Die Architektur innovativer Jungunternehmen ist geprägt von Offenheit und Vernetzung. Die Prozesse sind stets hochflexibel und laufen sehr zügig ab. Die Orte der Arbeit sind meist minimalistisch und sehr funktional. Sie bieten die Grundlage für Kollaboration und Konnektivität. Zwar haben steife Vorgaben in Jungunternehmen keinen Platz. Mehr noch als in Großunternehmen würden sie hier zu Verzettelung, Frust und Effizienzverlust führen. Dennoch braucht es ein Mindestmaß an Strukturen ebenso wie die Standardisierung von Basisprozessen. Sie geben Halt und sorgen für Sicherheit.
Kundenorientierung erfordert, dass die Prototypisierung beim Kunden beginnt – und nicht in der Entwicklungsabteilung. Es ist nämlich ziemlich intelligent, wenn man erst den Kunden versteht, bevor das Produkt entsteht. Deshalb bauen Jungunternehmen ihre Teams interdisziplinär um Kundenprojekte herum, und zwar entlang der Prozesskette, in der die Kundenleistung entsteht: Der Entwickler, der Designer, die Produktion, der Vertrieb, der Kundendienst und wer sonst noch wichtig ist, agieren gemeinsam, damit das Ganze wie aus einem Guss funktioniert. Eine Führungskraft im klassischen Sinne ist nicht mit dabei. Denn Macht killt Kreativität. Sie verlangsamt Entscheidungsprozesse. Sie züchtet das Jasagersyndrom. Und sie stört den Fortlauf der operativen Arbeit.
Neue Mindsets: Die Kultur von Jungunternehmen
Agile Jungunternehmen binden die Kunden aktiv in die Entwicklung mit ein. Dies hilft ganz enorm, den Kunden so gut zu verstehen, dass man Angebote erstellen kann, die dessen Bedürfnisse perfekt bedienen. Was nicht dem Kunden dient, ist Verschwendung. Was aus Kundensicht nutzlos ist, wird sofort ausgemustert. Und darüber hinaus: Jungunternehmererfolg hat fast immer mit Software, Daten, Algorithmen, neuesten Technologien, Communitys, Plattformen und Netzwerkeffekten zu tun. Sie beschäftigen sich zuvorderst mit Problemstellungen, die durch digitale Ideen gelöst werden können.
Jungunternehmer müssen keinen Markt verteidigen und keine Rücksicht auf tradierte Geschäftsmodelle nehmen. Sie sind nicht in überholten Strukturen und veralteten Mindsets gefangen. Sie brauchen weder auf hierarchische Tabus noch auf politische Spielchen zu achten. Sie probieren alles Mögliche aus, preschen schnell vor, wenn sich Erfolgsaussichten am Horizont zeigen, brechen aber genauso schnell wieder ab, wenn ihr Plan nicht zündet. Ihre Maximen: Versuch und Irrtum statt Befehl und Gehorsam. Und: Mut zum Spielraum statt Steuerung nach Plan. In der Szene gilt, klar auf Englisch:
Start many, try cheap, fail early, learn fast.
Die Kultur innovativer Jungunternehmen basiert auf ständiger Weiterentwicklung. Alles steht immer auf dem Prüfstand, um sich permanent zu verbessern und nie den Anschluss zu verpassen. Das kann in unserer digitalen Welt sehr schnell passieren. (So können wir auch keine Garantie dafür übernehmen, dass die in diesem Buch genannten Unternehmen noch am Markt sind, wenn Sie es lesen.)
Jungunternehmen arbeiten vornehmlich in sich selbst organisierenden Teams. Die Begegnungsqualität ist dabei sehr hoch. Sie haben ganz einfach verstanden, wie wichtig Zugehörigkeit, Zusammenhalt, Verbundenheit, ein enges Miteinander und ein starkes Wirgefühl sind. Die Führungskräfte zeichnet häufig Demut und Willenskraft aus. Sie wissen, dass schlechte Führung ein zentraler Grund für das Ausscheiden von High Potentials ist. Sie schaffen ein Umfeld, in dem Mentoring, konstruktives Feedback und eine ausgeprägte Lernkultur etabliert sind. Versuch und Irrtum führen zu permanenten Fortschritten. Neupositionierungen erfolgen, wenn nötig, sehr zügig.
Neue Geschäftsmodelle: Von Game-Changern gemacht
Kommt wie aus dem Nichts plötzlich ein Branchendisruptor daher, sind die Reaktionen fast immer gleich: erst belächeln, verspotten, kleinreden, niedermachen – dann Aufschrei, Empörung, Skandal! Oder klagen und jammern. »Jetzt kaufen unsere Kunden doch tatsächlich bei diesen Jungspunden ein. Hätten wir nicht gedacht. Da müssen wir uns aber bald mal was einfallen lassen.« Zu spät. Selbst mit Geldgeschenken sind die Nicht-mehr-Kunden nicht mehr zu locken.
