Bist du noch da?
„Los, los!“ Quinn drückte meinen Hals, um sicherzustellen, dass ich ihn fühlen konnte.
Ich zog mich so weit zurück, wie ich nur konnte, und mein kaputter Flügel fühlte sich an, als würde mir jemand ein Messer in die Seite rammen. Dann stürzte ich mich wieder auf den Spalt.
Halt dich gut fest, dachte ich.
Für ein schwächeres Wesen wäre Quinns Griff schmerzhaft gewesen. Er klammerte sich fest, als wollte er mich nie wieder loslassen. Das war auch gut so, denn es würde ein ungemütlicher Flug werden. Ich flatterte rückwärts – einer der Vorteile meiner peinlichen Flügel – und zielte auf die Öffnung. Das würde knapp werden. Ich krachte ein letztes Mal gegen die Decke und schaffte es, mich zwischen den einstürzenden Mauern durchzuzwängen. Quinn schmiegte sich an meine Schultern, ich presste die Flügel an meinen Körper, wir schlüpften hindurch und stiegen in die Luft.
Sonnenlicht begrüßte uns, gefolgt von der Erde, als ich abstürzte. Ich schaffte es, unseren Fall zu bremsen, aber ich konnte ihn nicht stoppen. Wie prallten ab, als ich auf der Erde aufschlug und nahmen dabei zwei oder drei Bäume mit. Wir schlitterten ins Unterholz und ich stöhnte. Das waren üble Schürfwunden auf meinem Bauch und mein Flügel schmerzte. Ich hatte außerdem einen Knick im Schwanz und ein Bein war in einem seltsamen Winkel verdreht.
Ich lag da, versuchte Luft zu holen und die Schmerzen unter Kontrolle zu bringen, als Quinn von meinem Hals rutschte. Ich musterte ihn, um sicherzustellen, dass er okay war. Außer dass er ein wenig unsicher auf den Beinen war, schien es ihm gut zu gehen. Er lehnte sich an mich und tätschelte meine Seite.
„Kannst du dich verwandeln?“, erkundigte er sich. „Es wäre dann alles leichter zu heilen und ich könnte deine Wunden versorgen.
Ich grunzte. Ich wollte einfach nur die Augen schließen und ein wenig schlafen. Aber ich wusste, dass er recht hatte. Trotzdem fielen mir die Augen zu und die Dunkelheit war verlockend.
Ein Klaps auf meine Nase ließ mich die Augen wieder öffnen.
„Nein, du musst dich verwandeln. Du kannst danach schlafen. Komm schon, Twig. Tu es für mich.“ Quinn stand da, die Hände in die Seiten gestemmt, ganz der großartige Zauberer, der er war. Ich hatte wirklich Glück. Mit einem Lächeln im Gesicht begann ich wieder abzudriften.
„Oh verdammt, du wirst so sauer auf mich sein.“ Quinn räusperte sich und streckte das Kinn vor. „Als dein Zauberer befehle ich dir, dich zu verwandeln. Sofort.“
Mein Drachen-Ich reagierte auf seine Autorität und meine Knochen formten sich wieder zu meiner menschlichen Gestalt. Alles tat weh und die Dunkelheit rief nach mir. Sie war so nah und doch außer Reichweite.
Die Verwandlung war langsam und qualvoll, wie bei den ersten Dutzend – okay, eher den ersten Hundert – Malen, die ich es getan hatte. Ich knirschte mit den Zähnen, als Knochen brachen und sich neu bildeten, meine Flügel in meinen Schulterblättern verschwanden, meine Schnauze langsam schrumpfte und mein Schädel sich zu meinem menschlichen Gesicht verwandelte. Ein kleines Stöhnen kam über meine Lippen, aber ich weigerte mich, mir anmerken zu lassen, wie sehr die Verwandlung mir zusetzte.
Quinn eilte an meine Seite und kniete sich nieder.
„Bist du okay?“ Er strich mit der Hand sanft durch mein Haar. „Es tut mir leid, dass ich die Verwandlung erzwingen musste, aber wenn du das Bewusstsein verloren hättest, hätte ich dir nicht helfen können.“
Ich grunzte. Damit würde ich mich später befassen. Ich wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, auch wenn ein Teil von mir die Kontrolle ablehnte, die er über meinen Drachen ausübte. Über mich.
Quinn trat hinter mich. Seine Finger fuhren meinen Rücken entlang und hielten an der Stelle inne, wo sonst meine Flügel wären.
