Frau Stockmann. Das war es also, was Dir so viel zu schaffen gemacht hat?
Stockmann. Ja, Käte, Du darfst schon sagen, daß es mir zu schaffen gemacht hat. Aber hier fehlten mir ja die nötigen wissenschaftlichen Hilfsmittel; und so schickte ich Proben vom Trinkwasser wie vom Seewasser an die Universität, um von einem Chemiker eine exakte Analyse zu erhalten.
Hovstadt. Und die haben Sie jetzt erhalten?
Stockmann zeigt den Brief. Hier habe ich sie! Das Vorhandensein verfaulter organischer Stoffe ist im Wasser nachgewiesen – Infusorien in Massen. Das Wasser ist absolut schädlich für die Gesundheit, ob es nun innerlich oder äußerlich gebraucht wird.
Frau Stockmann. Es ist ein wahres Glück, daß Du noch beizeiten dahinter gekommen bist.
Stockmann. Ja, da hast Du recht.
Hovstadt. Und was werden Sie jetzt tun, Herr Doktor?
Stockmann. Natürlich versuchen, Wandel zu schaffen.
Hovstadt. Das ist also möglich?
Stockmann. Es muß möglich sein. Sonst ist das ganze Bad unbrauchbar, – ruiniert. Aber damit hat es keine Not, Ich bin vollständig mit mir im reinen darüber, was hier zu tun ist.
Frau Stockmann. Aber, bester Thomas, daß Du dies alles so geheim gehalten hast.
Stockmann. Ja, hätte ich vielleicht in der Stadt herumrennen und es ausposaunen sollen, ehe ich noch volle Gewißheit hatte? Ich werde mich hüten – so dumm bin ich nicht.
Petra. Na, aber Deiner Familie –
Stockmann. Keiner Menschenseele. Doch morgen kannst Du zum »Dachs« laufen –
Frau Stockmann. Aber Thomas –!
Stockmann. Na, also zum Großvater. Ja, der Alte, der wird ein Gesicht machen! Er glaubt ja, ich bin verrückt; na ja, ich weiß schon: es gibt noch mehr Leute, die das glauben. Jetzt sollen die Herrschaften aber sehen –; jetzt sollen Sie sehen –! Geht umher und reibt sich die Hände. Was wird das für einen Krach in der Stadt geben, Käte! Davon kannst Du Dir gar keinen Begriff machen. Die ganze Wasserleitung muß umgelegt werden.
Hovstadt steht auf. Die ganze Wasserleitung –?
Stockmann. Ja, versteht sich. Das Aufnahmebecken liegt zu niedrig; es muß nach einer weit höheren Stelle verlegt werden.
Petra. So hast Du also doch recht gehabt.
Stockmann. Ja, Du erinnerst Dich, Petra? Ich habe dagegen geschrieben, als man den Bau beginnen wollte. Aber damals wollte kein Mensch auf mich hören. Na, glaubt mir nur, ich werde ihnen die volle Ladung geben; – denn ich habe natürlich eine Eingabe an die Badeverwaltung aufgesetzt; sie liegt seit einer ganzen Woche fertig da; ich habe nur noch auf das da gewartet. Zeigt den Brief. Aber nun soll sie auch auf der Stelle fort. Geht in sein Zimmer und kommt mit einem Paket Schriftstücke zurück. Da seht! Vier engbeschriebene Bogen voll! Und der Brief soll mit dazu. Eine Zeitung, Käte! Gib mir etwas zum Einwickeln! Gut; so; gib's der – der –; stampft mit dem Fuß auf. Donnerwetter, wie heißt sie doch gleich? Na, also gib's dem Mädchen und sag' ihr, sie soll es sofort zum Stadtvogt bringen.
Frau Stockmann mit dem Paket durch das Speisezimmer ab.
Petra. Vater, was, glaubst Du, wird Onkel Peter sagen?
Stockmann. Was sollte er denn sagen? Er wird doch wohl froh sein, denke ich, daß eine so wichtige Wahrheit an den Tag kommt.
Hovstadt. Darf ich eine kleine Notiz über Ihre Entdeckung im »Volksboten« bringen?
Stockmann. Ja, dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Hovstadt. Es ist doch wünschenswert, daß das Publikum so schnell wie möglich davon unterrichtet wird.
Stockmann. Ja, gewiß.
Frau Stockmann kommt zurück. Sie ist schon fort damit.
Billing. Bald sind Sie – Gott verdamm' mich – der erste Mann der Stadt, Herr Doktor!
Stockmann geht vergnügt umher. Ach was! Im Grunde habe ich ja doch nur meine Pflicht getan. Ich bin ein glücklicher Schatzgräber gewesen; das ist alles; trotzdem aber –
Billing. Hovstad, was meinen Sie, müßte die Stadt nicht dem Doktor einen Fackelzug bringen?