Das Neuland wird längst von ambitionierten Digital Natives beackert. Sie lehnen sich, und das ist der wohl größte Unterschied zur Transformationsgeneration der 68er, nicht gegen Altes auf. Sie machen, ganz unaufgeregt, einfach neu. Interessanterweise arbeiten sie gar nicht gezielt auf den Untergang der Old Economy hin. Sie machen einfach ganz genau das , was für die Kunden erfreulicher, einfacher, praktischer, besser, schneller ist als das, was alteingesessene Unternehmen dem Markt derzeit bieten. Jedes ungelöste Kundenproblem kann für sie zu einem erfolgreichen Startpunkt werden.
»In unserer Branche geht so was nicht!« Das hören wir in konventionellen Umfeldern oft. Disruptoren wissen das nicht – und es ist ihnen auch völlig egal. Sie betreten keinen bestehenden Markt, sie erzeugen einen neuen. Digital fit, superagil, vielseitig interessiert, global geprägt und ständig auf der Suche nach guten Ideen, erkennen die unternehmerischen Millennials (ab etwa 1985 geboren) Potenziale blitzschnell, können Marktdifferenzen rasch identifizieren und Lösungen ganz neu kombinieren. Sie sind Zukunftsversteher. Und Transformationsexperten per se. Game-Changer nennen sie sich. So haben sie, von tradierten Modellen völlig entkoppelt, längst eine Parallelwelt erschaffen, die sich der Old Economy, wenn überhaupt, nur ansatzweise erschließt.
Sie versuchen erst gar nicht, alte Technologien aufzupeppen. Sie überspringen sie einfach. Herkömmliche Branchengesetze sind ihnen völlig egal. Gewohntes wird radikal infrage gestellt. Sie entwickeln nicht weiter, sondern kreieren unbekümmert, wagemutig und vor allem digitalbasiert die Dinge völlig anders und neu. Dabei entstehen Innovationen, die die Welt so umfassend verändern wie niemals zuvor. Mit Nischengespür packen sie jede Chance beim Wickel, die sich durch die fortschreitende Digitalisierung ergibt. Sie brauchen keine Fabrik, nicht mal eine Garage, um Geschäftsmodelle zu entwickeln, die Traditionsunternehmen erzittern lassen. Denken wir nur mal daran, wie WhatsApp mit anfangs einer Handvoll Mitarbeitern das SMS-Geschäft der großen Telekommunikationsfirmen pulverisierte. Als Anbieter mag man das unfair finden, doch das ist egal. Ist es aus Kundensicht nützlich, setzt es sich durch.
Für bahnbrechende Entwicklungen reichen heute schon Laptop und Wi-Fi.
Jeder Einzelne mit passablen Technik-Skills und etwas Programmier-Know-how kann jetzt Dinge entwickeln und weltweit vertreiben, für die früher ein Riesenunternehmen notwendig war. Laptop und Wi-Fi reichen heute meist aus. Gegen das unerschrockene Vorgehen smarter Jungunternehmer haben die Old-School-Apparatschiks – trotz sehr oft fundiertem Know-how – mit ihrer Absicherungsmentalität, ihren langatmigen Expertenrunden und ihren behäbigen Entscheidungsprozessen kaum eine Chance.
Was Etablierte von Jungunternehmen lernen können
Früher galten die namhaften Unternehmensberatungen als Kaderschmieden für das Topmanagement. Heute sucht man mehr und mehr nach Talenten, die eine leitende Stelle in einem jungen Digitalunternehmen bekleiden. Denn mit ihnen erwirbt man zugleich die digitale Denke und das agile Handeln. Gestandene Unternehmen, von Jungunternehmern liebevoll Grown-ups genannt, können von den Startups viel lernen.
Was Sie sich bei der jungen Elite abschauen können
Pivotieren:Das ist ein kontrollierter Kurswechsel, bevor es zu spät ist. Ursprünglich geplante Vorgehensweisen werden sofort über Bord geworfen, wenn sie sich als marktuntauglich erweisen. Ein Pivot ist allerdings kein Komplettausstieg, sondern bedeutet, dass mindestens ein Aspekt des ursprünglichen Geschäftsmodells gezielt geändert wird. Als etwa Kevin Systrom, Mitgründer von Instagram, erkannte, dass die User den Instagram-Vorläufer Burbn hauptsächlich wegen der Fotoposting-Funktion nutzten, richtete er sein Start-up neu aus und legte damit den Grundstein für die Instagram-Erfolgsgeschichte. In Unternehmen alter Schule hingegen hält man an laufenden Projekten und / oder an seiner Jahresplanung auch dann noch fest, wenn die Nichtmachbarkeit längst absehbar ist. Bewahrenwollen ist dort die Norm. Und die daraus folgende Verachtung für gescheiterte Vorhaben ist legendär.
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