Gottfried Keller - Gesammelte Werke von Gottfried Keller
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- Название:Gesammelte Werke von Gottfried Keller
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Inhalt:
Romane:
Der grüne Heinrich – Erste Fassung
Der grüne Heinrich – Zweite Fassung
Martin Salander
Erzählungen:
Die Leute von Seldwyla
Pankraz, der Schmoller
Romeo und Julia auf dem Dorfe
Frau Regel Amrain und ihr Jüngster
Die drei gerechten Kammacher
Spiegel, das Kätzchen
Kleider machen Leute
Der Schmied seines Glückes
Die mißbrauchten Liebesbriefe
Dietegen
Das verlorne Lachen
Züricher Novellen
Hadlaub
Der Narr auf Manegg
Der Landvogt von Greifensee
Das Fähnlein der sieben Aufrechten
Ursula
Das Sinngedicht
Ein Naturforscher entdeckt ein Verfahren und reitet über Land, dasselbe zu prüfen
Worin es zur einen Hälfte gelingt
Worin es zur andern Hälfte gelingt
Worin ein Rückschritt vermieden wird
Herr Reinhart beginnt die Tragweite seiner Unternehmung zu ahnen
Worin eine Frage gestellt wird
Von einer törichten Jungfrau
Regine
Die arme Baronin
Die Geisterseher
Don Correa
Die Berlocken
In welchem das Sinngedicht sich bewährt
Sieben Legenden – Die Geschichte der Jungfrau Maria
Eugenia
Die Jungfrau und der Teufel
Die Jungfrau als Ritter
Die Jungfrau und die Nonne
Der schlimm-heilige Vitalis
Dorotheas Blumenkörbchen
Das Tanzlegendchen
Das Gewitter
Der Schneidergeselle, welcher den Herrn spielt
Der Wahltag
Die misslungene Vergiftung
Die Reise in die Unterwelt
Eine Nacht auf dem Uto
Fabel
Vom Fichtenbaum, dem Teiche und den Wolken
Parabel
Reisetage
Verschiedene Freiheitskämpfer
Der Schmied seines Glücks
Gedichte
Autobiografisches:
Tagebuch
Briefe
Autobiographie
Essays:
Am Mythenstein
Das goldene Grün bei Goethe und Schiller
Die Romantik und die Gegenwart
Ein bescheidenes Kunstreischen
Ein nachhaltiger Rachekrieg
Gedichte von Schnyder von Wartensee
Jeremias Gotthelf
Ludwig Börne
Bettagsmandate
Die Weihnachtsfeier im Irrenhaus
..
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»Und dazu viel gefährlicher«, versetzte ein anderer, »denn eine Rose schminken heißt ein Werk Gottes verbessern wollen, und der liebe Gott verzeiht! Aber eine rote Nase schminken heißt den Teufel verhöhnen, und der verzeiht nicht!«
So ging es fort; sie verhandelten nun seinen Kahlkopf, wobei ich aber bald weit zurückblieb, indem sie über diesen Gegenstand allein wohl zwanzig verschiedene Witze machten, welche in der Phantasie die lächerlichsten Vorstellungen erregten und von denen einer den andern an Neuheit und Kühnheit der Bilder überbot. Judith lachte, als die Taugenichtse über sich selbst herfuhren, und als der Angegriffene dies sah, suchte er sich aus dem Feuer zu retten, indem er sich gegen sie wendete. Sie saß da in einem schlichten braunen Kleide, die Brust mit einem weißen Halstuche bedeckt, welches ein wenig ihren prächtigen Hals sehen ließ; um diesen lag eine feine Goldkette und verlor sich im Halstuche, sonst trug sie keinen Putz als ihr schönes braunes Haar. Der Kahlkopf blinzelte mit den Augen und sang:
»Mein Schatz, um deinen weißen Hals
Geht eine Schnur von Katzengold,
Die führt an deinem Busam
Teuf in dein falsches Herz!«
Judith erwiderte schnell: »Damit Ihr meinen weißen Hals einmal vergeßt, will ich Euch auch ein Lied von etwas Weißem berichten!« und sie sang nicht, sondern sagte einfach wohlklingend:
»Es ist eine üble Zeit!
Luna, die weiland keusche Maid,
Liebäugelt auf den Köpfen alter Sünder
Am hellen Tag und höhnt uns arme Kinder.
