Pritikins Empfehlungen gelten nicht für jeden
Schauen Sie sich zum Beispiel die Ernährungsbedürfnisse der Schotten, Waliser und Iren an, die das genaue Gegenteil von den Bedürfnissen der Bantu sind. In ihrer traditionellen Ernährung wurde schon immer viel fettreicher Fisch gegessen. Deshalb – und aus einigen anderen Gründen – brauchen sie mehr Fett als andere. Bemerkenswert ist dabei vor allem: Würden sie die fettarme Ernährung wählen, die bei den Bantu Herz-Kreislauf-Probleme verhindert, so würde sie bei ihnen diese Probleme gerade verursachen .
In der Natur findet man dieses Prinzip immer wieder: Der Ernährungsbedarf ist genetisch vorgegeben. Jede Tierart ist aufgrund ihrer genetischen Programmierung nur auf ganz was ihnen gerade mal schmeckt, und sie werden auch nicht durch moderne Werbestrategien manipuliert und auf etwas geeicht, was angeblich richtig für sie ist.
Im Gegensatz zum Menschen, der seinem freiem Willen bei der Auswahl seiner Ernährung die Zügel lässt, essen Tiere das, was ihnen ihr Instinkt und ihre Gene vorschreiben. Deshalb werden weder Insekten noch Reptilien, weder Fische noch Vögel oder Säugetiere (außer Haustiere des Menschen und er selbst) von degenerativen Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes, Arthritis, Allergien oder Multipler Sklerose geplagt – um nur ein paar typische Probleme zu nennen.
Kennen Sie Ihre Vorfahren?
In seinem Buch Happiness Is a Healthy Life schreibt der Arzt Lendon Smith: „Der Trick bei der Auswahl des richtigen Essens liegt darin, dass Sie herausfinden, wer Ihre Vorfahren waren, und versuchen sich so wie diese zu ernähren.“ Das ist keine schlechte Idee, sie hat nur einen Nachteil: Nur die wenigsten Menschen in den USA (und in Mitteleuropa) haben heute noch Vorfahren, die über Jahrhunderte in der gleichen Klimazone gelebt haben.
Menschen mit den unterschiedlichsten Abstammungen sind in Mitteleuropa und den USA im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte eingewandert und haben sich mit der dort ansässigen Bevölkerung immer wieder vermischt. Deshalb können wir heute bei den meisten nicht mehr davon ausgehen, dass ihre Vorfahren alle die gleiche Ernährung hatten.
Nicht nur die Zuwanderung von Menschen auf der Suche nach Arbeit (aus Südeuropa nach Mitteleuropa, in den vergangenen 50 Jahren) spielt hier eine Rolle, auch die viel weiter zurückliegenden Wanderungen – zum Beispiel die Völkerwanderungen – hinterließen Spuren in den genetischen Anlagen und erzeugten damit unterschiedlichste Ernährungsbedürfnisse.
Anders sieht es in Ländern aus, in denen diese starken Wanderungsbewegungen nicht stattfanden und in denen daher eine Anpassung an das Nahrungsangebot über Jahrtausende möglich war. Wenn alle Ihre Vorfahren zum Beispiel aus Griechenland stammen, haben Sie wahrscheinlich keine Probleme mit einer Ernährung, die reich an Fisch, Nudeln, Knoblauch, Olivenöl, Salat, Bohnen und Wein ist – also mit einer Ernährung, wie sie auch Ihre Vorfahren gesund und fit gehalten hat.
Nicht nur die Abstammung spielt eine Rolle
Doch Vorsicht! Selbst dann ist es nicht unbedingt ganz so einfach. Die Ernährung Ihrer Vorfahren kann Ihnen zwar Anhaltspunkte liefern, sie ist aber nicht unbedingt der einzige Faktor. Heutzutage werden wir auch sehr stark von unserer Umwelt und unserem Lebensstil beeinflusst. Und beide haben sich im Lauf der letzten 100 Jahre drastisch verändert.
Wir haben Jahrtausende gebraucht, um uns an unsere Umwelt anzupassen, denn diese Anpassung verläuft sehr langsam und über viele Generationen. Doch gerade in den letzten 100 Jahren wurden unsere Luft, unser Wasser, der Ackerboden und vieles andere stark verändert. Die sensible Symbiose, die unsere Vorfahren mit ihrer Umwelt im Lauf der Zeit entwickelt hatten, wurde nachhaltig gestört.
