Chinesische Technik – worauf sollte man achten?
Die Vielzahl chinesischer Smartphones und deren technische Ausstattung ist verglichen mit der schmalen Auswahl in deutschen Elektronikmärkten nicht gerade übersichtlich. Xiaomi, deren Smartphones seit Kurzem auch in europäischen Läden erhältlich sind, orientiert sich in Sachen Ausstattung und Namensgebung am großen Vorbild Samsung.
Die Flaggschiffe der Mi-Serie liegen meist technisch etwas über dem Samsung-Flaggschiff des Vorjahres. So kann das aktuelle Xiaomi Mi 9 von 2019 gut mit dem Samsung Galaxy S9 aus dem Jahr 2018 mithalten. In der Mi-Note-Serie bietet Xiaomi analog zu den Galaxy-Note-Modellen Phablets mit besonders großen Bildschirmen an. Die Redmi-Reihe stellte zuerst die kostengünstige Mittelklasse dar, liefert inzwischen aber auch sehr hochwertige Geräte.
Bekannte chinesische Smartphones: Xiaomi Mi 9, ...
OnePlus 7T, ...
... Meizu 16T (kein Größenvergleich, Fotos: Hersteller).
Wie bei den bekannten Geräten sind auch bei China-Handys Prozessorleistung, RAM, interner Speicher, Bildschirm und Kamera die wichtigsten technischen Merkmale, auf die man beim Kauf achten sollte. Die meisten Smartphones der chinesischen Oberklasse verwenden aktuelle Snapdragon-Prozessoren, die auch die großen Markenhersteller nutzen. Mit 4 oder 6 GByte RAM ist der Arbeitsspeicher überall ausreichend bemessen.
Zum Vergleich: Selbst das aktuelle Samsung Galaxy S9 hat nur 4 GByte RAM. Da Speicherbausteine in China billig sind, liegen die meisten Topmodelle mit 64 oder gar 128 GByte internem Speicher über dem in Europa üblichen Durchschnitt. Bei diesen Speichergrößen kann man gut auf eine MicroSD-Karte verzichten. Die typische Full-HD-Bildschirmauflösung 1.920 x 1.080, die selbst chinesische Mittelklassemodelle bieten, entspricht der von bekannten Oberklasse-Smartphones, kommt aber nicht an die extrem hohen Auflösungen des Samsung Galaxy S10 und Huawei P30 Pro oder der aktuellen Google-Pixel-Serie heran.
Die Akkus der meisten China-Smartphones sind mit über 4.000 mAh überdurchschnittlich groß, aber oft fest verbaut – ein Trend, dem auch immer mehr klassische Hersteller folgen. Fast alle aktuellen Modelle unterstützen die Schnellladetechnik über USB Typ-C. Blackview und Ulefone liefern bereits Smartphones mit Akkus über 10.000 mAh.
Verschiedene ROM-Versionen für das gleiche Gerät
In China werden die meisten Smartphones mit einer rein chinesischen Android-Version ausgeliefert, die oft viele vorinstallierte Apps enthält. Über eigene App Stores machen die Hersteller ein zusätzliches Geschäft mit Apps und den in China sehr beliebten kostenpflichtigen Bildschirmthemen und Iconsets. Für den Wachstumsmarkt in anderen ostasiatischen Ländern und Indien werden sogenannte Global oder International ROMs angeboten. Ist ein solches ROM vorinstalliert, profitieren auch europäische Nutzer von der Vielfalt der in Android standardmäßig enthaltenen Sprachen und den Google-Play-Diensten, einschließlich des Google Play Store.
Achten Sie beim Kauf immer auf die Global-Versionen, auch wenn diese teilweise ein paar Euro teurer sind. Xiaomi und einige andere Hersteller bieten auch Global ROMs zum Download an, wobei der Installationsaufwand von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich ist.
Android-Benutzeroberflächen
Android bietet weitgehende Freiheiten für Gerätehersteller und Softwareentwickler, eigene Benutzeroberflächen zu gestalten. Nur wenige Hersteller installieren ein unverändertes Android vor, die meisten verändern zumindest die Symbole der wichtigsten Apps und ein paar Kleinigkeiten beim Startbildschirm und den Einstellungen, was sich aber oft durch die Installation des Google Now oder Google Pixel Launchers aus dem Play Store zurücksetzen lässt. Andere, wie Huawei, ZUK oder LeEco, liefern mit EMUI, ZUI und EUI stark angepasste Android-Oberflächen und vielfach auch einiges an vorinstallierter Bloatware mit, die sich nicht immer entfernen lässt. Sollte eine Deinstallation der überflüssigen Apps nicht möglich sein, nehmen Sie ihnen in den Einstellungen unter Apps die Berechtigung für Benachrichtigungen weg, was seit Android 6 problemlos möglich ist. Dann stört die Bloatware wenigstens nicht mehr. Bei vielen chinesischen Android-Launchern fehlt der typische Button für die Liste aller Apps. Die Apps werden auf mehreren Startbildschirmseiten angezeigt, können dafür frei angeordnet und in vielen Fällen auch in Ordner einsortiert werden.
