Milton Erickson hat das Interesse beim Klienten gründlich genutzt (Erickson u. Rossi 1998). Sie kennen vielleicht seine Geschichte von dem kleinen Mädchen, das wegen seiner Sommersprossen »Zimtgesicht« genannt wurde, worunter es sehr litt. Das Mädchen hatte überhaupt keine Lust, Doktor Erickson aufzusuchen. Als sie in sein Büro trat, und noch bevor sie ein einziges Wort sagen konnte, rief er: »Du bist eine Diebin! Du hast geklaut!« Er wusste, wie groß der Widerstand war, und lenkte ab, schuf, statt gleich auf das Thema Sommersprossen zu kommen, eine unvermutete »Erfahrung«. Das Interesse des Mädchens war geweckt, es musste sich gegen die Anschuldigung verteidigen, war emotional aufgewühlt und richtig wütend. »Ich bin keine Diebin! Ich habe noch nie etwas geklaut!« sagte es empört. »Doch, du bist eine Diebin, du klaust. Ich weiß auch, was du gestohlen hast.« rief er ihr zu. »Das können Sie nicht beweisen, das ist unmöglich, ich habe nichts geklaut«, wiederholte es noch aufgebrachter. »Ich weiß sogar, wo du warst, als du geklaut hast.« Das Mädchen war voller Wut und verteidigte sich vehement. Dann sagte Erickson: »Ich werde dir sagen, was und wo du gestohlen hast. Du warst in der Küche und hast den Tisch gedeckt, als du die Gebäckdose deiner Mutter entdeckt hast, du weißt schon, die Dose mit den Zimtstangen, du hast das Zimt auf dein Gesicht verteilt, und daher ist dein Gesicht voller Zimtflecke.« Die Wut, die das Mädchen wegen seiner Sommersprossen empfand, veränderte sich durch die große Empörung über die Anschuldigung. Von nun an akzeptierte es sein Zimtgesicht und begann sogar, Zimtgebäck zu mögen.
Milton Erickson verwendete diese mnemotechnischen Gesetze spontan: Seine Interventionen lösten Interesse und intensive Gefühle aus, sprachen das Visuelle und den Körper auf konkrete Weise an und machten vorhandene Informationen nutzbar.
Sechstes mnemotechnisches Prinzip: Lust und Spaß in der Therapie
Was glauben Sie, wie oft wird in der Werbung Humor eingesetzt und werden Lust und Spaß ausgelöst? Die Antwort kenne ich nicht, da die Werbung permanent wechselt und es darüber keine Statistiken gibt, aber es geschieht oft: Brauereien koppeln die Präsentation ihres Produkts an Feiern und Feste, die Hersteller von Jeans verbinden sie mit Sexualität, die im Übrigen bei den meisten Produkten angesprochen wird. McDonald behauptet, Familien glücklicher zu machen, Waschmittelhersteller lassen Ihre Kleidung weißer erscheinen, kurzum: Alle versuchen, ihr Produkt mit Lust und Freude zu verbinden. Sie haben verstanden, wie wichtig diese Faktoren für die Menschen sind.
Nehmen wir einmal an, dass es in Ihrem Umfeld Personen gibt, bei denen Sie sich wohl fühlen und mit denen Sie lachen können, und andere, bei denen immer wieder geklagt und gejammert wird. Wen werden Sie zu Ihrem Geburtstag einladen? An wen denken Sie, wenn Sie ein Wochenende mit einem Freund auf dem Lande verbringen wollen?
Stimmt es denn etwa, dass Sie einen bestimmten Bleistift, eine Sorte Papier, Zucker oder ein Waschmittel wirklich vorziehen? Bringen Ihnen diese Produkte wirklich Spaß oder Freude, und kaufen Sie sie deshalb?