Das gilt auch für unseren Lebensstil. Über Jahrtausende mussten die Menschen körperlich aktiv sein – mussten laufen, jagen und die Felder bestellen, fischen und die Herden hüten. Das hat sich in kürzester Zeit geändert. Jetzt verbringen wir viel Zeit in geschlossenen Räumen bei künstlichem Licht, sind allen möglichen Chemikalien ausgesetzt, machen uns ein gemütliches Leben vor dem Fernseher und bewegen uns nur noch per Auto oder Flugzeug; zumindest bei vielen von uns ist das so. Es hat sich also vieles geändert und wir können nicht mehr einfach auf die Ernährung unserer Vorfahren zurückgreifen. Unser heutiger Ernährungsbedarf wird von viel zu vielen Einflüssen bestimmt, nicht mehr nur von unseren Erbanlagen.
Dazu kommt noch, dass sich unser Ernährungsbedarf im Lauf der Zeit verändern kann. Ihr Körper sucht ständig nach seinem inneren Gleichgewicht. Er ist ein dynamisches, homöostatisches System, das sich ständig verändert und dabei immer bemüht ist sich selbst zu regulieren, ein gesundes Gleichgewicht zu finden und sich an veränderte äußere Bedingungen anzupassen.
Damit kann sich auch Ihr Ernährungsbedarf im Lauf der Zeit verändern, manchmal im Laufe eines Jahres oder sogar von einer Jahreszeit zur nächsten oder gar von einem Tag zum anderen. Zum Glück gibt es eine sehr gute Methode, mit der Sie schnell die richtige Ernährung finden. Weiter unten werden wir genauer darauf eingehen. Erst wollen wir hier kurz die wichtigsten Punkte zusammenfassen:
1.Es gibt nach wie vor viele Menschen auf dieser Welt, die nicht unter chronischen Krankheiten leiden.
Forscher fanden immer wieder isoliert lebende Völker, die nicht von unseren modernen Zivilisationskrankheiten betroffen sind.
2.Unsere modernen Ernährungsgewohnheiten führen bei bisher gesunden Völkern zu schweren Krankheiten.
Wenn vorher isoliert lebende Kulturen ihre bisherigen Ernährungsgewohnheiten gegen unsere modernen eintauschen, entwickeln sie die gleichen chronischen Krankheiten wie unsere moderne Gesellschaft.
3.Der Ernährungsbedarf ist von einem traditionell lebenden Volk zum anderen unterschiedlich. Es gibt keine Ernährung, die für alle Menschen gesund ist. Eine Ernährung, die in einer Gruppe Gesundheit und Vitalität stärkt, kann in einer anderen zu schweren Krankheiten führen.
4.Die Vererbung spielt für den Ernährungsbedarf eine wichtige Rolle.
Was das Überleben Ihrer Vorfahren gesichert hat, würde aufgrund Ihrer Erbanlagen auch Ihnen helfen. Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle – Umweltbedingungen, Mangel an einzelnen Nährstoffen, Ihre körperliche Aktivität, Ihr Lebensstil und andere.
5.Ihr Ernährungsbedarf ist sehr individuell.
So, wie wir uns äußerlich alle voneinander unterscheiden, sind wir auch innerlich sehr verschieden (sowohl in unserem Stoffwechsel als auch in Aufbau, Form und Platzierung unserer Organe). Daher verarbeiten wir alle unsere Nahrung unterschiedlich und verwerten die Nährstoff individuell.
6.Sie können Ihren Ernährungsbedarf nicht ohne weiteres selbst herausfinden.
Nur selten können wir heute noch unsere Abstammung klar zurückverfolgen – zumindest gilt dies für Mitteleuropa oder die USA. Aus diesem und vielen anderen Gründen lässt sich der individuelle Typ nicht ohne weiteres ermitteln. Zum Glück kann Ihnen unsere Methode eine einfache Lösung zu diesem komplexen Problem bieten.
Jenseits pauschaler Empfehlungen
Das Denken der meisten Ernährungswissenschaftler ähnelt dem der pharmazeutischen Industrie. Diese sucht auch immer wieder nach einer „Wunderpille“, nach einer Lösung, die für jeden immer und überall gilt, der ein bestimmtes Gesundheitsproblem hat oder bestimmte Symptome zeigt. Auch die moderne Ernährungswissenschaft sucht nach einer Lösung, die für alle immer und überall gilt.
Die Empfehlungen der amerikanischen Regierung zur richtigen Ernährung sind ein gutes Beispiel dafür (wie wir es ähnlich aber auch bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung finden können): Empfehlungen, die davon ausgehen, dass wir alle gleich sind und alle das Gleiche brauchen. Und das, obwohl gerade in Amerika Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammengekommen sind. Dieses eindimensionale Denken spiegelt sich gut in der allgegenwärtigen „Nahrungspyramide“ wider, die Grundlage der täglichen Essensplanung sein soll.
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