Später als Kind hörte ich mit meinem Transistorradio nach 20 Uhr unter der Bettdecke im Hessischen Rundfunk heimlich das Wunschkonzert mit dem legendären Elmar Gunsch. Seine Stimme war zum Zerfließen. Ich habe die Sendung nur wegen seiner sonoren, göttlichen Stimme angestellt. Im Jahre 2009 erlebte ich dann eine wirklich schöne Überraschung. Es war bei der legendären Faschingsdienstags-Party im Weinkeller Fidelio an der alten Oper. Dort feierte ich seit 20 Jahren immer diese Party. Ich stand am Tresen und wollte mir gerade einen Wein bestellen, da spricht mich eine wundervolle Stimme an: „Darf ich Sie zu diesem Wein einladen?“ Mir war sofort klar, es konnte sich nur um Einen handeln: Elmar Gunsch. Ohne mich umzudrehen, rief ich spontan „Ja!“ Und als ich mich kurz darauf zu ihm wand, sah ich einen großen weißhaarigen Mann mit sehr gepflegtem Bart und gekleidet wie Johannes Heesters. Es war tatsächlich Elmar, der Wahnsinn. Wir stießen mit unseren Weingläsern an und lächelten. Er bat mich zum Walzer. Ein absoluter Gentleman, wow. Beim Tanzen erzählte ich ihm aus meiner Kindheit, dass ich ihn heimlich im Radio gehört habe.
Das hätte ich mir damals nie erträumen lassen, einmal mit Elmar Gunsch Walzer zu tanzen.
Als ich so ca. 8 Jahre alt war, bekam ich 50 Pfennig Taschengeld, dass reichte natürlich nie für meine Kinobesuche jeden Sonntag 1,50 DM im Bürgerhaus gegenüber.
Da ich in der Schule im Malkurs immer die Note eins erhielt und ich im Fernsehen einen Maler sah, der ganz viel Geld mit seinen Bildern verdiente, versuchte ich es auch. Wir wohnten im Nord West Zentrum, einem Einkaufszentrum und ich freundete mich mit einer Verkäuferin eines kleines Geschäfts an, die alles Mögliche an Geschenkartikeln verkaufte. Sie erlaubte mir meine Bilder vor dem Geschäft auszulegen und ich bot ihr eine Gewinnbeteiligung an, die sie aber ablehnte. Es war eine Win-Win Gemeinschaft, sie hatte mit mir Unterhaltung, da sie immer alleine war und nur wenige Kunden zu ihr gingen und ich war jeden Tag nach den Schulaufgaben bei ihr. So verkaufte ich wirklich täglich mindestens 5 Bilder á eine Mark. Ich hatte ein Schild aufgestellt, dass die Einnahmen der Bilder einem guten Zweck zukommen.
„Mein Name ist Wera und ich bekomme nur 50 Pfennig Taschengeld die Woche und möchte gerne sonntags ins Kino gehen.“ Es waren hauptsächlich Mütter, ob sie die Bilder aus Mitleid oder weil sie diese schön fanden, kauften, war mir egal, denn ich hatte mehr als nur mein Kinogeld.
Jahre Später schrieb ich in Schönschrift auf sehr ausgefallenem Papier Weihnachtsgedichte ab. Die ich von Haustür zu Haustüre verkaufte, bis ich an der Türe von Bruni klingelte, die beste Freundin meiner Mutter. Die staunte nicht schlecht und ich erst, oh Schreck, damit flog meine kleines Geheimnis auf und musste beendet werden. Allerdings freute sich meine Mutter, dass ich doch so schön schreiben konnte, wenn ich nur wollte.
Tja der Motor braucht nur Öl, dann läuft er auch!
Eines Tages sollte ich für meinen Pfeifenrauchenden Vater ein Päckchen Rum Marple Tabak kaufen, der ein wundervolles Aroma hatte. Ich wusste immer, wenn ich den Geruch vernahm, dass er gerade hier gewesen sein musste. Als ich im Tabak-Geschäft Otto Bönecke ankam, räumte der Besitzer alles vor die Tür zum Entsorgen, da er sein Geschäft aufgab. Ich fragte ihn, ob ich all die schönen Streichhölzer in wunderschönen Verpackungen von klein bis riesengroß, auch für den Kamin mitnehmen dürfte. Er schenkte sie mir alle und es waren 2 Einkaufswagen voll. Ich rief meinen Freund Christian an und wir zwei liefen durch das Einkaufszentrum und verkauften am selbigen Tag alles für eine bis fünf Mark, je nach Größe. Danach waren wir ziemlich reich und ich teilte alles gerecht mit ihm.
