Zwei der Leute, die Syd in der Cromwell Road gelegentlich um sich hatte, waren unter den Namen „Mad Sue“ und „Mad Jock“ bekannt. Im realen Leben hieß „Jock“ eigentlich Alistair Findlay. „Sue“, seine damalige Freundin, hieß mit bürgerlichem Namen Susan Kingsford. Sie war Model und kannte Barrett und Gilmour noch vom Cambridge Technical College. Nachdem sie in einer TV-Werbung für einen Schokoriegel aufgetreten war, verschlug es sie nach London, wo sie sich mit einem weiteren Bewohner der Cromwell Road zusammentat, der für Robert Fraser arbeitete, jenem Galeristen, der zusammen mit einigen der Stones wegen Drogen hochgenommen wurde. Dieser Freund „ließ sich mit den Drogen-Leuten ein“, wie Sue heute erzählt, „und ich ließ mich mit ihm ein“. Sie hatte auch einen Kurzauftritt in Peter Whiteheads Filmmaterial, das er bei „The 14-Hour Technicolor Dream“ drehte. Ihr zufolge trägt sie darin „einen Bisammantel – und sonst nichts“, hält eine Narzisse und lächelt selig.
„Ich erinnere mich an Sue und Jock“, sagt Mick Rock. „Sue war dieses unglaublich hübsche Mädchen, das zu viel Acid eingeworfen hatte.“ Duggie erinnert sich hingegen, dass Sue eigentlich nicht wirklich verrückt war, sondern „möglicherweise nur ein wenig exzentrisch“. Zwar gibt sie zu, dass sie erstaunliche Mengen LSD konsumiert habe („Wir nahmen es ständig“), jedoch besteht Sue darauf, dass sie nie jemandem etwas in den Drink gekippt habe. „Warum hätte irgendjemand so etwas tun sollen?“, betont sie. „Wenn man damals Acid nahm, dann war das alles eine ernste Angelegenheit. Man lauschte den Klängen von Bach, sah sich Kenneth Angers aktuellsten Film an oder las im Tibetanischen Totenbuch.“
„Jemandem etwas unterzujubeln, war ein schreckliches Verbrechen“, gab Alistair Findley gegenüber Barretts Biografen Tim Willis zu Protokoll. „Das tat man einfach nicht.“
„Wenn sie wirklich allen etwas in die Drinks kippten“, fragt Duggie Fields, „warum dann eigentlich nicht auch mir? Das kam nämlich nie vor.“
Was auch immer seine späteren Probleme gewesen sein mögen, Syd war definitiv geistig auf der Höhe, als er begann, an Pink Floyds erstem Album zu arbeiten. Die Band fand sich zu diesem Zweck in den Abbey Road Studios ein, die dem EMI-Konzern gehörten. In dieser Einrichtung, die weltweit als eine der besten ihrer Art galt, herrschte Zucht und Ordnung: Techniker in weißen Labormäntelchen waren zur Stelle, um bei etwaigen Fehlfunktionen der Ausrüstung auszuhelfen, und Tape-Operators und Toningenieure erlernten dort die Kniffe ihrer Zunft – von der Positionierung der einzelnen Mikros bis hin zur korrekten Methode, ein Kabel aufzurollen. Am besten aber war wohl der inspirierende Mix von Musikern, der dort täglich aus und ein ging. Der damalige Tape-Operator und spätere Toningenieur Jeff Jarratt erinnert sich: „Du bist am Morgen zur Tür hereingekommen und hast den Komponisten und Dirigenten Otto Klemperer im Studio One vorgefunden. Die Beatles waren gleichzeitig im Studio Two und Pink Floyd belegten Studio Three.“
Getreu der Firmenlinie wurde Pink Floyd der A&R-Mann Norman Smith als Produzent zugeteilt. Er war ein adretter ehemaliger Angehöriger der Luftstreitkräfte sowie ein erfahrener Jazz-Musiker und half gelegentlich bei den Beatles als Toningenieur aus. „Er war ein Vertreter der alten Schule und hatte einen sehr trockenen Sinn für Humor“, erinnert sich Roger Waters. „Außerdem erweckte er stets den Eindruck, ein alter Entertainer zu sein. Ich mochte ihn wirklich sehr.“
Die Sessions für das Album, das schlussendlich The Piper at the Gates of Dawn heißen sollte, begannen im Januar 1967 im Studio Three. In den nächsten paar Monaten sollten immer wieder die Beatles im Studio Two nebenan an ihrem nächsten Album, Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, arbeiten. Smith hatte Pink Floyd bezüglich seiner Qualifikationen nicht im Unklaren gelassen, doch gestaltete sich die Zusammenarbeit nicht immer einfach. Um das Eis zu brechen, setzte sich der Produzent ans Klavier und hämmerte auf die Tasten ein, woraufhin die Band einstieg. Diese Jam-Sessions erfüllten zwar ihren Zweck, doch war Syd weniger offen, wenn es darum ging, sich wegen seiner eigenen Musik Ratschläge erteilen zu lassen. „Mit Syd war es, als würde man gegen eine Ziegelmauer anreden“, erklärte Smith. „Er nahm einen Take auf und kam in den Regieraum, um reinzuhören. Ich machte ihm ein paar Vorschläge und er nickte bloß. Er reagierte nicht wirklich und nahm einfach einen weiteren Take auf, der sich exakt gleich wie der erste anhörte. Roger war sehr hilfsbereit und die anderen waren absolut in Ordnung, Rick war sehr entspannt. Aber was Syd anging, so begriff ich, dass ich meine Zeit vergeudete.