„Manchmal versuchte ich, zu Fuß hinaufzusteigen“, erzählte er einem Journalisten. Offenbar hatte er sich mit jemandem im zweiten Stock angefreundet, wo er eine schnelle Kaffeepause einlegen konnte – „um mich kurz zu erholen“.
Während Most seine Firmen gründete, kümmerte sich Grant weiterhin um die Animals. Seine Beziehung zu Don Arden wurde jedoch auf ihrer ersten US-Tour auf die Probe gestellt. In jenem Sommer schallte „House of the Rising Sun“ aus jedem amerikanischen Autoradio. Die Tour der Animals begann mit ihnen als Headliner im Paramount Theatre am New Yorker Time Square. Es war eine Galavorstellung für die zu Besuch weilenden jungen Briten – jedoch weniger für Little Richard und Chuck Berry, die für sie den Abend eröffnen mussten.
Auf der Tour machte Grant die schockierende Entdeckung, dass Arden für die Animals zwei unterschiedliche Verträge mit der William Morris Agency abgeschlossen hatte. Die Band hatte einen Vertrag über 1.200 Dollar pro Abend unterzeichnet, doch Arden hatten noch einen separaten Deal mit der Agentur und erhielt von ihr die drei- bis vierfache Summe: „Es gab zwei verschiedene Verträge, die beide auf Papier der William Morris Agency aufgesetzt waren, was ich nie hinterfragt hatte. Und schon bald war die Kacke am Dampfen.“
Hinter der Bühne im Paramount wurden Grant, Mike Jeffery und die Animals angeblich Allen Klein vorgestellt, einem Buchhalter aus New Jersey, der seit kurzem den Soulsänger Sam Cooke als Business-Manager betreute. Klein war ein großer Opportunist und wusste über jenes Phänomen, das die amerikanische Presse als „British Invasion“ bezeichnete, nur allzu gut Bescheid. Im Verlauf der nächsten Jahre sollte er sämtliche Großkaliber der britischen Szene becircen – die Beatles, die Stones, die Kinks und The Who. Aber alles fing mit den Animals an.
Als er noch als Buchhalter für Plattenfirmen und Musikverlage die Bilanzprüfung durchführte, fiel Klein auf, wie wenig Geld letztendlich bei den Musikern selbst landete. Auch stellte er seinen Eifer unter Beweis, indem er Morris Levy, dem Boss von Roulette Records, der Verbindungen zur Mafia hatte, auf die Schliche kam. Beeindruckt von Kleins Hartnäckigkeit und Chuzpe freundete Levy sich mit dem Prüfer an. Diese Beziehung sollte Klein später noch sehr zugute kommen.
Allen Klein wusste, was Popstars und ihre Betreuer nicht wussten – oder schlicht ignorierten: dass ihre Plattenfirmen sie über den Tisch zogen. Sein Angebot war simpel. Er schlug vor, die Verträge der Animals neu zu verhandeln und alle, Peter Grant eingeschlossen, zu reichen Männern zu machen. Klein wollte auf eine Gebühr verzichten und stattdessen nur eine Provision einbehalten. Wenn sein Plan fehlschlagen würde, hätten sie zumindest nichts verloren. Als Zeichen seines guten Willens versprach er Grant und Mike Jeffery, für einen Auftritt der Animals im neuen Film von Nancy Sinatra, Get Yourself a College Girl, eine Gage in Höhe von 10.000 Dollar herauszuschlagen. Klein hielt Wort. Nur kurze Zeit später flog er nach London, um sich mit Mickie Most zu treffen.
Inzwischen hatte Most Platten für die Animals, die Nashville Teens und Hermanʼs Hermits produziert. Bei Letzteren handelte es sich um eine Gruppe aus Manchester, die mit „Iʼm Into Something Good“ einen Hit gehabt hatte und nun dasselbe in Amerika erreichen wollte. Allerdings machte Most kein Geld. Stattdessen musste er amerikanische Labels förmlich anbetteln, seine Singles zu übernehmen, und verdiente bloß magere fünfzig Prozent Tantiemen an den US-Verkäufen. Somit lief Klein mit seinen Versprechungen vom großen Geld bei ihm offene Türen ein.
Allen Kleins Meeting mit Mosts Finanziers bei EMI in London war von Sturheit und Bullshit geprägt. Tatsächlich konnte sich Klein kaum die Flugkosten oder seine Suite im Grosvenor Hotel leisten. Mehr Schein als Sein, gelang es ihm dennoch sein Image als amerikanischer Geldsack mit geheimer Mafia-Connection zu etablieren. Gleich zu Beginn schlug er eine Tasse Tee aus und erklärte, dass Mickie Most jeglichen existierenden Vertrag ignorieren würde, wenn er nicht mehr Geld bekäme. Kleins durch und durch englische Gastgeber waren völlig perplex. Noch mehr erstaunte sie, dass ihn selbst ihre Androhung rechtlicher Schritte kaltzulassen schien. Niemand hatte bis dahin den obersten Entscheidungsträger von Großbritanniens größter Plattenfirma auf so eine Art und Weise herausgefordert. Plötzlich verschoben sich die Fronten zwischen den Künstlern und dem Label.
