Zwei Wochen nach dem Erscheinen der Single wurden Pink Floyd eingeladen, bei Top of the Pops aufzutreten. Andrew King sollte später sagen, dass sich Syds Verfall über die unterschiedlichen Auftritte der Band in der Show hinweg deutlich abzeichnete: zwei widerwillige Performances sowie eine Darbietung, der er ebenso fernbleiben hätte können. Peter Wynne-Willson war vor einem der Auftritte mit Syd am Trafalgar Square. „Es wurde immer später. Irgendwann sagte ich zu ihm: ‚Sollten wir nicht langsam aufbrechen?‘ Wir hielten ein Taxi an und Syd bat den Fahrer, ein ganz anderes Ziel anzusteuern.“
Norman Smith begleitete die Band in die Lime Grove Studios im Westen Londons, wo sie ihren ersten Fernsehauftritt absolvieren sollten. „Ich erklärte ihnen, dass sie zu einem Playback spielen müssten, so wie das damals alle Gruppen taten“, erinnerte er sich. „Ich glaube nicht, dass Syd sehr glücklich damit war, aber die anderen akzeptierten es. Also ließen sie sich ihre Haare waschen und Make-up auftragen. Eigentlich dachte ich, dass es Syd egal sei, wie er aussah, aber als er wieder erschien, sah er aus wie ein Popstar. Ich sagte ihm, dass er fantastisch aussähe. Er ging also geradewegs zum nächsten Spiegel, zerzauste seine Haare und wischte sich mit ein paar Taschentüchern die Schminke aus dem Gesicht … Eine Woche später, als wir zurückkehrten, passierte genau dasselbe. In der Show stand er einfach nur da und ließ seine Gitarre vor sich herunterhängen. Im Anschluss sagte ich ihm, dass er unsere Karriere ruinieren würde, wenn er so weitermachte. Aber das ging bei ihm in ein Ohr rein und beim anderen wieder hinaus.“
Die Single erreichte schließlich Platz 5 in den UK-Charts. Als die Gruppe zu einem dritten Auftritt eingeladen wurde, weigerte sich Syd. „Der Grund dafür war, dass John Lennon auch nicht bei Top of the Pops auftrat und wir das deshalb auch nicht müssten“, teilte Roger Waters dem Melody Maker mit. Sue Kingsford traf Syd an einem Nachmittag vor einem seiner Auftritte bei Top of the Pops. Sie und Jock lebten inzwischen in einer Wohnung in der Beaufort Street in South Kensington, nahe der Cromwell Road. „Auf einmal hörten wir, dass jemand gegen unsere Tür schlug“, erinnert sie sich. „Und da stand Syd. Er war barfuß, was damals zwar nichts Außergewöhnliches war, aber seine Füße waren total verdreckt und bluteten. Er sah aus, als hätte er komplett den Verstand verloren, und sagte kein Wort. Er kam herein und wir setzten ihm irgendwelche Cornflakes und eine Tasse Kaffee vor. Allerdings blieb er immer noch stumm. Er saß einfach nur da. Ungefähr eine Stunde nach seinem Eintreffen schlug erneut jemand an die Tür. Es waren ein paar von Pink Floyds Leuten, die fragten, ob Syd da wäre. Wir bejahten dies und sagten, dass er in der Küche säße und wir vermuteten, dass es ihm nicht allzu gut ginge. Sie meinten bloß, dass ihnen das scheißegal wäre. Sie schliffen ihn einfach hinter sich her. Später am Abend fand ich heraus, dass sie ihn zu Top of the Pops mitgenommen hatten. Der Grund, warum er während der Show auf einem Kissen saß, war, dass er so jenseitig unterwegs war, dass er gar nicht stehen hätte können.“
Trotz ihrer Vorstellung bei Top of the Pops lud die BBC die Gruppe ein, Ende Juli als Gäste in ihrer Radioshow Saturday Club aufzutreten. Nachdem sie ins Studio transportiert worden waren, beschloss Syd erneut, sich beteiligen zu wollen. Dieses Mal lieferte er keinerlei Erklärung. „Als wir den Anruf erhielten, dass wir an der Reihe wären, konnte niemand Syd finden“, erinnerte sich Norman Smith. „Der Portier teilte uns mit, dass er jemanden, auf den Syds Beschreibung passte, zur Türe hinausgehen hätte gesehen. Roger und ich gingen also auf die Straße hinaus und da war er auch schon. Er bog gerade um die Ecke. Das war es dann damit.“
Selbstverständlich hatte das alles negative Auswirkungen auf sein Verhältnis zum Rest der Gruppe. Aubrey „Po“ Powell, der den Van der Band fuhr, willigte ein, Syd nach einem Gig in Portsmouth an der Südküste zurück nach London zu chauffieren. „Die anderen wollten ihn nicht wirklich bei sich haben. Ich weiß noch, dass es wie aus Eimern goss. Er rauchte einen Joint und muss ungefähr zwei Stunden lang durchgelacht haben. Allerdings sprach er kaum etwas. Er verlor offenbar langsam den Verstand.“
