Honoré Gabriel Riquetti Graf von Mirabeau
Erotika Biblion
Impressum
ISBN 978-3-940621-37-5
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Digitalisat basiert auf der Ausgabe von 1919 aus der Bibliothek des Vergangenheitsverlags; bibliografische Angaben:
Honoré Gabriel Riquetti Graf von Mirabeau, Erotika Biblion, Berlin 1919.
Digitalisierung: Vergangenheitsverlag. Bearbeitung: Dr. Alexander Schug
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© Vergangenheitsverlag, 2010
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Einleitendes Essay: Mirabeau – Der Löwe der Revolution
Honoré Gabriel Riquetti wurde am 9. März 1749 im französischen Bignon bei Nemours als erstes von elf Kindern geboren. Sein Vater war Victor Riquetti, ein geachteter Volkswirt und politischer Denker seiner Zeit. Victor war ein Bekannter des großen Staatstheoretikers der Aufklärung Montesquieu und Verfasser des einflussreichen Werkes „Ami des Hommes“, welches ihm seinen Beinamen als der „Menschenfreund“ einbrachte. Später, nach dem Tod seines Vaters, erbte Honorè Gabriel dessen Adelstitel als Marquis de Mirabeau.
Zeit seines Lebens sollte Honoré jedoch versuchen, sich gegen seinen herrischen Vater zu behaupten, aus dessen Schatten zu treten und seinen Respekt zu erlangen. Da der Vater ihm jegliche finanzielle Unterstützung verweigerte, trat der junge Mirabeau 1767 in die Armee ein. Zunächst nutze er seine adlige Herkunft für ein ausschweifendes Leben abseits der Kaserne. Als Mitglied einer der vornehmsten Familien Frankreichs fand er leicht Zugang zu den gehobenen gesellschaftlichen Kreisen. Er beging sogar Fahnenflucht, um einem Eheversprechen zu entgehen. Nachdem er zwischenzeitlich gefasst und eingekerkert worden war, rehabilitierte er sich durch seinen Dienst im Krieg auf Korsika.
Mirabeau war ein Lebemann: Die Verschwendungssucht und sein unsteter Lebenswandel wurden ihm jedoch immer wieder zum Verhängnis. Mit seinem Vater lebte er deswegen in ständiger Auseinandersetzung. Bei diesem fiel er schließlich in Ungnade und wurde auf dessen Geheiß hin (offiziell durch königlichen Befehl) sogar mehrfach gefangen genommen und in verschiedene Gefängnisse geworfen. Während seiner Ausgangszeiten im Gefängnis von Joux nahe Lyon lernte er Sophie de Monnier kennen, eine junge, verheiratete Frau und seine große Liebe. Zusammen planten sie ihre Flucht ins Ausland, die auch gelang. Doch Sophies erboster Ehemann lies ihnen nachstellen, sie gefangen nehmen und getrennt einkerkern. Man verurteilte beide zum Tode, ein Urteil, das jedoch nicht vollstreckt wurde und das Mirabeau dank seines Redetalents annullieren lassen konnte. Seine Haft in Vicennes bei Paris dauerte von 1780 bis 1782, er verbrachte die Zeit damit, zu lesen, erotische Schriften zu verfassen und Sophie zärtliche Briefe zu schreiben. Erst Jahre später sahen sich die beiden wieder, mussten jedoch feststellen, dass die Zeit sie zu sehr gezeichnet hatte, als dass ihre alte Liebe nochmals hätte aufflammen können.
In den 1770er/80er Jahren erlebte Mirabeau eine weitgehende Politisierung. Schon früher war er mit den politischen Theorien Rousseaus, einem der Vordenker der Französischen Revolution, in Kontakt gekommen und hatte eigene Werke gegen Despotismus und Willkürherrschaft verfasst, wie etwa den „Essai sur le despotisme“ von 1776, in dem er dem Volk Widerstandsrechte gegen Monarchen einräumte, wenn dieser die Freiheit bedrohte. 1782 folgte mit „De lettres de cachet et des prisons d'état“ eine Abrechnung mit den willkürlich ausgestellten königlichen Haftbefehlen, deren Opfer Mirabeau selbst war. Dieses Werk wurde 1788 sogar ins Englische übersetzt. Zuvor war Mirabeau 1785 nach London gefahren und hatte Kontakt zu den dortigen liberalen Kreisen aufgenommen. Er entwickelte sich zu einem Anhänger einer konstitutionellen Monarchie nach englischem Vorbild, mit Parlament und König.
