Hui Buhs Augen leuchten und er nickt wie verrückt. Und ob er das will!
Die Fledermaus lächelt zufrieden: „Dann gehen wir streng nach meinem Lehrbuch Meister Frederiks hohe Kunst des Spukens und Hexens von 1 bis Z vor.“
Hui Buh seufzt. Er wäre zu gern schon jetzt ein richtiges Gespenst. Ohne viel üben und lernen. Doch dann siegt seine Neugierde: „Wie lauten denn nun unsere Aufgaben, Frederik? Spuk aus! Äh, ich meine, spuck aus!“
Frederik beugt sich über das dicke in Leder gebundene Buch, in dem die Hexen- und Spukaufgaben stehen. Es ist ein altes Buch, was man daran erkennen kann, dass der Umschlag Flecken hat und die Seiten Eselsohren. Der weise Lehrmeister vergewissert sich, dass er die richtigen Aufgaben für seine neuen Schüler herausgesucht hat, dann erklärt er: „Also gut. Hui Buh, du übst das Schweben! Hedda Hex, du bringst heute einen Menschen zum Lachen. Alles klar?“
„Na klar!“, die kleine Hexe blinzelt vergnügt und ein paar lustige Fältchen bilden sich auf ihrer Stupsnase. „Da fällt mir bestimmt gleich was ein!“
„Klar wie ein trüber Tümpel“, bestätigt auch Hui Buh. Mit einem verschmitzten Grinsen steuert er auf ein Regal zu. Bücher liegen kreuz und quer darin herum, allesamt mit einer dicken Staubschicht überzogen. Das Gespenst stellt sich vor das Regal, wiegt den Kopf hin und her und betrachtet alles mit fachmännischem Blick. Schließlich stellt es sich auf die Zehenspitzen, bläst die Backen gaaanz weit auf und pustet nach Leibeskräften: Pffffffft!
Strahlend dreht sich Hui Buh zu Frederik um: „Aufgabe bestanden!“, sagt er zufrieden und deutet auf Tausende winziger Staubflocken, die durch die Luft wirbeln.
Frederik, der mit geschlossenen Augen und aufgestellten Ohren an seinem Balken hängt, schüttelt den Kopf: „Nö!“
„Aber sicher“, erwidert Hui Buh, „du musst dich nur mal von deinem Dachbalken wegbewegen!“
„Hui Buh“, erklärt Frederik geduldig, „Staub zum Schweben bringen kann jeder Sauerstoffatmer. Du hingegen bist ein Gespenst und sollst dich oder etwas mithilfe deiner gespenstischen Fähigkeiten schweben lassen.“
Sauerstoffatmer oder Türenbenutzer , so nennen magische Wesen die Menschen. Das weiß Hui Buh schon. Aber wie soll er seine Aufgabe dann erfüllen? Nachdenklich schiebt er den Ritterhelm auf seinem Kopf vor und zurück und grübelt. Schließlich hat er eine Idee:
„Vielleicht, wenn ich ganz viel Luft einatme? Dann schwebe ich bestimmt an die Decke wie ein Luftballon. Hihi! Das schaffe ich in Rekordspukzeit.“
Er will gerade tief Luft holen, als Hedda Hex aufgeregt vor ihn tritt. „Hui Buh, pass auf: Welche Nuschel liegt am Strand?“
Doch ehe Hui Buh antworten kann, schüttelt Hedda Hex den Kopf: „Quatsch. Warte, der Witz geht so: Eine Nuschel liegt undeutlich am Strand und … äh …“ Die kleine Hexe kratzt sich an der Nasenspitze. Dann strahlt sie. „Jetzt habe ich es: Was liegt am Strand und redet undeutlich?“ Erwartungsvoll blickt sie Hui Buh an.
„Eine Nuschel“, antwortet das Gespenst schnaufend. Vom vielen Ein- und Ausatmen wird ihm schon ganz schwindelig!
Enttäuscht schiebt Hedda Hex die Unterlippe vor. „Woher weißt du das?“
„Weil du es selbst verraten hast!“, sagt Hui Buh und holt wieder Luft.
Hedda Hex zuckt mit den Schultern. Sie hat ja noch mehr Witze auf Lager. „Na gut. Jetzt kommt ein wirklich lustiger Witz: Treffen sich zwei Fische. Sagt der eine: Hallo! Fragt der andere: Wo?“ Die kleine Hexe kichert vergnügt.