Im August gab Blackhill gegenüber der Presse eine Erklärung ab, nachdem Pink Floyd mehrere Konzerte abgesagt hatten. „Es stimmt nicht, dass Syd die Band verlassen hat“, erklärte Andrew King dem New Musical Express. „Er ist müde und erschöpft, weshalb ihm geraten wurde, sich zwei Wochen lang zu erholen.“
Peter Jenner suchte Rat bei Sam Hutt. Hutt hatte in jenem Sommer gerade sein Medizinstudium abgeschlossen und machte sich nun einen Namen als Londons hipster Arzt. „Es gab da diese Idee, Syd zum ‚lieben Onkel Doktor‘ zu schicken“, erzählt Hutt heute. „Schließlich wusste ich ja alles über Drogen und nahm sie auch selbst, ohne dabei aus dem Ruder zu laufen.“
Hutt hatte sich inzwischen eine Finca auf Formentera gemietet. Die Insel repräsentierte für all jene, die es nicht in den Osten verschlug, das westliche Ende ihrer Hippie-Route. Syd und Lindsay, Richard und Juliette, Sam, dessen Frau und ihr junger Sohn begaben sich schließlich für zwei Wochen dorthin. Später schlossen sich auch noch Roger und Judy Trim an, die aber auf dem benachbarten Ibiza wohnten. Der Plan bestand darin, Barrett „zurückzuholen“, ihn dazu zu bewegen, Gitarre zu spielen, sich in der Sonne zu entspannen und das Leben zu genießen. Syd folgte diesen Vorgaben pflichtbewusst und schien während des Urlaubs phasenweise recht zufrieden. Allerdings gab es da auch einen Haken, wie sich Hutt erinnert: „Er zog sich ständig LSD rein.“
Die mediterrane Idylle wurde auch regelmäßig von Gewittern heimgesucht, was nicht gerade dazu beitrug, Syds angeschlagene Psyche zu schonen. „Das Wetterleuchten hinter den Wolken erhellte den ganzen Himmel“, erinnert sich Hutt. „Auch wenn man nichts genommen hatte, konnte einen das in Aufruhr versetzen. Nun füge dieser Gleichung noch Acid hinzu: Syd ging im wahrsten Sinne des Wortes die Wände hoch. Er krallte sich in die Wand, während er sich vom Boden lösen wollte.“
„Ich fand es total beschissen.“ Pete Townshend von The Who gehörte zu jenen, die The Piper at the Gates of Dawn nach seiner Veröffentlichung im August nicht vom Hocker reißen konnte. Townshend bemängelte in erster Linie, dass die Platte der Live-Show der Gruppe und der für sie typischen „Wall of Sound“ nicht gerecht wurde. Doch Norman Smith hatte nur getan, worum man ihn gebeten hatte. Er hatte die exzessiveren Seiten der Band abgeschliffen und Peter Jenner dabei geholfen, seinen Traum von einer Avantgarde-Popgruppe zu verwirklichen. Nur zwölf Monate zuvor hatte Pink Floyds Repertoire noch Songs wie „Louie Louie“ umfasst. Doch auf ihrem ersten Album war kaum noch etwas vom Blues-Einfluss der Band zu hören. Richard Wrights Vorlieben für klassische Musik und Jazz scheinen an dessen Stelle gerückt zu sein, wobei sein Keyboard die Lücken füllte, an denen üblicherweise eine Leadgitarre zu hören gewesen wäre, wodurch die Platte über weite Strecken hinweg eine sinistre Unterschwelligkeit erhielt. Auch wenn Songs wie „Bike“, „The Gnome“ und „Flaming“ um Kinderreime herum entstanden zu sein schienen („Watching buttercups come to life … sleeping on a dandelion“), vermittelten „Matilda Mother“ und „The Scarecrow“ doch auch eine gewisse Bedrohlichkeit – wie vertonte Märchen der Gebrüder Grimm. „Lucifer Sam“ wird erfüllt von einem Sixties-Agentenfilm-Thema. Auch findet darin Jenny Spires in Gestalt von „Jennifer Gentle“ Erwähnung.
Nächtliche I Ging-Sessions in der Earlham Street fanden ihren Niederschlag in „Chapter 24“, das von dröhnenden Keyboards und Percussion getragen wird, während die Band zusätzlich noch Gebrauch von den abstrusen Musikinstrumenten machten, die so im Studio herumlagen. „Interstellar Overdrive“ und „Astronomy Domine“ waren hingegen in einer tristeren, lärmigeren Ecke angesiedelt. Zweiterer Song ähnelte in den Worten Nick Masons dem, „was Roy Lichtenstein in seine Bilder einfließen ließ“. Er klang, als ob Pop Art und Science Fiction zu einem Rocksong kombiniert worden wären – ein Eindruck, der noch dadurch verstärkt wurde, dass Peter Jenner durch ein Megaphon aus einem Kinderbuch über die Planeten astronomische Koordinaten vorlas, während Roger Waters primitive Bassläufe beisteuerte.
Читать дальше