Hermann Schmidt - Fabian Boll - Das Herz von St. Pauli

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Fabian Boll ist für die Fans des FC St. Pauli seit einigen Jahren die Identifikationsfigur beim Hamburger Kultklub. Bereits 2002 begann seine Karriere bei St. Pauli, und bis heute blieb er einer der Leistungsträger seiner Mannschaft. Mit seinem bedingungslosen Einsatz auf und neben dem Platz ist er ein Aushängeschild des Klubs. Für Fabian Boll ist der FC St. Pauli seit seiner Jugend der Fußballklub, an den er sein Herz verloren hat. Vor seiner Karriere stand er schon als Fan zunächst in der Nordkurve und dann in der «Meckerecke» der Gegengeraden des legendären Millerntor-Stadions. Besonders spannend an seiner Person: Er ist der einzige Fußballprofi in Deutschland, der neben dem Fußball noch einer zweiten Arbeit nachgeht – halbtags arbeitet Fabian Boll als Kriminaloberkommissar in Hamburg. Hermann Schmidt legt in enger Abstimmung mit Fabian Boll eine sehr persönliche Biografie über einen der interessantesten und besten Spieler der letzten Jahre von St. Pauli vor.

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Sechs Siege und drei Unentschieden unter A-Lizenzinhaber Hans-Otto Corbelin in der Rückrunde reichten nicht, um die Klasse zu halten. Das vergleichsweise gute Abschneiden seines Teams in der zweiten Halbserie aber beruhte vor allem auf einer taktischen Umstellung: Die Maßnahme, den Spielmacher Fabian Boll in der Rückrunde nur noch als Libero einzusetzen, hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Aber sie kam zu spät, um den Abstieg zu vermeiden. Christopher Dobirr, der langjährige Freund und Trauzeuge Fabians aus Itzehoe, sagt, dass Fabian damals allein deshalb herausragte, weil er so ungeheuer diszipliniert war. „Nie trank er ein Bier zu viel, nie schlug er über die Stränge, schon damals achtete er auf vernünftiges Essen, Fabian war ein Vorbild in jeder Hinsicht, als Sportler und als Mensch“, so Christopher, der auch berichtet, dass sein Freund Fabian einen ganz besonderen Humor habe. Und den zeige er selbst dann, wenn es einmal ganz schlecht laufe. So hätten sie auch damals den unglücklichen Abstieg gemeinsam verwunden. Fabian selbst hingegen relativiert die Heiligsprechung durch seinen Freund Christopher ein wenig: „Natürlich war ich auch mal bei McDonalds. Damals habe ich nun wirklich nicht sonderlich auf Ernährung geachtet, und das eine oder andere Bier habe ich auch getrunken.“

Interview

Fabian Boll über Carsten Pröpper und andere Vorbilder und Originale

Fabian, du warst schon in ganz jungen Jahren Fan des FC St. Pauli. Welche Spieler mochtest du damals ganz besonders?

FABIAN BOLL: Einen richtigen Lieblingsspieler hatte ich so eigentlich nicht. Für mich zählten in erster Linie der Verein und die Mannschaft an sich. Trotzdem hatte ich sämtliche Trikots mit der „10“ und „Pröpper“ versehen lassen. Erstens, weil die 10 damals meine Lieblingsnummer war, die ich von jeher selbst in meinen Vereinen getragen hatte, und zweitens, weil Pröpper auf meiner Position spielte. Und natürlich fand ich auch, dass Carsten Pröpper ein guter Spieler war.

Gab es noch andere Spieler, die du gut fandest?

FABIAN BOLL: Ja, ich hatte auch große Sympathien für Holger Stanislawski. Der hat mir mit seiner Art, Fußball zu spielen und zu kämpfen, sehr imponiert. Der knallte sich halt in jeden Zweikampf ohne Rücksicht auf Verluste und gab bis zum Schluss immer alles. Solche Typen mochte ich.

Wie war das mit Volker Ippig, der Galionsfigur der linken Fans?

FABIAN BOLL: Eigentlich spielte Ippig schon vor meiner Zeit als Fan am Millerntor. Trotzdem kannte man ihn als eines der Originale in den Reihen des FC St. Pauli. Auch wegen seines legendären Auftritts in Bauarbeiterschuhen im „Aktuellen Sportstudio“, als er gefragt wurde: „Profifußball, Nicaragua, Hafenstraße, wie passt das zusammen?“

War dir bewusst, dass der FC St. Pauli auch eine sehr starke politische Dimension für seine Fans hatte?