Hovstadt. Ich will es wenigstens befürworten.
Billing. Und ich werde mit Aslaksen drüber reden.
Stockmann. Nein, liebe Freunde, solche Narreteien, die laßt nur bleiben; von solchen Veranstaltungen will ich nichts wissen. Und wenn es der Badeverwaltung vielleicht einfallen sollte, mir eine Gehaltszulage zu bewilligen, so nehme ich sie nicht an. Käte, das sag' ich Dir, – ich nehme sie nicht an.
Frau Stockmann. Das ist recht von Dir, Thomas.
Petra erhebt ihr Glas. Prosit, Vater!
Hovstadt und Billing. Prosit, prosit, Herr Doktor!
Horster stößt mit dem Doktor an. Mögen Sie nur Freude an der Geschichte erleben!
Stockmann. Danke schön, danke schön, meine lieben Freunde! Ich bin so herzensfroh –; ach, es ist doch etwas Herrliches, das Bewußtsein: sich um seine Vaterstadt und seine Mitbürger verdient gemacht zu haben. Hurra, Käte!
Schlingt beide Arme um ihren Hals und wirbelt mit ihr im Kreise herum. Frau Stockmann schreit und sträubt sich. Lachen, Händeklatschen und Hochrufe. Die Knaben stecken den Kopf durch die Türe.
Inhaltsverzeichnis
Wohnzimmer des Doktors.
Die Tür zum Speisezimmer ist zu. Vormittag.
Frau Stockmann kommt, einen versiegelten Brief in der Hand, aus dem Speisezimmer, geht rechts durch die vorderste Tür und guckt hinein. Bist Du da, Thomas?
Stockmann drinnen. Ja, ich bin eben gekommen. Tritt ein. Was ist?
Frau Stockmann. Ein Brief von Deinem Bruder. Reicht ihm den Brief.
Stockmann. Aha, laß sehen. Öffnet ihn und liest: »Das übersandte Manuskript folgt anbei zurück –« Liest murmelnd weiter. Hm –
Frau Stockmann. Was sagt er denn?
Stockmann steckt das Papier in die Tasche. Nichts, er schreibt nur, daß er gegen Mittag selber mit herankommen wird.
Frau Stockmann. Dann vergiß ja nicht, zu Hause zu bleiben.
Stockmann. Es paßt gut; denn mit meinen Morgenbesuchen bin ich fertig.
Frau Stockmann. Ich bin riesig neugierig, wie er die Sache aufnimmt.
Stockmann. Du sollst sehen, es wird ihm nicht recht sein, daß ich diese Entdeckung gemacht habe, und nicht er selbst.
Frau Stockmann. Das fürchtest Du also auch?
Stockmann. Na, im Grunde wird es ihn ja freuen, weißt Du. Trotzdem aber –; Peter hat eine Heidenangst, es könnten noch andere Leute etwas für das Wohl der Stadt tun.
Frau Stockmann. Weißt Du was, Thomas, Du solltest nett sein und die Ehre mit ihm teilen. Könnte es nicht heißen, er habe Dich auf die Spur gebracht –?
Stockmann. Na meinetwegen schon. Wenn ich die Sache nur ins Lot bringe, so –
Morten Kiil steckt den Kopf durch die Tür des Vorzimmers, sieht sich forschend um, lacht in sich hinein und fragt pfiffig: Ist's – ist's wahr?
Frau Stockmann ihm entgegen. Vater, – Du bist es?
Stockmann. Seh' einer an, Schwiegervater! Guten Morgen, guten Morgen!
Frau Stockmann. Aber so komm doch herein.
Kiil. Ja, bloß wenn es wahr ist, sonst gehe ich wieder.
Stockmann. Was soll denn wahr sein?
Kiil. Der Blödsinn mit dem Wasserwerk. Ist das wahr?
Stockmann. Ei natürlich. Aber wie haben Sie denn das erfahren ?
Kiil tritt ein. Petra war auf einen Sprung da, als sie zur Schule ging –
Stockmann. So, wirklich?
Kiil. Ja, haha, und da hat sie denn erzählt –. Ich dachte, sie wollte mich bloß zum Narren haben, obgleich das Petra auch wieder nicht ähnlich sieht.
Stockmann. Nein, wie konnten Sie nur so etwas denken!
Kiil. Ach, man soll keinem trauen; ehe man sich dessen versieht, ist man hinters Licht geführt. Es ist also doch wahr?
Stockmann. Ganz gewiß doch. Aber so setzen Sie sich doch, Schwiegervater. Nötigt ihn aufs Sofa. Und ist es nicht ein wahres Glück für die Stadt –?
Kiil kämpft mit dem Lachen. Glück für die Stadt?
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