Als Kind hatte ich viele Träume: einer davon war, Schauspielerin zu werden: Ich setzte also alles daran, Schauspielerin werden zu können. Im Frankfurter Nordwest-Zentrum gab es ein Kinder- und Jugendtheater. Ich stellte mich kurzerhand der Leiterin Frau Backhaus vor und bat um eine Chance, mitspielen zu dürfen. Es stünde ein großes unentdecktes Talent vor ihr, sagte ich übermütig und glaubte auch daran, deshalb müsse sie mich unbedingt fördern.
Tatsächlich bekam ich für die Theatersaison eine kleine Komparsenrolle in Pipi Langstrumpf. Ich fühlte mich wie ein Star im Rampenlicht. Erstmals auf der Bühne hatte ich schon drei Jahre zuvor gestanden, in der Rolle der jüngsten Tochter des Milchmanns Tewje aus Anatevka. Damals suchte das Ensemble dringend ein kleines Mädchen für die Rolle ohne Text, da ihre Statistin krank geworden war. Die Theaterluft war sehr beeindruckend, der Saal voller Menschen, die Scheinwerfer und der Applaus, welch schöne Atmosphäre und Energie. Ich konnte nicht genug davon bekommen, obwohl ich nur einen kurzen Auftritt hatte, war es für mich die Welt!
Als ich 11 Jahre alt war, wurde im Nordwest-Zentrum ein Tatort gedreht. Ich war natürlich dabei. Jeden Tag nach den Schulaufgaben stand ich am Drehort und suchte den Regisseur. Als ich ihn ausfindig gemacht hatte, erzählte ich ihm von meinen Auftritten, dass ich schon recht erfahren sei und unbedingt in dem Krimi mitspielen wollte. Ich bekam auch hier eine Rolle, wenn auch nur eine ganz kleine Mini-Komparsenrolle. Aber ich war glücklich. Alle 10 Jahre wird dieser alte Tatort wiederholt. Ich sehe ihn mir immer an und muss schmunzeln.
Meine Eltern gehörten nicht zum Mittelstand oder dem höheren Management an, meine Mutter war Kinderkrankenschwester, hatte nach der Geburt des zweiten Kindes den Beruf an den Nagel gehängt. Als Hausfrau und Mutter später von drei wilden Kindern hatte sie dann genug zu tun. Mein Vater war Handwerker und so konnten wir nicht alles haben, was andere Kids hatten. In der Schule orientierten sich aber alle Kinder an den schönen Dingen der Anderen, die man dann auch haben wollte, was aber für uns nicht möglich war.
So wurde ich kreativ!
Mit 14 Jahren wollte ich unbedingt eine tolle Wrangler-Jeans haben, die zur damaligen Zeit exorbitant teuer war. Bei drei Kindern musste meine Mutter schon abwägen, was wirklich wichtig war und da war diese teure Jeans nicht akzeptabel. Alle Kids trugen entweder Wrangler oder Levis und ich stand da als Außenseiter mit Jerseyhosen. Als ich herausgewachsen war, zu lange Beine hatte, nähte mir meine Mutter immer wieder einen Blümchenbund an. Das muss man sich mal vorstellen! Ich war dem Schmäh der Klassenkameraden ausgesetzt. Das hat wirklich keinen Spaß gemacht. Heute nennt man es Mobbing.
So ging ich in den Sommerferien los und suchte mir einen Job. Die meisten Firmen sagten: „Werde noch ein paar Jahre älter, dann kannste wieder kommen.“
In Praunheim bei der Metzgerei Melchior wurde ich angenommen, erst mal für eine paar Tage, versuchsweise an der Wurstmaschine. Der Darm wurde über eine Öffnung eines Rohres gezogen und die Fleischmasse wurde in den Darm gefüllt. Meine Aufgabe war es, dann mit Schwung einmal zu drehen, sodass es eine Wurst wurde. Nach einem gewissen Abstand musste ich wieder den Darm drehen und so weiter. Es wurde mir schnell langweilig, den ganzen Tag Wurstdarm drehen, macht rammdösig, aber ich war jung und brauchte das Geld. Nach einigen Tagen kam die Verkäuferin vom Verkaufsladen nach hinten in die Fleischerei und war in Panik, da eine Verkäuferin kurzfristig ausfiel. Das war meine Chance. Ich fragte, ob ich helfen darf, und so kam ich in den Verkaufsraum, was viel interessanter war. Ich musste nur noch die Preise lernen für die Produkte und los ging es. Ich verkaufte so gut, dass ich dort bleiben durfte. Man lobte mich, denn ich hatte wohl die Gabe, den Leuten mehr zu verkaufen, als sie eigentlich wollten und die dann oft das Doppelte ausgaben, als geplant.
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