacht? Er verrichtete »sein« Werk auf Erden, erfüllte den göttlichen Willen. Es war Zeit, einen neuen Dschihad gegen die Ungläubigen zu beginnen, die das Haus des Islam gemeinsam mit der verderbten Königsfamilie schändeten.
Er hatte die Liste mit den Zielen des Tschetschenen und mehrere Vorschläge bekommen. Diese waren überwiegend annehmbar, wie er fand. Seine Männer kannten ihre Anweisungen nun, und bald – Inschallah – sollte das Königreich Saudi-Arabien frei von der Plage der Ungläubigen zum wahren Haus des Islam werden.
Wellness- und Fitnessklub, Segelhafen Brighton, Großbritannien
Die drei »Klöpse« waren wieder da, um ihre Muskeln weiter zu aberwitzigen Proportionen aufzupumpen. Fox konnte nur mit dem Kopf schütteln. Was für ein Trio! Sie waren Anfang zwanzig, einer fast eins neunzig groß und der zweite nur unwesentlich kleiner, wohingegen der dritte – er hatte ihn »Miniklops« getauft – die eins fünfzig nur knapp überragte. Während sie vorbeigingen, behielt Fox den Monitor vor seinem Laufband im Auge, der gerade die Nachrichten auf Sky News zeigte, wo von irgendeiner Demonstration in der Ukraine berichtet wurde. Ein neuerlicher Blick nach unten, und er sah, wie die zwei größeren Klöpse Gewichte auf die Beinpresse legten, damit Miniklops diese wie gewohnt schnaubend unter stetig zunehmendem Widerstand von seinem Körper wegdrückte.
Der Kerl war wirklich urkomisch, dachte Fox – ein richtiger Würfel, die Schultern breiter als seine und die Brust stämmiger. Das Dumme daran? Dadurch wirkte er noch kleiner. Klops eins und zwei feuerten ihn an. Als er sein Pensum gestemmt hatte, warfen sie ihm eine Flasche Wasser zu.
Fox hatte in seinem Leben schon so ziemlich alles gesehen, angefangen bei drahtigen Typen, die nichts lieber taten, als den ganzen Tag zu laufen, bis zu Volldeppen, die sich für unbezwingbar hielten. Meistens waren es Fallschirmjäger, gewaltige Klötze, die sich in den Kugelhagel stürzten wie in ein Freischwimmerbecken und trotzdem dran glauben mussten. Kraft zu haben traf sich sehr gut, doch beweglich und flink zu sein war genauso wichtig. Als Fox die Marke von fünf Meilen erreichte, lief er langsamer und trat schließlich vom Band.
Mit fünfundvierzig war er noch so gut in Schuss wie mit fünfundzwanzig – oder tat zumindest so als ob. Bierbauch und Falten, das kam für ihn nicht infrage. Sicher, seine Gelenke taten nun häufiger weh, doch er empfand eine perverse Freude daran, den Schmerz zu suchen und durchzustehen. Nachdem er hastig vom Wasserspender getrunken hatte, ging er zum Klimmzug-Trainer, der vor der Beinpresse und den »Klöpsen« stand. Sie machten zwischen den Geräten eine Pause und warfen dem älteren Mann verstohlene Blicke zu. Da Fox wusste, dass sie ihn beobachteten, beschloss er, es ihnen zu zeigen. Er sprang an die Stange und stockte nur kurz, um sich richtig festzuhalten, bevor er blitzflink zehn Züge machte. Als er sich fallen ließ, bemerkte er, dass sie verwundert dreinschauten.
»Bin ein bisschen schlaff heute«, sagte er auf dem Weg zur Langhantel, ohne das Trio direkt anzusprechen.
Snow zeigte einen Klubausweis und wurde hineingelassen. Er folgte der Beschilderung in die Übungshalle. Nach fünfzehn Uhr brummte das Studio immer vor jungen Mamas und Mitgliedern, die Schichtarbeit schoben, wie er annahm. Er musste sich kurz umschauen, bevor er den Mann ausmachte, mit dem er sprechen wollte. Fox quälte sich gerade beim Bankdrücken.
»Ist das ein Aufwärmtraining?« Snow schaute ihn von oben herab an.
Der alte Soldat erkannte das Gesicht nach kurzem Zögern wieder und grinste dann umso breiter. »Wär's nicht für dich, englische Tunte!« Fox legte die Langhantel ab und stand auf. Er streckte eine Hand aus; mehr als vierzehn Jahre war es her, dass er mit dem jungen Infanteristen in einem kalten Graben gelegen hatte.
»Freut mich, dich zu sehen, Paddy.« Snow schüttelte die breite Hand.
»Ganz meinerseits, mein Freund.« Fox fuhr mit seinem Kopf zur Seite, um anzudeuten, dass sie woanders hingehen sollten.
Snow folgte ihm in eine Ecke abseits des allgemeinen Treibens im Saal, die persönlich zugeschnittenem Training vorbehalten war. Die beiden setzten sich jeweils auf ein anderes Übungsgerät.
»Na, was treibst du hier?«
»Ich bin gekommen, um dich zu treffen.«
»Mich treffen?« Fox trank einen Schluck Wasser.
Snow schaute kurz nach hinten, um sich zu vergewissern, dass niemand sie hören konnte. »Es gibt da was, worüber ich mit dir sprechen muss.«
Fox wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Bist du noch beim Regiment?«
»So würde ich es nicht ausdrücken.«
Er zog die Augenbrauen hoch. Snow weiter auf den Zahn zu fühlen verkniff er sich wohlweislich in diesem Ambiente. »Pass auf, ich spring schnell unter die Dusche, warte draußen. Bist du mit dem Auto da?«
Der Agent nickte.
Fünf Minuten, nachdem er seinen Audi vorne beim Eingang geparkt hatte, kam Fox heraus, woraufhin sie den Segelhafen verließen und zurück nach Shoreham fuhren.
»Du bist bekannt wie ein bunter Hund.« Snow schaute seinen Freund an, als sie in den Verkehr an der Küste einbogen.
»Anscheinend vor allem auf Al Jazeera.«
»Also, was ist passiert?« Snow wollte es aus erster Hand erfahren.
»Wer möchte das wissen?«
»Bloß ich, Paddy.«
Fox verschränkte die Arme und ließ sich in den Sitz sacken. Jemandem alles zu erzählen, ohne rechtliche Konsequenzen oder einen Enthüllungsbericht befürchten zu müssen, kam einer Erleichterung gleich. Er vertraute Snow. Auf dem Weg nach Shoreham legte er lückenlos dar, was an jenem ereignisreichen Nachmittag geschehen war.
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