Schäm dich, Mondschein!
Ich tat das Fenster auf
In dunkler Nacht und suchte Lunas Lauf;
Da glänzt’ sie frech an meines Hauses Schwelle,
Wild goß ich Wasser auf die weiße Stelle.
Schäm dich, Mondschein!«
Ihre Mutter war gestorben, auch hatte sie seither in einer ausländischen Lotterie mehrere tausend Gulden gewonnen, da sie aus langer Weile sich mit dergleichen Dingen befaßte. So schien sie nun mehr als je für schwere und leichte Schnapphähne ein guter Fang, und der Kahle glaubte sie, nachdem er verschiedene Anleihen bei ihr gemacht, welche sie ihm lachend gewährte, im Sturme nehmen zu können, ward aber ebenso lachend abgewiesen. Das obige Liedchen aber schien sogar auf ein schlimmes Abenteuer zu deuten, welches er auf seiner Freite bestanden. Denn mit einer ganz heillosen Diskretion sahen sich die drei übrigen an, mit funkelnden Augen und mühsam verhaltenem Munde, indem sie anfingen, halblaut zu summen:
»Hm! hm! – hm! hm! hm!
hm! hm! hm! – hm! hm! hm!«
Der Rhythmus dieses Gesummes war so verführerisch, daß ich mit einstimmte und eine stolze Glückseligkeit empfand, mit den Spöttern singen zu dürfen hm hm hm! hm hm hm! – es war still und feierlich in der nur noch schwach erleuchteten Stube, und mit feierlicher Behaglichkeit setzten wir die seltsamen Takte fort. Judith lachte hell auf und rief »O ihr Kindsköpfe!« Da brachen wir laut aus »Ha ha ha! – ha ha ha!« Der Gehöhnte aber spähte umher, zog unversehens dem lautesten Spötter ein hervorguckendes Blatt aus der Kutte und las dessen Überschrift »Christliche Wochenbötin, ein konservatives Volksblättlein«. Der Spott entlud sich nun auf den Überraschten, dessen schwache Seite sein Konservatismus war, den er weder genugsam zu erklären noch zu verteidigen vermochte. Diese Benennung war erst seit einiger Zeit im Umlauf und fing einige Leute, welche vorher im Nebelhaften geschwebt. Der Kahle forderte den Konservativen auf, er solle einmal sagen, was er sich eigentlich darunter denke, wenn er behaupte, konservativ zu sein. Dieser wollte tun, als ob er hierüber keinen Spaß verstehe, und wünschte mit wichtigem Gesicht, nicht zu politisieren! Doch ein anderer rief »Die Erklärung ist schon im Paradies zu suchen! Als Adam den Tieren ihren Namen gab, war eines darunter, das wedelte gar bedächtig mit den Ohren und sagte, es sei konservativ; es konnte aber keinen Grund hiefür angeben, und Adam sagt: ›Du sollst Esel heißen!‹« Erbost rückte dieser nun mit seinem innersten und eigentlichen Grunde, der seine fixe Idee war, heraus und warf dem Radikalismus vor, daß er den Wein versäuert und verteuert hätte. Wenn man noch ein süßes und billiges Glas trinken wolle, so sei dieses einzig in den abgelegenen altväterischen Wirtschaften zu finden, wo die alten Zöpfe hinkröchen, sich vor der Welt zu verbergen. »Sauft«, schrie er, »den radikalen Rachenputzer eurer berühmten politischen Wirte! Ich halt es mit den Zöpfen!« Da allerdings etwas Wahres in diesem Vorwurfe lag, so entbrannten die drei übrigen ihrerseits im Zorne, schalten den Konservativen einen Verleumder und suchten ihm zu beweisen, daß er ohne den Radikalismus gar keinen Wein zu riechen bekäme, weder guten noch schlechten, daß er selbst als konservativer Parteibedienter völlig überflüssig wäre und von seinen Zöpfen den Schuh unter den Rücken erhielte statt des stärkenden Weinchens der Proselytenbelohnung. Dies führte zu einem hitzigen Gefechte, worin die Herren gegenseitig ihre Grundsätze, Tatsachen und Parteichefs heruntermachten, und das in Ausdrücken, Vergleichungen und Wendungen, Schlag auf Schlag, wie sie kein dramatischer Dichter für seine Volksszenen treffender und eigentümlicher erfinden könnte; nicht einmal nachzuschreiben wären sie, so