Christiane zögerte. „Ob Mutter …“
„Mutter sagt doch nicht nein, das weißt du doch. Mutter gönnt es dir bestimmt“, drängte Vater.
„Aber die Nanna?“
„Die fragen wir erst gar nicht, Dummes!“
„Gut!“ Christiane lief noch rasch ins Haus, um sich eine Jacke zu holen. Als sie wiederkam, hatte Vater Roland trotz seines Protestes nach hinten verbannt und den schönsten Platz für Christiane freigemacht. Roland wütete, aber es half ihm nichts.
„Ihr werdet euch anständig benehmen dahinten, hört ihr?“ sagte Vater, und er sagte es so, daß Brüdis Schimpfen sogleich verstummte.
Der Wagen brummte den blauen Bergen entgegen, die, je näher man kam, desto deutlicher sich in bewaldete Höhenrücken verwandelten. Einmal fuhren sie unter der Autobahn hindurch, und Christiane, die noch nie darauf gefahren war, reckte den Hals.
„Vater, wie breit ist sie? Geht sie durch ganz Deutschland? Und ganz glatt ist sie, gar nicht holperig und löcherig wie die Landstraßen.“
Vater antwortete nicht. Er ließ den Wagen ausrollen, schaute über die Schulter zurück und wendete, fuhr dann das letzte Stück zurück. Ein breites Schild: „Auffahrt Richtung Ulm — Augsburg — München.“ Die Jungen waren still geworden und guckten genauso erwartungsvoll und aufmerksam nach vorn wie Christiane.
Und dann lief der Wagen ganz glatt und ruhig auf der breiten, durch einen weißen Strich geteilten Bahn. Daneben der Grasstreifen, und drüben wieder zwei Bahnen.
„Wo fahren wir denn jetzt hin, Vater?“ fragte Christiane. Vater schmunzelte.
„Ich möchte euch nur eine der schönsten Strecken der Autobahn zeigen, die Alpauffahrt bei Wiesenstein. Eine ganze Schlucht ist hier überbrückt worden und viel Felsgestein weggesprengt, damit man durchkam. Die Brücke, über die wir eben fuhren, ist über fünfzehn Meter hoch. Ein tolles Ding, was? Seht, und da unten liegt das Dorf, wir sind viel höher als der Kirchturm. Wollen wir mal aussteigen?“
Sie wollten. Und Brüdi, der sonst so ablehnend und störrisch war, hängte sich ganz von selbst an Christianes Hand und ließ sich von ihr hinüberführen an die kleine, breite Mauer, von der aus man das Tal übersehen konnte. Das Dorf lag unten im Tal, eingezwängt in grüne Wände, und man stand hoch, hoch darüber. Die Wagen, die von oben kamen, krochen langsam und vorsichtig bergab, besonders die schweren Lastzüge.
Vater zündete sich eine Zigarette an und brachte aus der Brusttasche seiner hellen Jacke eine Tafel Schokolade zum Vorschein.
„Da, verteil mal, Christiane. Nein, wahrhaftig, es ist schön hier —“
Sie standen noch, als aus einem neben ihrem Wagen parkenden, knallblauen Zweisitzer mit hellen Schweinsledersitzen eine junge Dame ausstieg und neben sie trat. Sie schien selber gefahren zu sein, denn der kleine, schüchterne Begleiter dieser Dame sah nicht so aus, als traue er sich an das Steuer eines Wagens, dessen Kühler die Länge eines Heldengedichtes hatte, wie Vater leise lachend zu Christiane sagte.
Christiane lachte auch. Vater meinte mit seinem Lachen wohl nicht nur den übermäßig langen Kühler dieses Wagens, sondern verschiedenes andere mehr. Die Dame hatte korallenrote Lippen und ebensolche Fingernägel, und ihre Augenbrauen waren im „romanischen“ Stil gewölbt. Christiane hatte soeben in Kunstgeschichte gelernt, wie man die verschiedenen Bögen unterscheidet …
„Das ist aber auch das einzig Romanische an ihr“, flüsterte der Vater vergnügt zurück, als Christiane dies sagte, und dann zog er sie mit sich fort seinem biederen und braven Wagen zu. Die „Dame“ hatte soeben angefangen, in überschwenglichen Ausdrücken die Landschaft zu preisen.
„Ich will dich ja nicht eitel machen, Christiane“, sagte der Vater, während er sich am Steuer zurechtsetzte, „aber es ist richtig eine Erholung, dich anzusehen nach dieser Erscheinung.“
Als Christiane und der Vater spät in der Nacht heimkamen, war sie sehr müde, aber auch sehr glücklich. Vater war so lieb gewesen, ein richtiger, guter Kamerad! Sicher würde die Reise mit ihm ganz wunderschön werden. Sie konnte sich gar nicht mehr vorstellen, daß sie einmal Beklemmungen oder gar Angst davor gehabt hatte.
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