OnePlus setzt dagegen mit seinem OxygenOS, einem unabhängigen Android-Ableger, auf eine möglichst unverfälschte Android-Oberfläche, die aber um Zusatzfunktionen zur freien Belegung von Tasten, Gestensteuerung, Einschränkung von App-Berechtigungen sowie einen systemweit nutzbaren Equalizer erweitert ist.
Xiaomi nimmt mit seiner Android-Variante MIUI die größten Veränderungen gegenüber dem von Google vorgegebenen Standard vor. Über Themen ist die Oberfläche vielfältig personalisierbar. Einige nützliche Funktionen, die im Standard-Android fehlen, sind bereits vorinstalliert, u. a. ein Dateimanager, eine einfache Textverarbeitung, Kompass, QR-Code-Scanner, Notizblock und eine System-App, die grundlegende Systemchecks, Speicherbereinigung und einen Virenscanner bietet. Über Touch- und Tastengesten lässt sich die Oberfläche an persönliche Gewohnheiten anpassen. Wie auch OxygenOS verwendet MIUI die SwiftKey-Tastatur mit lernfähiger Autokorrektur, intelligenter Textvorhersage und Spezialtasten zur Positionierung des Cursors im Text. Der neuartige Second Space verhält sich wie ein zweites Handy. So kann man private von geschäftlichen Daten trennen oder das Smartphone zeitweise einem anderen Benutzer zur Verfügung stellen, ohne dass Einstellungen oder private Daten in den jeweils anderen Bereich kommen. MIUI hat wegen seiner Funktionsvielfalt und Anpassbarkeit besonders in Asien so große Beliebtheit erlangt, dass Xiaomi dieses System bei en.miui.comauch für Smartphones anderer Hersteller zum Download anbietet. Für nicht unterstützte Geräte gibt es zumindest den MiHome Launcher als App.
Die große Unbekannte – der Zoll
Offiziell muss für aus einem Nicht-EU-Land eingeführte Produkte eine Einfuhrumsatzsteuer von 19 % bezahlt werden, wenn der Zollwert, der sich aus Warenwert plus Porto zusammensetzt, über 22 Euro liegt. Dazu kommt bei zahlreichen Produkten im Wert von über 150 Euro noch ein kompliziert zu errechnender Zollbetrag, der allerdings bei Smartphones generell nicht erhoben wird. Die großen Importshops versenden zollfrei, was bedeutet, dass alle Formalitäten bereits vorab erledigt sind, und der Käufer es nicht mit dem Zoll zu tun bekommt. Auf Sendungen aus einem EU-Versandlager hat der Zoll ohnehin keinen Zugriff. Aber auch bei Bestellungen von kleineren chinesischen Händlern oder über AliExpress hält sich die Wahrscheinlichkeit in Grenzen, dass der Zoll gerade das eigene Päckchen aus den Tausenden Sendungen, die täglich an deutschen Flughäfen und Seehäfen ankommen, herausfischt. Sollte eine Sendung tatsächlich einbehalten werden, bekommt man nach Tagen bis Wochen eine Aufforderung, sein Päckchen beim nächsten Zollamt abzuholen und 28,50 Euro, 19 % von 150 Euro, zu bezahlen. Da kein Zollbeamter chinesische Versandpapiere lesen kann, wird gern diese Obergrenze der Zollfreiheit zur Bemessung angesetzt. Bei höheren Beträgen müsste der Zoll sich die Mühe machen, einen tatsächlichen Wert zu ermitteln, um dann einige Cent Zollsatz zu kassieren. Natürlich hat man als Kunde theoretisch das Recht, beim Zollamt einen geringeren Warenwert zu beweisen und damit die Steuer zu senken. Bei Bestellungen per DHL überträgt der Zoll die Verzollung einer überprüften Sendung an DHL, und der Käufer zahlt die Einfuhrumsatzsteuer an den Paketboten, ohne selbst zum Zollamt fahren zu müssen. Allerdings gibt es hier keine Möglichkeit, den Warenwert zu verhandeln.
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