Mirabeau sollte durch die Zeitumstände die Chance erhalten, seine politischen Visionen in die gesellschaftlichen Diskurse des späten 18. Jahrhunderts einzubringen. In Frankreich herrschte zu dieser Zeit durch eine Reihe von Kriegen und das ausschweifende Leben bei Hofe eine sehr kritische Finanzlage. Um diese zu beheben, lies König Ludwig XVI. 1789 verkünden, dass die Generalstände einberufen werden sollten. In dieser Versammlung saßen Vertreter aller drei Stände – des Adels, des Klerus und des Dritten Standes, also des einfachen Volkes. Die Sitzverteilung entsprach jedoch nicht den realen Begebenheiten in der Bevölkerung. Der Dritte Stand, der in der Gesamtbevölkerung ganze 95 Prozent ausmachte, hatte lediglich genau so viele Abgeordnete wie Adel und Klerus zusammen. Außerdem sollte die Stimmabgabe einheitlich pro Stand erfolgen, was eine 2:1 Mehrheit für die privilegierten Stände ergab.
Mirabeau lies sich, trotz seiner adligen Herkunft, im Mai 1789 als Abgeordneter des Dritten Standes wählen und nahm an den Sitzungen in Paris teil. Die Verhandlungen bewegten sich von ihrem eigentlichen Ziel, der Konsolidierung des französischen Haushalts, rasch fort und der Ruf nach Systemänderungen und Liberalisierungen wurde lauter. Dabei fiel Mirabeau immer wieder durch seine enormen rhetorischen Fähigkeiten auf. Vehement setzte er sich für die Errichtung einer konstitutionellen Monarchie nach englischem Vorbild ein, in der das Volk den König einsetzt und dieser sich nicht durch Gottesgnadentum, sondern eine Verfassung legitimiert. Mirabeaus Ziel war eine Reform, die den Bürgern mehr Rechte und Freiheiten einräumen sollte, nicht etwa eine Abschaffung des Ancién Regime. Diese Ansicht war weit verbreitet in den Anfängen der kommenden Revolution in Frankreich. Mirabeau war damit ein moderater Vertreter der Aufklärung und des Rufs nach Reformen, die schließlich der absolutistischen Monarchie in einer epochemachenden Revolution ein Ende bereiteten.
Als sich abzeichnete, dass die erhofften Reformen in den Generalständen nicht durchsetzbar waren, erklärten sich die Abgeordneten in einem revolutionären Akt zur Nationalversammlung und schworen im sogenannten „Ballhausschwur“ am 20. Juni 1789 nicht eher auseinander zu gehen, bis Frankreich eine Verfassung habe. Sie widersetzten sich damit eindeutig dem Willen des Königs.
Ludwig XVI. lies befehlen, dass die Generalstände sich auflösen sollten, um die Forderungen nach politischen Reformen im Keim zu ersticken. Nun schlug die Stunde des Marquis: Er widersetzte sich dem königlichen Abgesandten, indem er vor dem versammelten Plenum das Wort ergriff, und den Befehl zurückwies. Diese Tat sollte noch lange in Erinnerung bleiben. So legte der deutsche Schriftsteller Heinrich von Kleist Mirabeau später in seinem Essay „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken im Reden“ die folgenden heroisch anmutenden Worte (gegenüber dem königlichen Abgesandten) in den Mund:
„Was berechtigt Sie, uns hier Befehle anzudeuten? Wir sind die Repräsentanten der Nation. Die Nation gibt Befehle und empfängt keine. So sagen Sie Ihrem Könige, daß wir unsere Plätze anders nicht als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden.“ (Kleist wollte zeigen, dass Gedanken aus einer Sprechsituation heraus entstehen und dieses Beispiel erschien im angemessen, da Mirabeau die Gunst der Stunde nutzte.)
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