leicht und blitzähnlich entsprangen die Witze aus den Voraussetzungen, welche bald scharf zutreffend, bald böslich ersonnen, doch immer sich auf die Verhältnisse und Personen gründeten und zu immer neuen Gruppen verschlangen. Ein Leitartikel oder eine Rede wäre zwar aus diesem Turnier nicht zu schöpfen gewesen; doch konnte man sehen, welch eine ganz vertrackte Kritik das Volk auf seine Weise führt und wie sehr sich derjenige trügt, welcher, von der Tribüne herunter zu zweifelhaften Zwecken das »biedere, gute Volk« anrufend, irgendein wohlwollendes und naives Pathos voraussetzt. Selbst Äußerlichkeiten, Angewöhnungen und körperliche Gebrechen, wurden in einen solchen Zusammenhang mit den Worten und Handlungen hervorragender Männer gebracht, daß die letzten nur eine notwendige Folge der ersten zu sein schienen und man glaubte, in den ungelehrten, aber phantasiereichen Volksherren die doktrinärsten Physiognomisten vor sich zu sehen. Mancher angesehene Mann ward hier zu einem lächerlichen oder unheimlichen Popanz umgeschaffen, daß er leibhaft zu sehen war, und selbst die Verteidigung desselben hätte etwas Demütigendes für ihn gehabt, wenn er sie gehört hätte. Wie in einer ganz anderen Welt war ich hier als bei dem Schulmeister; und doch fühlte ich mich gleich zu Hause und schlürfte die starken und rücksichtslosen Redensarten, die spöttischen und wilden Einfälle ebenso andächtig ein wie die gewählten ruhigen Worte von Annas Vater, ohne deswegen den Verkehr mit diesem zu verachten. Ich schien mir dort ein anderer und hier ein anderer und doch immer der gleiche zu sein. Ich freute mich, daß mein Leben eine Seite um die andere vor mir auftat, und war stolz darauf, indem ich mir einbildete, daß diese lustigen Männer mich ihrer Gesellschaft würdig hielten und ihre Witze vor mir nicht zurückhielten. Mit Vergnügen dachte ich an den Schulmeister und wie ich fürder ernsthaft und anständig mit ihm disputieren wolle, während ich doch noch von was anderm wüßte; denn es schien mir nun darauf anzukommen, nirgends ausgeschlossen zu sein und alles zu übersehen, in welchem Vorsatze ich mir unendlich klug vorkam und nicht bemerkte, daß meine Einsicht bereits hintergangen war und ich als ein rechter Knabe in den Schlingen der schönen Judith saß; denn ihrer Anwesenheit war ein guter Teil meiner Behaglichkeit zuzuschreiben.
Die barmherzigen Brüder waren durch die Politik wieder rüstig und munter geworden und hatten die Flaschen wieder füllen lassen, obgleich Mitternacht lange vorüber, als Judith plötzlich aufbrach und sagte »Frauen und junge Knaben gehören nun nach Hause! Wollt Ihr nicht mitkommen, Vetter, da wir den gleichen Weg haben?« Ich sagte ja, doch müßte ich erst nach meinen Verwandten sehen, welche wahrscheinlich auch mitkommen würden. »Die werden wohl schon fort sein«, erwiderte sie, »denn es ist spät; wenn ich nicht darauf gerechnet hätte, daß ich mit Euch gehen könnte, so wäre ich auch längst fort.« – »Oho!« riefen die Zecher, »als ob wir nicht auch da wären! Wir alle begleiten Euch! Das soll nicht gesagt sein, daß die Judith nicht Begleiter zur Auswahl habe!« brachen auf und sorgten, noch den frischen Wein unterzubringen, während Judith mir winkte und, auf dem Flur angekommen, sagte »Diese vier Heiden wollen wir schön anführen!