Berthold Auerbach - Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

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Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte: краткое содержание, описание и аннотация

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Die Geschichte eines Mannes, der zu seinem Glauben steht: Als Luzian, ein wohlhabender und von allen geschätzter Bauer, sich gegen den Pfarrer stellt, der sagt, Gott bestrafe die Bauern mit einer Missernte aufgrund ihres sündigen Lebens, wird er mit dem Kirchenbann belegt. Nach einer Gefängnisstrafe ist klar, dass er nicht im Dorf bleiben kann, und so fasst Luzian eine große Entscheidung…Die «Schwarzwälder Dorfgeschichten» bestehen aus 27 Erzählungen, die Berthold Auerbach zwischen 1843 und 1880 verfasste und mit denen er die literarische Gattung der Dorfgeschichte maßgeblich prägte. Sie spielen alle im ländlichen Raum des Schwarzwalds und charakterisieren das Dorfleben und seine Bewohner.

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Berthold Auerbach

Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

Saga

Lucifer. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte Coverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1847, 2020 Berthold Auerbach und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726614534

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

In die wogende Saat.

Die Morgenglocken tönen und klingen und wollen nicht enden, durch die stillmogende Saat wallt in langer Reihe eine fromme Schaar, die Kirchenfahnen blau und roth flattern und knattern im sanften Windhauch, laut ausgerufene Worte werden nachgemurmelt in der endlosen Reihe, Gesänge schallen hin über Wiese und Feld und der rauschende Wald verschlingt sie. Hoch oben im Blau verborgen schmettert die Lerche ihr Lieb und badet im lichten Aether; erfrischender Duft athmet von den Höhen und aus den Gründen, und die Weihrauchwölkchen aus den geschwungenen Kesseln zertheilen sich rasch. Dort senkt sich der Zug den Feldweg hinab, die Fahnen sind versunken und die Menschen mit ihnen, i dort aber steigen sie schon wieder die Höhe jenseits hinan; weit voraus sind die Ersten und noch bewegt sich das Ende des Zuges zwischen den Hecken der Gärten, am Dorfe. Die Menschen ziehen hin durch die Flur und danken dem Gotte, der so reiche Saat emporsprossen liess, sie flehen um ferneren Schutz und segnen die Frucht ihrer Arbeit. Es ist der Bittgang durch das Feld.

Diese Wege zogen sie oft einsam, belastet und müde, heute sind sie alle vereint, frei und in ihren Feierkleidern; nur Worte, andächtige Grüsse schicken sie hin über die Häupter der schwankenden Aehren, die sich still zu einander neigen, als verstünden sie den Gruss und flüsterten Unhörbares sich zu.

Den Zug schloss eine uralte wohlgekleidete Frau, sie ging etwas gebückt und führte einen rothwangigen Knaben von etwa neun Jahren, der stets tänzelte und hüpfte. Als man an der Thalschlucht anlangte, sagte die Alte: „Victor, halt ein bisle still, wir wollen da absitzen, meine Läufer wollen nimmer mit; komm, wir wollen noch beten und dann heimezu gehen.“

Sie setzten sich auf den Rain und der Knabe las aus dem Gebetbuche vor. Dann sprach die Alte mit tiefer Rührung von der Güte Gottes, der nun die armen Menschen wieder so reich gesegnet habe.

Endlich richtete sie sich auf und streichelte den Knaben über Stirn und Wangen, und nun machten sie sich still auf den Weg.

Im Dorfe war Alles wie ausgeflogen, die Glocke schien gleich einer Mutterstimme die. Fernhingezogenen zu rufen, dass sie der Heimath nicht vergässen. Dess hatte es keine Noth, denn bald füllten sich die Strassen wieder und Alles eilte mit doppelter Hast zur harrenden Speise. Eben bebte der letzte Ton des Geläutes aus und schon schlug es zwölf Uhr.

Der Mittag ist glühheiss, die Sonne sticht so spitz. Nach der Mittagskirche ist es wiederum leer auf der Strasse. Die Pappel beschaut sich weithin im glatten Spiegel des Weihers und kein Lüftchen bewegt ihre langstieligen Blätter; die Enten liegen am Ufer, und da sie nichts zu reden und nichts zu essen haben, stecken sie die Schnäbel unter die Flügel und — gut Nacht Mittag! Eine Schaar Hühner hat unter einem leerstehenden Wagen Schatten gesucht und nur eine unruhige aus ihrer Mitte gräbt sich tief ein in den Sand.