„Kannst du sie ausfahren? Ich muss sicherstellen, dass sie nicht zu schwer beschädigt sind.“
Ich knurrte. Ehrlich gesagt klang es eher nach einem Wimmern. Ich war nicht daran gewöhnt, solche Schmerzen zu haben. Bis jetzt hatte nichts jemals meine Flügel beschädigt. Der Schmerz pulsierte gleichmäßig in meinem Rücken. Der Rest von mir schien in Ordnung zu sein, das Rückbilden meiner Knochen hatte vermutlich die meisten Schäden beseitigt. Ich hatte aber immer noch hässliche Abschürfungen auf Brust und Bauch und mein Bein pochte dumpf.
„Sollten meine Flügel nicht geheilt sein? Die haben sich auch verwandelt.“
„Ich glaube, die schrumpfen nur, sie verwandeln sich nicht“, sagte Quinn. „Solange ich sie nicht sehen kann, weiß ich das aber nicht sicher.“
„Sie tun weh.“ Was für eine Untertreibung.
„Ich weiß.“ Quinn wartete geduldig. Ich war überrascht, dass er mich kein großes Baby nannte. Quinn wusste, wann er besser ruhig war.
Ich konzentrierte mich darauf, meine Flügel zum Vorschein zu bringen. Normalerweise stellte ich sie nicht zur Schau, da sie ungefähr so groß waren wie meine Hand und außer als Zierde komplett nutzlos. Es war peinlich.
Winzige, mickrige Feenflügel an einem Kerl wie mir. Ein schlechter Scherz des Universums.
Quinn atmete scharf ein. „Verdammt Baby, wenn du dich verletzt, dann aber gründlich.“ Er kicherte, aber es klang nicht amüsiert. Wahrscheinlich wollte er mich beruhigen. Er war nicht daran gewöhnt, mich so mitgenommen zu sehen. Mein halbes Drachenerbe machte es jedermann schwer, mich zu verletzen.
Wir hatten immer angenommen, die Flügel wären meine Schwachstelle. Glänzend und mitternachtsblau wie mein Haar waren sie zu ihren besten Zeiten filigran. Feenerbe war in mehr als einer Hinsicht nicht so toll wie sein Ruf.
„Lass mich sehen, ob ich einen Umschlag machen kann. Ich sollte ein paar Kräuter haben …“ Er kramte in seinem Umhang. „Die kann ich mit unserem Wasser mischen. Das wird genügen, bis wir nach Hause kommen.“
Während er in seinem großen Mantel herumsuchte, lag ich still da und konzentrierte mich darauf, meinen Körper zu entspannen und zu heilen. Ein leises Summen klang in meinen Ohren, das erst hörbar wurde, als ich ganz still dalag. Etwas Weiches kitzelte auf meinem Rücken und bewegte sich an meiner Wirbelsäule aufwärts zu meinen Flügeln. Ich schauderte.
„Hey, was machst du denn, Cookie?“
Quinn wollte sie von meinem Rücken holen, aber sie rollte von ihm weg und zwischen meine Flügel.
„Beweg dich nicht, Twig. Sie könnte dich sonst versehentlich verletzen.“
Ich hielt still. Was hatte die verdammte Fellkugel denn nun vor?
Als Quinn vorsichtig nach ihr griff, fauchte sie. Er hielt inne.
„Cookie, lass das. Komm sofort hierher.“ Er legte sanft eine Hand auf meinen Rücken.
Cookie kam aber nicht zu ihm. Stattdessen begann sie zu zwitschern. Es war beinahe ein Lied. Wärme breitete sich über meinen Flügeln aus, beruhigend und sanft.
Ich stöhnte wohlig. Es fühlte sich großartig an, wie warme Lippen auf überempfindlicher Haut. Quinn schnappte schockiert nach Luft und unternahm keinen Versuch mehr, sie zu entfernen.
„Twig, sie heilt dich. Ich weiß nicht, wie. Aber ihr Lied … das ist unglaublich.“
Vielleicht war Cookie doch nicht so übel.
Nach ein paar Minuten hörte sie auf zu singen und kauerte sich zwischen meine Schulterblätter. Ich hätte schwören können, dass sie nach wenigen Sekunden zu schnarchen begann. Ich drehte den Kopf und blickte über die Schulter zu ihr. Ja, eindeutig. Sie schnarchte.
Quinn betrachtete uns beide mit einem sanften Blick und einem erleichterten Lächeln.
„Ihr beide werdet sicher noch gute Freunde.“
Ich schnaubte. „Sie ist okay.“
„Sie hat dich geheilt.“
„Das weißt du nicht.“
„Doch.“ Quinn stupste mich in die Seite. „Glaubst du, Bill wird wissen, was sie ist? Ich wette, er wird sich eine Menge Notizen zu ihr machen.“
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