FABIAN BOLL: Ja, das war schon klar. Aber es war für mich nicht der tragende Grund, wieso wir dahin gegangen sind. Wir mochten die tolle Atmosphäre am Millerntor. Es war alles sehr bunt dort. Ich habe den „St.-Pauli-Willi“ noch gekannt. Einmal stand eine Reihe unter uns ein Typ, der fast 90 Minuten lang dem Spielfeld den Rücken zugewandt hatte. Er sah sich das Spiel überhaupt nicht an und unterhielt sich immer nur mit anderen Zuschauern. Wenn der FC St. Pauli ein Tor schoss, jubelte er selbstverständlich wie alle anderen auch.

Und natürlich war es auch der Fußball, der dort gespielt wurde. Was mir beim FC St. Pauli immer gefallen hat, war eine gewisse Lässigkeit im Verein und bei den Fans. Jeder konnte dort nach seiner Façon selig werden.

Und Walter Frosch?

FABIAN BOLL: Ein geiler Typ. Der Mann ist eine Legende. Der gehörte auch in die Kategorie „Kampfschwein“. Er ging dahin, wo es wehtat. Über Walter Frosch und seine Sprüche mussten wir lachen. Der hatte zum damaligen Nationaltrainer Derwall sinngemäß gesagt, dass ein Walter Frosch niemals in einer B-Nationalmannschaft, sondern wenn schon, dann in der Weltauswahl spielt.

Und welche Spieler in deiner aktiven Zeit hast du als außergewöhnliche „Typen“ empfunden?

FABIAN BOLL: Ich habe im Laufe der Jahre ganz viele sehr außergewöhnliche Menschen im Verein kennengelernt. In der Saison 2004/05 spielte Ifet Taljevic bei uns. Der hatte als Fußballer alles drauf, was man braucht, und war auch sonst ein guter Typ. Aber Talent allein reicht nicht aus. Disziplin und Durchsetzungsvermögen sind heute Voraussetzungen, um im Profisport bestehen zu können.

Es gab auch andere Mitspieler, die sehr viel Humor hatten und nicht immer alles total ernst nahmen. Sehr witzig waren Oliver Hirschlein, Jens Scharping und Benjamin Weigelt, alles menschlich tolle Leute. In den letzten Jahren gehörte Morike Sako zu den sympathischsten Leuten, die ich kennengelernt habe. Er ist ein fröhlicher Mensch. Mo war als Fußballer hochbegabt, hatte lediglich den Nachteil seiner Körpergröße von 2,03 Meter. Die stand ihm manchmal im Weg. Wenn er größeren Ehrgeiz gehabt hätte, wäre der wahrscheinlich ein Superspieler geworden. Nur bei Kopfbällen schrumpfte er. Da war er kleiner als in Wirklichkeit, weil er immer den Kopf einzog.

Und was ist mit Deniz Naki, der dich, wie er mir sagte, sehr bewundert?

FABIAN BOLL: Auch Deniz Naki ist ein Spieler, den man so schnell nicht vergisst. Deniz ist ein sehr begabter Fußballspieler. Er haut schon mal Sprüche raus, die außergewöhnlich sind. Deniz spricht Dinge offen aus, die andere aus Sorge um ihre Karriere nicht einmal zu denken wagen. Ernst nehmen darf man ihn nicht immer. Deniz Naki passte aber ans Millerntor und zu den Fans. In der Aufstiegsrunde hat er eine Riesensaison gespielte. Er war nicht der Erfinder der Diplomatie. Im Grunde braucht er Führung, Zuspruch, Motivation. Ich habe versucht, ihm auf dem Platz zu helfen.

Neben Deniz Naki nennen dich auch andere Fußballer als sportliches Vorbild, zum Beispiel der gebürtige Flensburger Pierre Becken, der jetzt in Halle spielt, oder aktuell Jan Kahle vom Pokalgegner FV Offenburg, der nach dem Spiel gern dein Trikot haben möchte.

FABIAN BOLL (lacht): Ja, das stimmt. Das ist für mich schon ein merkwürdiges Gefühl, aber natürlich ist man auch ein wenig stolz darauf.

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