« Auf der Straße sah ich, daß der Saal, wo meine Vettern und Basen sich aufgehalten, schon dunkel war, und mehrere Leute bestätigten ihre Heimkehr. So mußte ich der Judith folgen, als sie mich durch ein dunkles Seitengäßchen ins Freie und durch einige Feldwege auf die Landstraße führte, daß wir einen Vorsprung gewannen und die vier Männer hinter uns rufen hörten. Indem wir eilend weiterschritten, gingen wir um einige Spannen entfernt nebeneinander her; ich hielt mich spröde zurück, während mein Ohr keinen Ton ihres festen und doch leichten Schrittes verlor und begierig das leise Rauschen ihres Kleides vernahm. Die Nacht war dunkel, aber das Frauenhafte, Sichere und die Fülle ihres Wesens wirkte aus allen Umrissen ihrer Gestalt wie berauschend auf mich, daß ich alle Augenblicke hinüberschielen mußte, gleich einem angstvollen Wanderer, dem ein Feldgespenst zur Seite geht. Und wie der Wanderer mitten in seiner Angst sein christliches Bewußtsein wachruft zum Schutze gegen den unheimlichen Begleiter, trug ich während des verlockenden Ganges einen geistlichen Hochmut der Sprödigkeit und der Unfehlbarkeit in mir. Judith sprach von den Männern und lachte über sie, erzählte mir unbefangen die Dummheiten, die der eine ihr gemacht, und fragte mich, ob Luna nicht eine alte Mondgöttin wäre? Wenigstens habe sie das immer vermutet, wenn sie jenes Lied in einem alten Buche gelesen; es habe auch gut für den Schlingel gepaßt. Dann fragte sie mich plötzlich, warum ich so stolz geworden sei und sie seit Jahren nie mehr angesehen, viel weniger besucht habe? Ich wollte mich damit entschuldigen, daß sie keinen Verkehr mit dem Hause meines Oheims pflege und ich daher schicklicherweise nicht allein sie besuchen könne. »Ach was!« sagte sie, »Ihr seid ja auch noch mein Vetter und könnt mich von Rechts wegen wohl heimsuchen, wenn Ihr wollt! Damals, wo Ihr so jung gewesen, habt Ihr mich so gern gehabt, und Ihr seid mir immer ein wenig lieb; aber jetzt habt Ihr ein Schätzchen, in welches Ihr verliebt seid, und meint, keine andere Frau mehr ansehen zu dürfen!« – »Ich ein Schätzchen?« erwiderte ich, und als sie diese Behauptung wiederholte und Anna nannte, leugnete ich die Sache auf das bestimmteste. Wir waren unversehens beim Dorfe angekommen, in welchem noch viele Stimmen laut wurden und die jungen Leute über die Straße gingen; Judith wünschte ihnen aus dem Wege zu gehen, und obgleich ich nun füglich meine Straße hätte ziehen können, leistete ich doch keinen Widerstand und folgte ihr unwillkürlich, als sie mich bei der Hand nahm und zwischen Hecken und Mauern durch ein dunkles Wirrsal führte, um ungesehen in ihr Haus zu gelangen. Sie hatte ihre Äcker verkauft und nur einen schönen Baumgarten nächst dem Hause behalten, in welchem sie ganz allein wohnte. Der genossene Wein erhöhte die Aufregung, in welcher ich mich befand, wie wir so durch die engen Wege hinschlüpften, und als, bei dem Hause angekommen, Judith sagte »Kommt herein, ich will noch einen Kaffee kochen!« und ich hineinging und sie die Haustüre fest hinter uns verriegelte, da klopfte mir das Herz wie mit Hämmern, während ich mich übermütig des Abenteuers freute und mich vermaß, dasselbe zu meiner Ehre, aber verwegen zu bestehen. An Anna dachte ich gar nicht, mein wallendes Blut verfinsterte ihr Bild und ließ nur den Stern meiner Eitelkeit durchschimmern; denn genau erwogen, wollte ich nur um meiner selbst willen meine Standhaftigkeit erproben. So stark ist die Selbstsucht, daß sie selbst da noch leuchtet, wo die reinste Liebe untergeht, und mit trügerischen Vorspiegelungen den Willen zu gängeln weiß. Doch darf ich mir gestehen, daß es im Grunde eine Art romantischen Pflichtgefühls war, welches mich unbefangen antrieb, keiner merkwürdigen Erfahrung auszuweichen. Auch verlor sich die unheimliche Aufregung, sobald Judith Licht angezündet und ein helles Feuer entflammt hatte. Ich saß auf dem Herde und plauderte ganz vergnüglich mit ihr, und indem ich fortwährend in ihr vom Feuer beglänztes Gesicht sah, glaubte ich stolz mit der Gefahr spielen zu können und träumte mich in die Lage der Dinge zurück, wie ich vor zwei