Wahrscheinlich würde sie ihn geheiratet haben, hätte er um sie angehalten. Ihre Eltern würden die Partie sehr gebilligt haben. Ihnen würden seine fünfundfünfzig Jahre, sein ledernes Herz kein Hindernis gewesen sein, und da er Pfarrer war, ein allerliebstes Leben führte, ein gutes Haus inne hatte, und auch aller Meinung nach Privatvermögen besaß, würden sie Hannah seiner liebevollen Güte und zärtlichen Gnade unbedenklich überlassen haben, dann aber würde die zweite Mrs. Helstone, die natürliche Ordnung des Daseins von Insekten umkehrend, nachdem sie während der Honigmonate als ein stolzer, bewunderter Schmetterling herumgeflattert war, den übrigen Teil ihres Lebens jedoch als geringer, zertretener Wurm verbracht haben. Was jedoch jenes Privatvermögen betraf, so war die Welt im Irrtum. Jeder Penny der 5000 Pfund, die er von seinem Vater geerbt hatte, war dazu verwendet worden, eine neue Kirche in seinem Geburtsdorf, in Lancashire, zu bauen und auszustatten, denn wenn er wollte, konnte er eine großartige Freigebigkeit zeigen, und war der Zweck ihm teuer, zauderte er nie, große Opfer zu seiner Erreichung zu bringen.
Der kleine Mr. Sweeting, der zwischen der ihm sich sehr freundlich zeigenden Mrs. Sykes und Miss Mary saß, und einen Teller mit Torte vor sich hatte, fühlte sich zufriedener als ein König, und sah auch so aus. Er war in alle drei Misses Sykes verliebt, und sie alle drei in ihn. Er hielt sie für prachtvolle Mädchen, ganz geeignet zu einer Verbindung mit ihm. Wenn er nur etwas in diesem glücklichen Moment noch bedauerte, so war es dies, dass Miss Dora nicht mit zugegen war. Dora war nämlich diejenige, welche er eines Tages Mrs. David Sweeting zu nennen hoffte, mit welcher er träumte, stolz herumzuspazieren und sie, gleich einer Kaiserin, durch Nunnely zu führen, und eine Kaiserin wäre sie auch gewesen, wenn Körperbeschaffenheit dazu machen kann. Sie war stark und gewichtig. Von hinten gesehen hatte sie das Aussehen einer stattlichen Dame von vierzig Jahren, aber bei alledem besaß sie ein hübsches Gesicht und keinen unfreundlichen Charakter.
Endlich kam das Mahl zum Schluss. Es würde lange vorüber gewesen sein, wenn Mr. Donne nicht noch beharrlich sitzen geblieben wäre mit seiner halb vollen Tasse kalten Tees vor sich. Nachdem schon alle anderen geendet hatten, hatte er eine solche Menge von Delikatessen, die er als für sich genügend erachtete, verzehrt, lange nachdem schon ringsum Zeichen der Ungeduld sich zu erkennen gegeben hatten, die Stühle gerückt und alles still geworden war. Vergebens fragte Caroline wiederholt, ob er noch eine Tasse haben wolle, ob er nicht etwas heißen Tee dazu nehmen wolle, da der seine kalt sein müsse usw. Er wollte seine Tasse weder trinken noch lassen. Er schien zu glauben, seine isolierte Lage gebe ihm eine gewisse Wichtigkeit, es sei würdevoll und herrschaftlich der Letzte zu sein, und großartig, alle anderen warten zu lassen. So lange zauderte er, bis das Feuer unter dem Kessel ausging. Es zischte nicht mehr. Endlich aber wurde selbst der alte Pfarrer, der sich bisher zu angenehm mit Hannah unterhalten hatte, um die Verzögerung zu bemerken, ungeduldig.
»Worauf warten wir denn?« fragte er.
»Auf mich, glaube ich«, antwortete Donne selbstgefällig, und dem Anschein nach glaubend, es müsse ihm Wichtigkeit geben, dass eine Gesellschaft so sehr von seinen Bewegungen abhängig sei.
»Oh«, rief Helstone, »da wollen wir doch aufstehen. Lasst uns denn Dank sagen«, setzte er hinzu, tat es auch, und nun verließen alle den Tisch. Donne saß, keineswegs beschämt, noch einige Minuten allein da, während Mr. Helstone klingelte, dass das Teegeschirr abgeräumt werde. Endlich sah sich der Hilfsgeistliche doch genötigt, seine Tasse auszutrinken und die rôle aufzugeben, die, wie er glaubte, ihm eine beglückende Auszeichnung gewährt, und ihm eine so schmeichelhafte allgemeine Aufmerksamkeit zugezogen hatte.
