Viel schlimmer hätte es für Darings neue Bekanntschaften nicht kommen können. In einem einzigen grausamen Überraschungsangriff hatte es Dr. Caballeron geschafft, das ganze Festbankett der Botanischen Gesellschaft Equestrias zugrunde zu richten. Als wäre das nicht schlimm genug, war es diesem üblen Hengst gelungen, ein kostbares, seltenes Blatt zu stehlen. Daring fragte sich, was diese Pflanze so besonders machte. Aber ihrem Bauchgefühl folgend erwähnte sie es nicht, bis sie in der Bibliothek des Direktoriums angekommen waren. Es war laut Madame der sicherste Ort im ganzen Gebäude. Ein getarnter Bunker – schalldicht und unzugänglich für ungebetene Gäste. Vielleicht hätten sie das Blatt hier lagern sollen, dachte Daring, während sie den beiden hinterhertrottete.
Das schon etwas heruntergekommene Gebäude erinnerte Daring Do an ihre Studentenzeit an der Universität, die sie damit verbracht hatte, in den dunklen, holzgetäfelten Akademiesälen umherzuwandeln und alles Erlernte wie ein Schwamm aufzusaugen. Statt mit Bildnissen berühmter Archäologen, schmückten sich diese Wände mit Gemälden bedeutender Botaniker sowie der Pflanzen, die diese entdeckt hatten. Die Luft war abgestanden und staubig, roch aber dank der überall verteilten wundervollen Gestecke ein wenig nach frischen Blumen. Daring zählte zwanzig Türen, bis sie endlich vor der einen standen, an der LESESAAL stand.
„Hier drin ist es, meine Liebe.“ Madame Farn warf Daring einen Blick zu und schüttelte ihren Kopf. „Ich wusste es, wir hätten Sie zuerst finden sollen.“
„Nach Ihnen.“ Herr Ranke hielt den Kopf gesenkt und schaute niedergeschlagen drein. Daring vermutete, dass das gestohlene Blatt in dem Glas ihm gehört hatte. Vielleicht war es Teil eines Forschungsprogramms und Ranke stand kurz vor einem wissenschaftlichen Durchbruch.
Im Lesesaal wurde die Luft dick, Daring konnte die Stille fast hören. Regale über Regale voller alter, staubiger Bücher, die fast jedes Geräusch schluckten, machten aus dem Saal den idealen Ort, um streng geheime Treffen abzuhalten.
Daring Do nahm auf der Kante eines braunen Ledersofas Platz und kam gleich zur Sache. „Also, worüber haben Sie gesprochen, bevor Caballeron hereinplatzte?“
Die beiden Wissenschaftler wechselten besorgte Blicke. „Mach schon, Willow.“ Ranke nickte der alten Stute zu. „Es ist in Ordnung. Erzähl ihr alles.“
„Uns bleibt nicht viel Zeit, deshalb fasse ich mich kurz. Caballeron hat das Blatt der Ewigkeit an sich genommen.“ Sie setzte sich in den Sessel gegenüber von Daring und wühlte in ihrer mit Juwelen besetzten Handtasche herum. „Der eigentliche Zweck dieses Abends war, Sie für eine Spezialmission zu gewinnen.“
„Eine Mission?“ Daring hob eine Augenbraue. Madame Farn hatte nun seine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Welcher Art?“
Willow hob einem Huf. „Nun ja, ursprünglich ging es um eine Suche, jetzt handelt es sich allerdings um eine Rettungsmission.“ Bedauernd schüttelte sie den Kopf. „Ich wünschte ...“
„Sie müssen jemanden ausfindig machen“, schnitt Ranke ihr das Wort ab, während er aus seiner violetten Weste seine Mahagonipfeife herausholte. Er zündete sie an, nahm einen tiefen Zug und atmete eine Rauchwolke aus. „Unser getreuer Kollege Gallant True wird vermisst.“
Er deutete auf ein Ölbild an der Wand. Der Einhornhengst war lächelnd abgebildet worden – ein bisschen trottelig, dennoch vornehm. Seine sich ausdünnende Mähne in angestaubtem Gelb passte zu dem akkurat getrimmten Schnurrbart. Der ähnelte in keiner Weise dem von Thaddeus Ranke, der ihm vorkam, als hätten sich zwei stattliche Raupen oberhalb seines Maules eingenistet. Das Pony auf dem Porträtbild hatte ein Fell in der Farbe von Milchschokolade, trug eine Drahtgestellbrille und eine marineblaue Krawatte.
„Das ist ...?“ Daring spürte, wie ihr Herz schneller schlug. „ Das ist Gallant True?“
Ranke nickte und blickte schwermütig das Gemälde an. „Der Arme war einer unserer besten Wissenschaftler, aber er hat das Projekt zur Blume der Ewigkeit ganz allein vorangetrieben. Er war es, der gehofft hatte, Sie hierher lotsen und Sie anwerben zu können, um loszuziehen und sie mit ihm zu finden ...“
Daring Do erhob sich und ging näher an das Bildnis heran. Kein Zweifel – er war es. Das vermisste Pony war niemand anderes als ihr eigener Onkel.
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