Das ganze Dorf ist wie schlafen gangen. Am Rathhause aber hört man gewaltigen Lärm, besonders tönt eine mächtige Stimme hervor. Alle Mannen sind dort versammelt, denn der Schultheiss bringt einen neuen Vorschlag an die Gemeindeversammlung. Zweierlei Misslichkeiten hatten bisher beim Einzuge des Zehnten stattgefunden. Vor Allem die Scherereien durch die Zehntknechte, da war man nicht Herr seines Eigenthums, bis die Herren Zehntknechte ihren Theil geholt hatten; pachteten Ortsangehörige den Zehnten, so blieb dieser Missstand derselbe und führte noch zu allerlei Feindschaften bei der Steigerung u. s. w.

Darum hatte der Gemeinderath für dieses Jahr sowohl den „Herrenzehnten“ als den „Pfarrzehnten“ gepachtet, und verlangte dafür die Bestätigung der Gemeinde. Der Vorschlag war sachgemäss und billig, Alles schien einverstanden.

Da erhob sich der Sägmüller Luzian Hillebrand, der zugleich auch Obmann des Bürgerausschusses war, und rief: „Wie? will Keiner das Maul aufthun bei der Hitz’? Fürchtet er sich, die Zung’ zu verbrennen?“

Alles lachte und man hörte eine Stimme sagen: „Was hat der jetzt wieder?“

Luzian fuhr fort: „Was hat der jetzt wieder? hör’ ich da rufen. Sollst’s gleich hören und ihr Alle mit. Ich muss mich jetzt schon an den Laden legen. Also wie es den Anschein hat, soll die Sach’ jetzt gleich beschlossen werden, butschgeres fertig, wie der alte Geigerlex als gesagt hat. Aber warum hören Wir vom Ausschuss erst jetzt davon? Da sehet ihr’s, ihr Mannen, wie die Herren Gemeinderäth’ für die Ewigkeit, ich mein’ die lebenslangen, regieren, da könnet ihr’s nun wieder abmerken, dass ihr nie mehr Einen wählet, der nicht unterschreibt, dass er nach fünf Jahren austreten will.“

„Was hast denn gegen die heutige Sach’?“ fragte der Schultheiss, „was sollen die griffigen Reden?“

„Kommt schon,“ entgegnete Luzian, „es ist auf die Lebenslangen kein Schlag, verloren, als der wo neben ’naus geht. Also nach dem Flurbuch wollet ihr den Zehnten umlegen? Nicht wahr Schultheiss und du Heiligenpfleger, du hast deine Necker meist im Speckfeld, der Kübelfritz da hat aber seine paar Aeckerle drunten beim Heubuckel und im Nesselfang; was meinst, muss der vom Morgen so viel Zehnten geben, wie du. und ich von meinen besten Aeckern, wo der Boden fett und mürb ist und wo wir die doppelten Neuning 1 machen? Saget nur Alle Ja.“

„Nein,“ schrie es von allen Seiten und „hat Recht, hat beim Blitz Recht,“ hinkte noch der Eine und Andere mit seiner Rede nach, als bereits wiederum Stille eintrat und Luzian dann fortfuhr:

„So? Also nein; warum stehet ihr denn aber da wie Gott verlass mich nicht und red’t kein’s und deut’t nicht und macht nicht und bericht’t nicht? Warum lasset ihr mich immer am schweren Ort anfassen? Nun meinetwegen, es geht auf die alt’ Zech’. Jetzt ich mein’ so: wenn der Vorschlag angenommen wird, und ich will mich nicht dagegen stäupern (widersetzen), dann macht man den Anhang dazu: man wählt noch einen Ausschuss, der den Zehnten zelgweise, wie’s Kauf und Lauf ist, umlegt. Aber ihr schreibet Alle nicht gern Zettel und da du,“ er stiess lächelnd seinen Nachbar an, „du fürchtest mit den Anderen, das Bier im Rössle wird dir warm. Also der Gemeinderath und drei Mannen vom Bürgerausschuss, die nehmen noch ein paar von den Halbfuhrigen 2 dazu und die vertheilen’s gleichling.“

Dieses wurde nun auch einstimmig beschlossen.

Es war so erstickend heiss in der Gemeindestube, dass Viele schon innerlich grollten, weil die Verhandlung so lange dauerte, obgleich es ja ihr nächstes Wohl betraf. Andere schlichen sich, da die Thür offen gelassen werden musste, still davon und dachten, die Zurückbleibenden würden schon ausmachen was gut sei; sie stimmten gar nicht mit, und gewiss waren diese Ausreisser, nicht minder vorn dran, wenn es galt, die Ueberlasten aller Art zu beklagen. Die Ueberwitzigen beschönigen dann wohl gar ihre Faulheit mit der klugen Rede, dass der Bettelsack doch ein Loch habe und da nicht zu helfen sei, es müsse Alles anders kommen. Denn nicht bloss hinter Brillen hervor bringen solche kluge Blicke, die über Alles hinaus sind und alles Thun eitel finden; die urthümliche Lungerei ist grad so weit.

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