»Ich muß dich enttäuschen«, sagte Agnes ironisch, »es war nur ein Autounfall, wenn sie das meinte.«
»Ach das!« Lena sah wirklich enttäuscht aus. »Autounfälle ereignen sich alle Tage.«
»Unglückliche Liebesgeschichten auch!«
Lena zuckte mit den Schultern. »Das hat sie uns übrigens erzählt mit dem Unfall. Sag mal, hast du schon einen Freund?«
»Ich war lange im Krankenhaus. Und du?«
»Wie soll ich einen finden? Mutter läßt mich ja nicht aus den Augen! Sonnabends um zehn zu Hause! Der Bus braucht eine halbe Stunde. Da hat man ja kaum Zeit, jemanden kennenzulernen, und wenn man einen findet, hält es nie lange. Wenn die erst hören, daß ich hier draußen wohne, springen sie ab. Eine vom Land will keiner haben. Bei denen mit Auto habe ich sowieso keine Chance. Ich lerne bloß immer welche mit Fahrrad kennen.«
Agnes unterdrückte ein Lachen. »So in zwei, drei Jahren wird’s schon klappen!«
Lena wurde wütend. »Jetzt redest du wie meine Mutter! Sag mal, bist du denn nicht auf meiner Seite?«
Agnes versuchte sie zu beruhigen und wußte doch nicht, auf welcher Seite sie eigentlich stand. Nicht Fisch, nicht Fleisch, hatte Frau Wilkens einmal gesagt und sie gemeint, als sie in einem schwierigen Alter war. Aber das war doch jetzt vorbei? Ihre früheren Klassenkameradinnen hatten den Sprung geschafft, sie standen auf der anderen Seite, flotte Mädchen mit wallenden Haarfluten, die abends von ihren Freunden mit Auto vom Büro abgeholt wurden. Von ihnen würde sich niemand mehr mit diesem Küken da abgeben. An allem war der Unfall schuld. Er hatte sie zurückgeworfen. Aber sie wollte Lena ihre Überlegenheit nicht spüren lassen. Lena war schließlich die einzige, mit der sie etwas unternehmen konnte in diesem Kaff.
»Such dir doch einen Schwarm hier im Dorf«, schlug sie ihr vor, »dann wäre das Problem mit dem Fahrrad gelöst. Hier kann man alle Wege zu Fuß machen und braucht auf keine Busse zu warten.«
»Im Sommer habe ich immer einen Schwarm. Da kommen viele tolle Typen, sage ich dir, Segler, weißt du, braungebrannt und mit weißen Hosen. Aber im Winter ist es langweilig. Die von den Kuttern kenne ich. Das sind blöde Kerle. Kaum sind sie an Land, schon sind sie betrunken. Und die anderen, die sind einfach nicht spannend. Die kennt man eben zu gut.«
»Was ist mit dem Jungen, der die Zeitungen verkauft?«
»Achim?«
»Was weiß ich, wie er heißt. Er sieht doch ganz nett aus, oder?«
»Na ja.«
»Was hast du gegen ihn? Er hat schöne Augen!«
»Wenn’s nur darauf ankäme«, brummte Lena.
»Worauf kommt es denn an? Ich schaue immer zuerst auf die Augen.«
»Er muß einem schon im ganzen gefallen, so von oben bis unten! Für so einen schwärmt man eben nicht.«
Das leuchtete Agnes ein. Sie hatte auch nie für Jungen geschwärmt, die sie von klein auf kannte, das waren Rotznasen, freche Bengel, bestenfalls gute Spielkameraden. Aber wenn eine neue Familie einzog in der Straße, das war ein Ereignis, und wenn sie einen Sohn hatten, wurde er leicht zum Traumprinzen, bis er eines Tages mit der anderen Meute im Abenddämmern auf der Straße tobte, einen anrempelte und genauso dumme Redensarten nachrief wie die anderen.
»He«, sagte Lena, »du hörst mir ja gar nicht zu!« Sie tippte Agnes auf die Schulter.
»Was hast du gesagt?«
»Morgen ist was los bei uns! Wir sparen uns die Fahrt in die Stadt und gehen zum Herbstfest der Camper!«
»Zu was für einem Fest?«
»Na, die Leute, die ihre Wohnwagen am Strand haben, feiern Abschied.«
»Abschied wovon?«
»Himmel, du kannst Fragen stellen! Vom Sommer, voneinander, oder was weiß ich! Ist uns doch egal, Hauptsache, es wird ein Spaß!« Lena beugte sich vor und drehte die Musik wieder lauter.
Agnes nickte zögernd. Hauptsache, es wird ein Spaß.
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