Im Hause EMI war man zwar von Kleins Verhalten und Einstellung angewidert, ging aber trotzdem auf seine Forderungen ein. Mickie Most ernannte Klein daraufhin zu seinem Geschäftsführer und sicherte sich einen besseren Vertrag, höhere Tantiemen und die Möglichkeit, in Amerika auch für andere Firmen Acts produzieren zu dürfen. Klein hatte sein Versprechen somit gehalten und kassierte bei allen zukünftigen Produktionen von Mickie Most eine saftige Provision, was den Produzenten später noch in Bedrängnis bringen sollte.
Vor allem Kleins spätere Geldgeschäfte mit den Beatles waren es, die ihn als skrupellosen Erbsenzähler entlarvten, der damit seinen Teil zum Untergang der größten Popgruppe der Welt beitrug. Und doch war sein Coup im Namen von Mickie Most ein Vorbote dessen, was Peter Grant für Led Zeppelin erreichen sollte. Klein demonstrierte Grant, dass Künstler über Macht verfügten.
Diese Bereitschaft, es einfach mal darauf ankommen zu lassen, war etwas, worin Grant später besonders brillieren sollte. „Das war die Essenz von Peters Genie“, glaubt Abe Hoch, ein früherer Vizepräsident von Swan Song Records. „Wenn man einen Klienten hat, der willens ist, auch mal ‚Fickt euch!‘ zu sagen und die Tür hinter sich zuzuknallen, dann verfügt man über unvorstellbare Macht.“
Grant lernte von Klein, so wie er auch schon bei Arden gelernt hatte, nur waren Dons Tage nun eben gezählt. „Es war Peter Grant, der mich davon in Kenntnis setzte“, so Arden. „Teil seines Jobs bei den Animals war es, die Kohle einzutreiben und sie dann bei mir abzuliefern. Als er nun in London eintraf, behauptete er, er hätte keine. Er sagte, die Band wäre von Allen Klein abgeworben worden und ich müsste mich mit ihm unterhalten.“
Das falsche Spiel rund um den Vertrag der Animals war eine Sache, aber Arden hatte außerdem versäumt, Grant und Mark Wildey ihre Provisionen auszuzahlen. Don schuldete Peter nun 1.800 Pfund. Jahre später, als Arden in Los Angeles lebte und Grant am Sunset Strip erspähte, rief er ihm von der anderen Straßenseite aus zu: „Mach dir keine Sorgen, Peter, der Scheck ist schon in der Post.“ Das wurde schon bald zum Running Gag.
Grant zürnte ob der groben Ungerechtigkeit, bis ein Freund, der Agent Harold Davison, ihn beiseite nahm und ihm riet, es als Lehrgeld zu sehen. Grant ließ Don Arden hinter sich, sollte aber die nächsten zwanzig Jahre damit verbringen, diesem Geld hinterherzurennen.
Laurence Myers traf Grant zum ersten Mal 1965. Myers war der Buchhalter der Rolling Stones und erinnert sich, wie er mit Mick Jagger einst über den Ruhestand diskutierte. „Er sagte zu mir: ‚Laurence, es ist ja nicht so, als würde ich mit 50 immer noch Rock’n’Roll machen.‘“ Mickie Most engagierte ihn dafür, dass er sich ums Finanzielle kümmerte und überschrieb ihm anstelle eines Gehalts zehn Prozent seiner Firmen.
Myers hatte Allen Kleins Unterredung mit EMI beigewohnt und war erneut mit von der Partie, als Most und Grant versuchten, ausstehende Gelder bei Don Arden einzutreiben: „Mike Jeffery informierte Mickie, dass es eine Diskrepanz in den Büchern der Animals gäbe und Don ihnen noch etwas schuldete. Also bat er Mickie und Peter, sich darum zu kümmern.“ So erhielt er einen Einblick in Grants Arbeitsweise.
Die drei Männer erschienen vor Ardens Büro und warteten, bis er fertig telefoniert hatte. „Ich konnte Don am Telefon schreien hören: ‚Ich breche dir deine verdammten Beine!‘ Ich war doch bloß ein Buchhalter. Wo hatte ich mich da nur hineinmanövriert? Vorab hatte Peter noch zu mir gesagt, dass es mit Don zwar ein wenig angespannt werden würde, ich mir aber keine Sorgen zu machen bräuchte. Als ob er mich davor warnen wollte, dass alles nur Show sein würde.“
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