Jahren noch ihr Haar auf-und zugeflochten hatte. Während der Kaffee singend kochte, ging sie in die Stube, um ihr Halstuch abzulegen und ihr Sonntagskleid auszuziehen, und kam im weißen Untergewande zurück, mit bloßen Armen, und aus der schneeweißen Leinwand enthüllten sich mit blendender Schönheit ihre Schultern. Sogleich ward ich wieder verwirrt, und erst allmählich, indem ich unverwandt sie anschaute, entwirrte sich mein flimmernder Blick an der ruhigen Klarheit dieser Formen. Ich hatte sie schon als Knabe ein- oder zweimal so gesehen, wenn sie beim Ankleiden nicht sehr auf mich achtete, und obgleich ich jetzt anders sah als damals, schien doch die gleiche Vorwurfslosigkeit auf diesem Schnee zu ruhen, auch bewegte sich Judith so sicher und frei, daß diese Sicherheit auch auf mich überging. Sie trug den fertigen Kaffee in die Stube, setzte sich neben mich, und indem sie das herbeigeholte Kirchenbuch aufschlug, sagte sie »Seht, ich habe alle die Bildchen noch, die Ihr mir gezeichnet habt!« Wir betrachteten die komischen Dinger, eins ums andere, und die unsicheren Striche von damals kamen mir höchst seltsam vor, wie vergessene Zeichen einer unabsehbar entschwundenen Zeit. Ich erstaunte vor diesen Abgründen der Vergessenheit, die zwischen den kurzen Jugendjahren liegen, und betrachtete die Blättchen sehr nachdenklich; auch die Handschrift, womit ich die Sprüche hineingeschrieben, war eine ganz andere und noch diejenige aus der Schule. Die ängstlichen Züge sahen mich traurig an; Judith sah auch eine Zeitlang still auf das gleiche Bildchen mit mir, dann sah sie mir plötzlich dicht in die Augen, indem sie ihre Arme um meinen Hals legte und sagte »Du bist immer noch der gleiche? An was denkst du jetzt?« – »Ich weiß nicht«, erwiderte ich. »Weißt du«, fuhr sie fort, »daß ich dich gleich, fressen möchte, wenn du so studierst, ins Blaue hinaus?« und sie drückte mich enger an sich, während ich sagte »Warum denn?« – »Ich weiß selbst nicht recht; aber es ist so langweilig unter den Leuten, daß man oft froh ist, wenn man an etwas anderes denken kann; ich möchte dies auch gern, aber ich weiß nicht viel und denke immer das gleiche, obschon mir etwas Unbekanntes im Kopfe herumgeht; wenn ich dich nun so staunen sehe, so ist es mir, als ob du gerade an das denkst, woran ich auch gern sinnen möchte, ich meine immer, es müßte einem so wohl sein, wenn man mit deinen geheimen Gedanken so in die Weite spazieren könnte! Oh, es muß einem da so still und klug, so traurig und glückselig zu Mute sein!« So etwas hatte ich noch niemals zu hören bekommen; obgleich ich wohl einsah, daß die Judith sich allzusehr zu meinen Gunsten täuschte, was meine inneren Gedanken betraf, und ich tief beschämt errötete, daß ich glaubte, die Röte meiner brennenden Wange müsse ihre weiße Schulter anglühen, an welcher sie lag so sog ich doch Wort für Wort dieser süßesten Schmeichelei begierig ein, und meine Augen ruhten dabei auf der Höhe der Brust, welche still und groß aus dem frischen Linnen emporstieg und in unmittelbarster Nähe vor meinem Blicke glänzte wie die ewige Heimat des Glückes. Judith wußte nicht, oder wenigstens nicht recht, daß es jetzt an ihrer eigenen Brust still und klug, traurig und doch glückselig zu sein war. Es dünkt mich, die Ruhe an der Brust einer schönen Frau sei der einzige und wahre irdische Lohn für die Mühe des Helden jeder Art und für alles Dulden des Mannes und mehr wert als Gold, Lorbeer und Wein zusammen Nun war ich zwar sechszehn Jahr alt und weder ein Held noch Mann, der was getan hatte; doch fühlte ich mich ganz außer der Zeit, wir waren gleich alt oder gleich jung in diesem Augenblicke, und mir ging es durch das Herz, als ob ich jetzt jene schöne Ruhe vorausnähme für alles Leid und alle Mühe, die noch kommen sollten. Ia, dieser Augenblick schien so sehr seine Rechtfertigung in sich selbst zu tragen, daß ich nicht einmal aufschreckte, als Judith, in dem Gesangbuch blätternd, ein zusammengefaltetes Blatt hervorzog, es aufmachte, mir vorhielt und ich nach langem Sinnen jenes beschriebene und an Anna gerichtete Liebesbriefchen erkannte, das ich vor Jahren einst den Wellen übergeben hatte. »Leugnest du noch, daß dies gute Kind dein Schätzchen sei?