»Auf Wiedersehen, gnädige Frau!«
Dann ging sie.
Die anderen drängten heran. Die Menge rollte an ihm vorüber wie ein Strom. Endlich lichtete sie sich und die letzten Gratulanten gingen vorbei.
Georges bot Suzanne wieder den Arm, um durch die Kirche hinauszugehen.
Sie war voll von Menschen, denn jeder ging wieder auf seinen Platz zurück, um sie beide vorbeischreiten zu sehen. Er ging langsam, mit ruhigen Schritten und mit erhobenem Haupt, die Augen fest auf die sonnenbeleuchtete Öffnung des Portals gerichtet. Er fühlte, wie immer wieder ein Schauer über seine Haut lief, der kalte Schauer des unendlichen großen Glücks. Er sah niemanden, er dachte nur an sich.
Als er auf die Schwelle trat, blickte er auf die dicht gedrängte, schwarze, lärmende Menge, die seinetwegen gekommen war. Ihn, Georges Du Roy, betrachtete das Volk von Paris, ihn beneidete es auch.
Dann hob er die Augen und sah dort jenseits der Place de la Concorde die Abgeordnetenkammer. Und es war ihm, als brauchte er nur noch einen Sprung, um vom Tor der Madeleinekirche zum Tor des Palais Bourbon zu gelangen. Er ging langsam zwischen zwei lebendigen Mauern von Zuschauern die Stufen des hohen Kirchenaufganges hinab. Doch er sah nichts, seine Gedanken flogen jetzt zurück und vor seinen Augen, die von der strahlenden Sonne geblendet waren, flatterte das Bild von Madame de Marelle, wie sie vor dem Spiegel ihre frisierten Löckchen an den Schläfen zurecht ordnete, die jedesmal zerzaust waren, wenn sie aus dem Bett sprang.
Dann erhoben sich menschliche Stimmen und glitten über die gebeugten Köpfe der Versammelten dahin. Vauri und Landeck von der Oper sangen. Der Weihrauch verbreitete einen zarten Harzduft und auf dem Altar wurde das Meßopfer vollzogen. Der Gottesmensch stieg auf den Ruf des Priesters auf die Erde hinab, um den Triumph des Barons Georges Du Roy zu segnen.
Bel-Ami kniete mit gesenktem Kopf neben Suzanne. In diesem Augenblick fühlte er sich beinahe gläubig’, beinahe fromm, voll Dankbarkeit für die Gottheit, die ihn so begünstigt und so rücksichtsvoll behandelt hatte. Und ohne recht zu wissen, an wen er sein Gebet richtete, dankte er für seinen Erfolg.
Als der Gottesdienst zu Ende war, richtete er sich auf, reichte seiner Gemahlin den Arm und ging mit ihr in die Sakristei. Und nun begannen die endlosen Gratulationen. Georges war wahnsinnig vor Freude und hielt sich für einen König, dem das Volk zujauchzte. Er drückte die Hände, stammelte nichtssagende Worte, grüßte und antwortete auf die Glückwünsche: ,;Ich danke herzlichst.«
Plötzlich erblickte er Madame de Marelle, und die Erinnerung an all die Küsse, die er ihr gegeben und die sie ihm erwidert hatte, die Erinnerungen an alle die Zärtlichkeiten und Liebkosungen, an den Klang ihrer Stimme und an den Reiz ihrer Lippen, — alles das ließ sein Blut heiß durch die Adern rinnen und wieder überfiel ihn ein jähes Verlangen, sie zu besitzen.
Sie war hübsch, elegant, mit ihrer kecken Art und ihren lebhaften Augen. Georges dachte: »Aber sie ist doch eine reizende Geliebte.«
Sie näherte sich ihm etwas schüchtern, etwas verlegen und reichte ihm die Hand. Er ergriff sie und behielt sie in der seinen. «Da fühlte er den leisen Lockruf der Frauenfinger, den sanften Druck, der verzeiht, und alles wieder gutmacht. Er drückte diese kleine Hand, als wollte er sagen: »Ich liebe dich noch immer, ich bin Dein«
Ihre Augen trafen sich lächelnd, strahlend und voller Liebe. Und sie sagte, leise und graziös:
»Auf Wiedersehen, mein Herr!«
Er antwortete heiter:
»Auf Wiedersehen, gnädige Frau!«
Dann ging sie.
Die anderen drängten heran. Die Menge rollte an ihm vorüber wie ein Strom. Endlich lichtete sie sich und die letzten Gratulanten gingen vorbei.
Georges bot Suzanne wieder den Arm, um durch die Kirche hinauszugehen.