Und nun wandte man sich nach dem natürlichen Lauf der Begebenheiten der Musik zu. Caroline, die das wohl wusste, hatte bereits das Piano geöffnet und Musikalien bereitgehalten. Dies war Mr. Sweetings Gelegenheit, sich aufzuspielen. Er war begierig anzufangen. Deshalb übernahm er das schwere Amt die jungen Damen zu überreden, die Gesellschaft mit einer Arie, einem Lied, zu beglücken. Con amore ging er die ganze Reihenfolge von Bitten, Flehen, dem Abwenden von Entschuldigungen, und dem Ebenen von Schwierigkeiten durch und gelangte endlich dahin, Miss Harriet zu überreden, sie ans Instrument führen zu dürfen. Nun wurden die Stücke für seine Flöte ausgepackt, die er stets ebenso sicher wie sein Taschentuch bei sich führte. Sie wurden durchgegangen und geordnet. Unterdessen rückten Malone und Donne näher zusammen und machten sich über ihn lustig, was der kleine Mann seitwärts blickend sah, aber ganz und gar nicht beachtete. Er war überzeugt, alle ihre Sarkasmen entstünden aus Neid, und stand im Begriff, einen Triumph über sie zu erringen.
Der Triumph begann. Malone näherte sich, sehr verdrießlich, ihn in den höchsten Noten pfeifen zu hören, und entschlossen, wenn möglich auch eine Auszeichnung zu ernten, indem er die Rolle eines verliebten Bauernburschen übernahm (welchen Charakter er bereits ein- bis zweimal versucht hatte, jedoch bis jetzt noch keinen Erfolg darin errungen hatte, den man, wie er glaubte, seinen Verdiensten zweifellos schuldig war), dem Sofa, auf welchem Miss Helstone saß, streckte seine langen irischen Gliedmaßen neben ihr aus und versuchte seine Hand (oder vielmehr Zunge) auf ein Paar seiner Redensarten, die er mit dem außerordentlichsten und unbegreiflichsten Grinsen begleitete. Im Fortgang dieser Anstrengungen sich liebenswürdig zu machen, gelang es ihm, zwei der langen Sofakissen und eines viereckigen habhaft zu werden, mit denen er, nachdem er sie eine Zeitlang mit sonderbaren Stellungen hin und her geschoben hatte, endlich eine Art Barriere zwischen sich und dem Gegenstand seiner Aufmerksamkeit errichtete. Caroline war es nicht unangenehm, dass sie auf diese Art von ihm getrennt wurde und fand bald eine Entschuldigung auf die entgegengesetzte Seite des Zimmers zu gehen und sich neben Mrs. Sykes zu setzen, von welcher guten Dame sie sich Unterricht in einer neuen Kunststrickerei erbat, eine Gunst, die ihr gern gewährt und so Peter Augustus abgewiesen wurde.
Sehr verdrießlich verzog sich sein Gesicht, als er sich selbst so verlassen, und lediglich seinen eigenen Hilfsmitteln auf einem breiten Sofa mit der Last von drei schmalen Kissen in den Händen ausgeliefert sah. Der Umstand war der, dass er sich ernsthaft geneigt fühlte, die Bekanntschaft mit Miss Helstone zu benutzen, weil er gleich den anderen dachte, ihr Onkel habe Geld und werde dieses, da er keine Kinder hatte, wahrscheinlich seiner Nichte hinterlassen. Gerard Moore war über diesen Punkt besser unterrichtet. Er hatte die hübsche Kirche gesehen, die ihren Altar des Pfarrers Eifer und Geld verdankte, und hatte mehr als einmal in seiner innersten Seele eine Laune verwünscht, die seine Wünsche kreuzte.
Einer Person im Zimmer kam der Abend sehr lang vor. Caroline ließ ihren Strickstrumpf mehr als einmal in den Schoß sinken und gab sich, die Augen schließend und mit gesenktem Kopf, einer Art von Nichtsdenken hin, das bei ihr, wie sie glaubte, durch das gehaltlose Gesumme um sie her verursacht werde, durch das unharmonische, geschmacklose Klimpern auf dem Pianoforte, das Piepsen und Kreischen der Flöte, das Gelächter und Scherzen ihres Onkels mit Hannah und Mary, von dem sie sich nicht sagen konnte, was es veranlasst habe, da sie nichts Komisches oder Scherzhaftes in ihren Reden hörte, und mehr als alles durch das endlose flüsternde Plappern der Mrs. Sykes so ganz nahe an ihrem Ohr, ein Plaudern, das sich um vier Gegenstände drehte, um ihre eigene Gesundheit und die der verschiedenen Mitglieder ihrer Familie, um die Juden- und Missionar-Körbe und ihren Inhalt, um die letzte Versammlung in Nunnely und um eine, die nächste Woche in Whinbury gehalten werden sollte.
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