Daraus können wir Therapeuten, aber auch wir Eltern oder wir Partner bzw. Partnerinnen eine wichtige Lektion ableiten: Wir sollten uns viel öfter fragen, was Lust und Spaß bereitet, und diesen Weg einschlagen. Nehmen wir einmal an, Sie arbeiten mit einem Jugendlichen und es geht darum, Höflichkeit und Respekt gegenüber anderen zu zeigen. Höflichkeit und Respekt sind zwei Begriffe, die bei Jugendlichen nicht gut ankommen. Besser ist es, diese Begriffe zu vermeiden, denn es besteht die Gefahr, dass Sie damit das Gegenteil bewirken. Wie kann man das Thema angehen, ohne eine ablehnende Reaktion auszulösen? Vorschlag: Nehmen Sie eine Tüte gefüllt mit kleinen Geschenkartikeln und sagen Sie dem Klienten, dass Sie etwas ganz Besonderes für ihn gefunden haben. Wer wäre nicht von der Vorstellung angetan, ein Überraschungsgeschenk zu erhalten? Lassen Sie ihn wählen zwischen der Tüte mit den Geschenken und einem offensichtlich benutzten Taschentuch und zögern Sie vor allem nicht, es vor seinen Augen mit Getöse zu benutzen. Mit den entsprechenden Geräuschen bieten Sie es ihm an bzw. fordern ihn auf zu wählen, was er vorzieht: die Tüte mit dem Geschenk oder das benutzte Taschentuch. Meistens löst es ein Lachen aus. Super! Wir haben unser Ziel erreicht, es macht Spaß. Als Antwort kommt natürlich »die Geschenktüte«. Aber warum? Im Taschentuch könnte ein Goldklumpen verborgen sein, und die Geschenktüte könnte leer oder noch schlimmer voller gebrauchter Taschentücher sein. Aber trotzdem wählt jeder die Geschenktüte wegen der Verpackung. Fragen Sie dann den Jugendlichen, wie er seine Aussagen »verpackt«. Ähneln seine Aussagen eher einem benutzten Taschentuch oder einem hübsch eingepackten Geschenk? Lösen seine Worte den Wunsch aus, sie »entgegenzunehmen«, oder eher das Gegenteil »es nicht gerne zu berühren«? Der Jugendliche kann auf diese Weise besser verstehen, warum es sinnvoll ist, seine Aussagen deutlicher zu formulieren, wenn er verstanden und geachtet werden möchte.
Natürlich handelt es sich hier um keine Wundermethode, und es muss auch über Höflichkeit gesprochen werden, aber anstatt es rein verbal zu tun, zeigen Sie dem Jugendlichen die Geschenktüte mit einem augenzwinkernden Lächeln! Lassen Sie dann das gebrauchte Taschentuch unbedingt verschwinden. Es ist sehr wichtig, nur das sichtbar zu machen, was mit Ihrer Botschaft übereinstimmt. Auch in der Werbung spricht Burger King niemals von McDonald. Es ist wichtig, dass der Kunde nicht an den anderen Anbieter, an den Konkurrenten, erinnert wird, das gilt auch für Sie. Benutzen Sie immer nur das mit dem gewünschten Verhalten übereinstimmende Symbol.
Bei einem Workaholic, der nicht bereit ist, weniger zu arbeiten, könnten Sie einen Zahnstocher nehmen und ihn auffordern, ein dickes Buch oder vielleicht einen Ziegelstein, falls Sie so etwas zur Verfügung haben, daran zu hängen. Natürlich wird der Zahnstocher unter dem Gewicht des Buches zerbrechen. Was geschieht, wenn das gleiche Gewicht an einen Bleistift oder einen Nagel gehängt wird? Fragen Sie Ihren Klienten, wie er sich in diesem Augenblick fühlt, eher wie ein Zahnstocher oder wie ein Nagel? Hat er ausreichend Kraft, das Gewicht zu tragen? Diese Frage macht mehr Spaß, als nur Erschöpfung und Machtlosigkeit zu thematisieren. Diese Art der Intervention spricht die Ressourcen des Klienten an und erleichtert den Veränderungsprozess.
Siebtes mnemotechnisches Prinzip: Einfach ist einfacher!
Leonardo da Vinci sagte: »Einfachheit ist unübertreffliche Klugheit.« Dies ist gewiss der Königsweg, um es Klienten zu ermöglichen, neue Informationen aufzunehmen und sich dabei wohl und »zu Hause« zu fühlen.
Welche der folgenden Sätze sind leichter zu behalten?
Sichtbare Dämpfe entwickelten sich aus brennbarem Material und ließen vermuten, dass ein explosionsartiges Verbrennen nicht auszuschließen wäre.
statt:
Kein Rauch ohne Feuer!
Wir bevorzugen in unserer Firma den Einsatz und das Zusammenwirken interdisziplinärer Erfahrungen.
statt:
Die Mitarbeiter der Abteilungen sprechen miteinander.
Keine Beeinträchtigung der Lohnrahmenrichtlinien für unsere Mitarbeiter!
statt:
Hände weg vom Lohn!
Diese Aussagen stammen aus dem Buch von Jack Trout und Steve Rivkin Die Macht des Einfachen (1999). Die Autoren stellen darin die Kraft der Einfachheit, aber auch ihre Seltenheit dar. Viele Menschen fliehen sogar vor ihr. Oft geben Unternehmen viel mehr Geld für komplizierte und umständliche Fortbildungen aus, bei denen kaum jemand etwas versteht, als für ein Seminar, in dem die Mitarbeiter leicht übertragbare, einfache Informationen erhalten.
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