« sagte sie, und ich leugnete es aus Mutwillen zum zweiten Male, das Blatt als eine vergessene Kinderei erklärend. In diesem Augenblicke riefen Stimmen vor dem Hause, welche wir als diejenigen der vier Männer erkannten. Sogleich löschte sie das Licht aus, daß wir im Dunkeln saßen; doch die unten begehrten nichts desto minder Einlaß, indem sie riefen »So macht doch auf, schöne Judith, und wartet uns mit einer Tasse heißem Kaffee auf! wir wollen uns ehrbar benehmen und noch ein vernünftiges Wort sprechen! Aber macht auf, zum Lohn dafür, daß Ihr uns so angeführt habt; es ist Fastnacht, und Ihr dürft ohne Gefährde einmal die vier ruhmwürdigsten Kumpane des Landes bewirten!« Wir hielten uns aber ganz still; schwere Regentropfen schlugen an die Scheiben, es wetterleuchtete sogar, und in der Ferne donnerte es, daß es klang, als wäre es Mai oder Juni; um Judith kirre zu machen, sangen die Männer mit heuchlerischer Sorgfalt ein vierstimmiges Lied, so schön sie konnten, und ihr überwachter Zustand gab ihren Stimmen wirklich etwas gerührt Vibrierendes. Als dies alles nichts half, fingen sie an zu fluchen, und einer kletterte am Spalier zum Fenster empor, um in die dunkle Stube zu sehen. Wir bemerkten wohl seine spitzige Kapuze, die er über den Kopf gezogen hatte; da erhellte mit einem Mal ein Blitz die Stabe, und der Späher konnte Judith ihres weißen Zeuges wegen erkennen. »Die verwünschte Hexe sitzt ganz aufrecht und munter am Tisch!« rief er gedämpft hinunter; ein anderer sagte »Laß mich einmal sehen!« Doch während sie sich ablösten und die Stube wieder finster war, huschte Judith schnell zu ihrem Bett, nahm die weiße Decke desselben und warf sie über den Stuhl, worauf sie mich leis nach dem Bett hinzog, welches man vom Fenster aus nicht sehen konnte. Als jetzt ein zweiter, noch stärkerer Blitz die Stube ganz klar machte, sagte der Mann, welcher die Augen wie eine Doppelbüchse auf den Stuhl gerichtet hatte »Es ist sie nicht, es ist nur ein weißes Tuch; das Kaffeegeschirr steht auf dem Tisch, und das Kirchenbuch liegt dabei. Der Himmelteufel ist am Ende frömmer, als man glaubt!« Judith aber flüsterte mir ins Ohr »Der Schelm hätte dich jetzt ganz gewiß erblickt, wenn wir sitzen geblieben wären!« Doch die gewaltigen Regengüsse, Blitz und Donner, die nun hereinbrachen, vertrieben den Späher vom Fenster; wir hörten, wie sie ihre Kutten schüttelten und auseinandersprangen, um im Dorfe ein Unterkommen zu suchen, da sie alle weit von Hause waren. Als wir nichts mehr von ihnen hörten, saßen wir noch eine Weile ganz still auf dem Bette und lauschten auf das Gewitter, welches das Häuschen erzittern machte, so daß ich mein eigenes leises Zittern nicht recht davon unterscheiden konnte. Ich umfaßte Judith, um nur dies beklemmende Zittern zu unterbrechen, und küßte sie auf den Mund; sie küßte mich wieder, fest und warm; doch dann löste sie meine Arme von ihrem Hals und sagte »Glück ist Glück, und es gibt nur ein Glück; aber ich kann dich nicht länger hierbehalten, wenn du mir nicht gestehen willst, daß du und des Schulmeisters Tochter einander gern habt! Denn nur das Lügen macht alles schlimm!«
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