Unter den engagierten Musikern befand sich auch der ehemalige Trompeter der Bonzo Dog Doo Dah Band, Bob Kerr. „Geoff tauchte in diesem Südlondoner Theater auf und hatte diesen Riesenkerl im Schlepptau. Er sagte: ‚Das ist Peter Grant. Er ist euer Manager‘“, erinnert sich Kerr. „Wir sahen ihn alle an und nickten ihn ab. Peter war auch nicht der Typ, mit dem man sich unbedingt streiten wollte.“
Richard Cole wurde in der Folgezeit zu Peter Grants rechter Hand und außerdem einer seiner engsten Freunde. 1967 hörte der damals 21-Jährige, dass Grant nach einem Tourmanager suchte und begab sich zum Vorstellungsgespräch. Nachdem er im Nordwesten Londons aufgewachsen war, hatte Richard zunächst Milchkästen zusammengeschweißt und sich als Gerüstbauer verdingt, bis er als Fahrer und Roadmanager für The Who und 4+2 Arbeit fand.
„Colesy kam direkt vom Gerüstbau“, erinnerte sich Grant. „Grob, ungehobelt und sympathisch. Der hatte ganz schön Schneid. Er wusste, was er tat.“
„Peter meinte, der Wochenlohn wäre 25 Pfund“, sagt Cole heute. „Ich sagte, dass ich aber 30 Pfund wollte. Entweder oder. Er ging darauf ein. Später sagte er, dass er der Meinung war, ich wäre gut darin, Geld bei Veranstaltern einzutreiben, wenn ich mich getraute, so mit ihm zu sprechen.“
Bevor er wieder loszog, gab Grant Cole noch eine Warnung mit auf den Weg. „Wenn du jemals irgendetwas weitererzählst, was du in diesem Büro hörst, schneide ich dir deine verdammten Lauscher ab.“
Trotz dieser Drohung realisierte Cole bald, dass weder Peter noch Mickie sich selbst ganz ernst nahmen. „Die halbe Zeit hatte ich keine Ahnung, worum es bei ihrem Geschäft ging“, sagt er. „Sie hatten jeder auf ihrer Seite des Raumes einen Schreibtisch. Wenn Mickie telefonierte, versuchte Peter ihn mit Grimassen abzulenken. Und umgekehrt auch, wenn Peter am Telefon sprach.“
„Damals war das ein witziges Business. Ich weiß noch, wie ich 1965 mit den Beatles im Club Scotch of St. James saß und sie es kaum fassen konnten, fürs Musikmachen bezahlt zu werden. So ging es uns allen.“
Cole schloss sich Grant für die US-Tour der New Vaudeville Band im Frühling 1967 an. Es war eine ereignisreiche Reise. Auf einer nächtlichen Busfahrt von Philadelphia nach New York schlief ihr Fahrer am Steuer ein und Bob Kerr musste einspringen, obwohl er zuvor noch nie einen Bus gelenkt hatte. Erst am New Jersey Turnpike erwachte Grant und trottete nach vorne. „Peter drehte absolut durch“, erzählt Kerr. „Er sprach danach eine Zeit lang nicht mehr mit mir.“
Unglaublich, aber wahr: „Winchester Cathedral“ kletterte in den US-Charts bis auf den ersten Platz, was zu einem heißbegehrten Auftritt in der Ed Sullivan Show und noch mehr Live-Shows führte. „An Orten wie Las Vegas und Reno, Nevada – Varietébühnen eben“, erinnerte sich Grant. „Sie waren ja nicht unbedingt eine Hard-Rock-Band.“
Der Gruppe wurde ihr Status als Kuriosität erneut in Atlantic City, einem Strandressort in New Jersey, vor Augen gehalten. Hier standen sie, umgeben von Casinos und Riesenrädern, neben Frank Sinatra Jr. und einem Pferd, das von einem Sprungturm ins kalte Nass hüpfte, auf dem Programm.
„Ein alter Bühnenarbeiter riet uns, unsere zwanzig Minuten ja nicht zu überziehen, da alle abhauen würden, um das Pferd zu sehen“, sagt Richard Cole. „Wir dachten uns: ‚Drauf geschissen.‘ Aber genau so kam es dann. Alle gingen. Dieser Gaul wurde an einem Brustgurt emporgezogen und auf seinem Rücken saß ein Mädchen. Dann stürzte es aus neun Metern Höhe in einen Wassertank.“ Es war eine Reminiszenz an die Zeiten des Varietés – jene Welt, der Grant entflohen war.