Sie war voll von Menschen, denn jeder ging wieder auf seinen Platz zurück, um sie beide vorbeischreiten zu sehen. Er ging langsam, mit ruhigen Schritten und mit erhobenem Haupt, die Augen fest auf die sonnenbeleuchtete Öffnung des Portals gerichtet. Er fühlte, wie immer wieder ein Schauer über seine Haut lief, der kalte Schauer des unendlichen großen Glücks. Er sah niemanden, er dachte nur an sich.
Als er auf die Schwelle trat, blickte er auf die dicht gedrängte, schwarze, lärmende Menge, die seinetwegen gekommen war. Ihn, Georges Du Roy, betrachtete das Volk von Paris, ihn beneidete es auch.
Dann hob er die Augen und sah dort jenseits der Place de la Concorde die Abgeordnetenkammer. Und es war ihm, als brauchte er nur noch einen Sprung, um vom Tor der Madeleinekirche zum Tor des Palais Bourbon zu gelangen. Er ging langsam zwischen zwei lebendigen Mauern von Zuschauern die Stufen des hohen Kirchenaufganges hinab. Doch er sah nichts, seine Gedanken flogen jetzt zurück und vor seinen Augen, die von der strahlenden Sonne geblendet waren, flatterte das Bild von. Madame de Marelle, wie sie vor dem Spiegel ihre frisierten Löckchen an den Schläfen zurecht ordnete, die jedesmal zerzaust waren, wenn sie aus dem Bett sprang.
Inhaltsverzeichnis
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
Inhaltsverzeichnis
Johanna hatte die Koffer gepackt und trat ans Fenster, aber der Regen hörte noch immer nicht auf, die ganze Nacht hindurch hatte er gegen die Scheiben und auf die Dächer geprasselt. Der Himmel, an dem die regenschwangeren Wolken tief hingen, schien zu bersten und sich auf die Erde zu ergießen, die er zu Schmutz zerrührte und zerschmolz wie Zucker. Ab und zu kam ein Windstoß daher und trug eine drückende Hitze mit sich. Das Brausen der überströmenden Gossen erfüllte die verödeten Straßen, in denen die Häuser gleich Schwämmen die eindringende Feuchtigkeit einsogen, sodaß die Mauern schwitzten vom Keller bis zum Boden hinauf.
Johanna war am Tage vorher aus dem Kloster gekommen, nun war sie endlich auf immer frei, sie konnte alles Glück des Lebens sich erobern, von dem sie solange schon geträumt.
Aber wenn es nicht besseres Wetter würde, fürchtete sie, würde der Vater noch nicht abreisen, und nun sah sie schon zum zehnten Male nach dem Himmel.
Dann fiel ihr ein, daß sie vergessen ihren Kalender in die Reisetasche zu stecken. Sie nahm von der Wand das Papptäfelchen, auf dem die einzelnen Monate eingeteilt waren und das inmitten einer Zeichnung in Golddruck, die Jahreszahl des laufenden Jahres 1819 trug. Dann strich sie mit dem Bleistift die ersten vier Kolonnen aus, indem sie die Namen der Heiligen bis zum zweiten Mai, dem Tage, da sie das Kloster verlassen, auslöschte.
Hinter der Thür rief eine Stimme:
– Hannchen!
Johanna antwortete:
– Komm doch Papa! – Und ihr Vater trat ein.
Baron Simon Jacob Le Perthuis des Vauds war ein Edelmann aus dem vorigen Jahrhundert, toll und gut. Als begeisterter Schüler Rousseaus liebte er zärtlich die Natur Felder, Wälder, und Tiere.
Als geborener Aristokrat haßte er instinktiv das Jahr 1793, aber von Natur Philosoph und liberal erzogen, haßte er ebenso jede Tyrannei mit einem nicht verletzenden, aber wortreichen Haß.
Seine große Kraft und seine Schwäche zugleich war die Güte, eine Güte, die nicht Hände genug hatte zu lieben, zu schenken, zu umarmen, eine Güte des Schöpfers, grenzenlos, widerstandlos, wie eine Lähmung des Willens, eine Durchlöcherung der Thatkraft, beinahe eine lasterhafte Güte.
Theoretisch hatte er einen ganzen Erziehungsplan für seine Tochter entworfen, er wollte sie glücklich, gut, aufrichtig und weich machen.
Bis zum zwölften Jahr war sie zu Hause geblieben, dann wurde sie trotz der Thränen der Mutter in das Sacré-Coeur gesteckt. Dort hatte er sie streng eingeschlossen, eingemauert, daß niemand von ihr wußte und auch sie die Dinge der Welt nicht kannte. Im Alter von siebzehn Jahren sollte sie ihm unschuldig wieder gegeben werden, und er wollte ihr dann selbst eine vernünftige, poetische Welt-Anschauung beibringen.
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