Hui Buh atmet aus und blickt sie fragend an: „Verstehe ich nicht.“
Hedda Hex schlägt sich an die Stirn. „Stimmt, der Witz geht ja auch anders. Du bringst mich mit deiner Atmerei ganz durcheinander.“
Aber Hui Buh interessiert nur eines: „Schwebe ich schon?“, fragt er mit angehaltenem Atem.
„Nein. Nicht ein Stück. Du siehst eher aus, als würdest du gleich platzen.“
Plötzlich fällt Hedda Hex noch etwas ein: „Frederik, kann es sein, dass Witzeerzählen auch nur ein Sauerstoffatmer-Trick ist? Ich brauch dazu ja gar keine Magie!“
Der weise Lehrmeister öffnet ein Auge und antwortet: „So ist es. Denk dir etwas anderes aus. Hex dir Segelohren und wackle damit. Oder so etwas in der Art.“
Nachdenklich stellt sich Hedda Hex vor einen großen Spiegel, kneift die Augen zusammen und mustert ihre Ohren. Es sind ganz normale kleine Hexenohren. Wie soll ich die nur groß bekommen? , fragt sie sich.
Die kleine Hexe bemerkt nicht einmal, dass Hui Buh nun hinter ihr vorbeisaust wie ein Ballon, aus dem alle Luft entweicht. Pfffffffft! Unsanft landet er auf dem Hosenboden und schiebt sich den Ritterhelm aus der Stirn.
„Ich brauche frische Luft“, beschließt er. „Da werde ich im Knochenhandumdrehen schweben! Komm doch mit, Hedda Hex. Ich bin mir sicher, draußen findest du eine verhext gute Lösung für deine Aufgabe.“
Mit einem lauten Huuui Buuuh! flitzt er in Richtung Tür.
Herr Dünnedings muss verspukt werden
Es gibt verschiedene Wege, um die Geheimzentrale auf dem Dachboden der Schloss-Grundschule zu verlassen. Man kann die Treppe hinuntergehen, man kann aus dem Fenster fliegen – vorausgesetzt man beherrscht das Fliegen – oder man kann die Dachrinne runterrutschen. Das allerdings nur, wenn man eine Sondergenehmigung des obersten Hexen- und Gespensterrats hat. Hui Buh und Hedda Hex verlassen die Geheimzentrale am allerliebsten über einen weiteren Weg: die magische Wendelrutsche mit ihren dreizehneinhalb Drehungen.
Um die Rutsche zu benutzen, müssen die beiden durch den Flur vor der Zentrale. Hier hängen in kunstvoll verzierten Rahmen die Bilder von Frederiks ehemaligen Schülern. Allerdings sind es keineswegs gewöhnliche Bilder. Die Hexen und Gespenster, die hier zu sehen sind, können sich nämlich bewegen und sogar sprechen.
Besonders zwei von ihnen, das Gespenst Hubert und die Hexe Ernestine, reden ziemlich viel, wenn die Nacht lang ist … Und die beiden lieben es, anderen Streiche zu spielen. Sie tragen sogar einen kleinen Wettstreit aus. Wem gelingt es häufiger, jemand reinzulegen?
Im Augenblick steht es 912 zu 912, also unentschieden. Als Hui Buh und Hedda Hex nun durch den Flur zur magischen Wendelrutsche laufen, wittert Hubert seine Chance:
„Hui Buh, dein Schuh ist offen!“, ruft er dem Gespenst hinterher. Voller Vorfreude zupft er an seinem roten Schal.
„Oh, danke, Hubert.“ Hui Buh bückt sich, um seinen Schnürsenkel zuzubinden, und schaut verdattert. „Huch! Das geht doch gar nicht. Ich trage Stiefel!“
„Reingefallen, hahaha!“, feixt das Gespenst. „Ernestine, hast du das gesehen?!“, lachend tippt Hubert gegen Ernestines Bilderrahmen. „Jetzt steht es 913 zu 912.“
Ernestine lehnt sich weit aus dem Bild, um alles besser beobachten zu können. Dabei stößt ihr großer Hexenhut oben an den Rahmen. „Nicht lange, Hubert!“, verspricht sie und ihre Augen funkeln vergnügt.
Hui Buh runzelt entrüstet die Stirn. „Bei allen verspukten Geistern, macht ihr euch lustig über mich?“ Er blickt zwischen Hubert und Ernestine hin und her.
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