Bei einer Show in Washington wurde die Band Zeuge der Fähigkeiten ihres Managers, sich aus Schwierigkeiten herauszureden. „Es gab eine Vorschrift der Musicians Union, dass eine britische Band nur dann in Amerika spielen durfte, wenn sie das im Austausch mit einer amerikanischen Gruppe tat“, erklärt Kerr. „Der Veranstalter wollte nun wissen, wer das in unserem Fall wäre. Wir erklärten, dass wir das nicht wüssten, doch er ließ nicht locker.“
Grant hatte offensichtlich beschlossen, sich über die Vorschrift hinwegzusetzen. Als ihn der Veranstalter noch einmal damit konfrontierte, konterte er ohne mit der Wimper zu zucken. „Peter sagte, dass wir im Austausch mit dem Count Basie Orchestra spielen würden.“ Count Basie war der Name eines beliebten amerikanischen Bandleaders. „Das war natürlich erfunden. Aber dieser kleine Typ war schrecklich beeindruckt. Da dachte ich mir: Der Kerl ist ein guter Manager, der imstande ist, praktisch zu denken.“
Da er nun nicht mehr Don Arden unterstand, war Grant ganz allein verantwortlich für Band und Tour. Von schlafenden Busfahrern über fehlende Papiere bis hin zu obskuren Tiernummern – Peter Grant kam mit allem klar. Die New Vaudeville Band bestand 18 Monate lang. Sie fabrizierte ein Album und gewann für „Winchester Cathedral“ sogar einen Oscar. Der Song wurde später immerhin noch von Frank Sinatra und Dizzy Gillespie interpretiert.
Doch bevor es dazu kommen sollte, eröffnete sich für Grant eine neue Gelegenheit. „Als wir das Projekt abschlossen“, so Bob Kerr, „plante Peter bereits das, was schließlich Led Zeppelin wurde.“
Die Popmusik hatte sich seit der Blütezeit des 2iʼs stark weiterentwickelt. 1967 wurde nun selbst die traditionelle Vinyl-Single hinterfragt. „House of the Rising Sun“ war eine der ersten 45er-Schallplatten, die die Drei-Minuten-Schallmauer durchbrachen. Ein Jahr später erschien mit Bob Dylans „Like a Rolling Stone“ ein sechsminütiges Stück vertonter Dichtkunst, das auf ein paar profunde Wahrheiten hinzuweisen schien – oder was auch immer der Hörer hineininterpretieren wollte. Wo Popmusik einst der Soundtrack zum Tanzen, Raufen oder Vögeln war, brachte sie die Hörerschaft nun auch zum Nachdenken.
Gesellschaftliche Kommentare, Politik und Drogen spielten ebenfalls eine Rolle. Der Begriff „psychedelisch“ wurde willkürlich mit allem in Zusammenhang gebracht, das den Einfluss des Halluzinogens LSD nahelegte. Im Sommer dieses Jahres veröffentlichten die Beatles mit Sgt. Pepperʼs Lonely Hearts Club Band ein Album von beispielloser Reichweite und Vorstellungskraft.
Einst galt die LP schlicht als Trägermedium für zwölf de facto zufällig zusammengewürfelte Nummern. Nun bot sie das Vehikel für eine musikalische Reise und glich somit eher einer klassischen Sinfonie. Die Rolling Stones und The Who sollten es den Beatles nachmachen und mit Their Satanic Majesties Request und The Who Sell Out ähnlich ambitionierte Alben vorlegen, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg.
Grant und Most beobachteten diese Entwicklungen. Allerdings war Mickies große Stärke nun einmal die Pop-Single und auch wenn Grant gerne den Hippie-Prinzen Donovan gemanagt hätte, so glaubte er nicht an dessen blumige Rhetorik.
Wer ihn damals in seinem Büro besuchte, erinnert sich auch daran, wie er seinen Mund unter seinem Mandarin-Bart zu einem Grinsen verzog und milde über verträumte Barden und Poeten, die die Gegend unsicher machten, zu spotten pflegte. „In der Flower-Power-Ära, als Künstler und ihre Manager Frieden und Liebe predigten, machten sich Mickie und Peter gerne über sie lustig“, erinnert sich Chris Hayes. „Sie nahmen das nicht einmal ansatzweise ernst.“
Irgendwie rollte Peter Grant aber dennoch ausgerechnet Englands führende psychedelische R&B-Gruppe in den Schoß, The Yardbirds. Dies war der wohl glücklichste Zufall in seiner bisherigen Karriere.
Die Yardbirds hatten sich fünf Jahre zuvor in den Londoner Vororten zusammengefunden und mauserten sich zur Hausband im Crawdaddy Club in Richmond, dem Dreh- und Angelpunkt der boomenden R&B-Szene. Ein ehemaliger Betreuer der Stones, Giorgio Gomelsky, managte die Band zunächst, bis er sie an einen jungen Unternehmer namens Simon Napier-Bell weitervermittelte.
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