“ Jeff Jarratt war bei den Sessions in seiner Rolle als Tape-Op mit dabei. „Meine Erinnerungen unterscheiden sich von Normans“, erklärt er. „Syd war ganz klar der kreative Antrieb der Band. Ich fand ihn fantastisch. Als ich gebeten wurde, die Sessions zu betreuen, sah ich mir Pink Floyd live an und war total hin und weg. Es war alles so frisch und aufregend. So etwas hatte ich noch nie gehört. Norman leitete sie an, damit ihr Material auf Platte so gut wie möglich klang. Also kann es schon vorgekommen sein, dass er Dinge sagte, mit denen er ihre Denkweise in Frage stellte.“ Waters sieht die Sache ähnlich: „Obwohl Syd viel auf LSD war, gab es zu diesem Zeitpunkt keine wirklichen Probleme mit ihm.“ Dennoch waren alle der Meinung, dass die abgefahreneren musikalischen Ideen der Band sich nicht mit der traditionellen Herangehensweise von Smith vertrugen.
„Ich war nicht allzu vertraut mit der Art von Musik, die sie spielten“, gab Norman zu. „Psychedelische Musik war nicht mein Ding. Ich war jedoch der Ansicht, dass es mein Job war, sie dazu zu bewegen, etwas melodischer zu denken.“ Was das betraf, so war Smith durchaus erfolgreich dabei, die Band „von den Ausschweifungen der Live-Konzerte“, wie Peter Jenner dies bezeichnet, abzubringen. Stattdessen wurden improvisationslastige Nummern wie „Pow R. Toc H.“ auf eine überschaubare Länge gekürzt, obwohl Pink Floyd mit der 9 Minuten und 41 langen Version von „Interstellar Overdrive“ auch ein musikalischer Streifzug in der Art ihrer Live-Shows gestattet wurde. Laut dem mittlerweile verstorbenen Abbey-Road-Toningenieur Pete Brown war dies der erste Song, den er die Band proben hörte, als er mit der Arbeit am Album begann. „Ich öffnete die Türe und schiss mir fast in die Hosen“, erinnerte er sich Jahre später. „Jesus, war das laut. So etwas hatte ich eigentlich noch nie gehört.“
„Peter Brown war eine unglaubliche Type“, erinnert sich Jeff Jarratt. „Ein lustiger, extrovertierter Kerl. Er war älter als die Band, aber er war gegenüber neuen Ideen sehr aufgeschlossen.“
„Peter hatte eine viel kreativere Grundeinstellung als vielleicht Norman“, meint Peter Jenner. „Außerdem war er extrem schwul – superschwul sogar –, was damals recht ungewöhnlich war.“ Andrew King erinnert sich daran, dass Brown am Mischpult saß und seine Fingerspitzen mit einer Paste präparierte, die zur Behandlung von Schnitten und Kratzern gedacht war, da er sich Sorgen machte, die endlosen Sessions würden durch Überbeanspruchung bleibende Spuren hinterlassen.
Geschichten von Aufeinandertreffen zwischen Pink Floyd und den Beatles während dieser Sessions sind von zweifelhafter Authentizität. Sie reichen von „rein fiktiv“ – Barrett spielte nicht heimlich auf Sgt. Pepper – bis hin zu „recht banal“, wie etwa jene, derzufolge die Floyds eingeladen worden seien, die Beatles zu treffen und dabei auf einen übelgelaunten Lennon und einen fröhlichen McCartney getroffen seien. Nick Mason schrieb davon, bescheiden dabeigesessen zu haben, als die Beatles gerade an einem Mix von „Lovely Rita“ arbeiteten. Norman Smith fügte dem Sammelsurium von Geschichten noch eine weitere hinzu. Er habe sich gerade im Studio Three aufgehalten und zu Beginn der Piper-Sessions versucht, eine persönliche Beziehung zu Pink Floyd aufzubauen, als angeblich Folgendes passierte: „Die Tür öffnete sich und niemand anderer als Paul McCartney betrat den Raum. Er stellte sich ihnen vor, obwohl sie klarerweise wussten, wer er war. Dann, als er wieder ging, tippte er mir auf die Schulter, und sagte zu ihnen: ‚Mit diesem Kumpel hier könnt ihr nichts falsch machen.‘ Ich denke, das beeindruckte die Jungs.“
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