Der Nachbar kann hier die Verletzung eigener Rechte aus § 4 Gaststättengesetz geltend machen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass von dem Betrieb schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen. Materiell-rechtlich hat er die Möglichkeit, die Richtigkeit der Prognose überprüfen zu lassen.
Zu empfehlen wäre, auch einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht zu stellen, um zu verhindern, dass die Behörde die Entscheidung verschleppt, wie sie es hier zugunsten des Schankbetriebs getan hat.
Wie geht es weiter?Bei einer erneuten Gestattung des Ausschanks müssen entsprechende Schutzvorkehrungen oder Betriebsauflagen – etwa auch zeitliche Beschränkungen – geprüft werden.
„Ich habe keinen Konflikt“, behaupten viele, obwohl der Streit von außen betrachtet ganz offensichtlich ist. Emotionen kochen hoch. Man fühlt sich ungerecht behandelt oder hilflos – das löst Wut aus.
„Was bildet der sich ein?“oder „Was denkt der, mit wem er es zu tun hat?“ – Das sind die Fragen, die jetzt aufkommen. Man will sich dem Gegner nicht länger unterordnen und das Gefühl der Hilflosigkeit mit einer Machtdemonstration kompensieren. Wenn man sich selbst die Macht nicht zutraut, den anderen zu unterwerfen, bietet es sich an, stellvertretend eine Anwältin oder einen Anwalt „in die Schlacht“ zu schicken.
Um uns derartige Fälle genauer anschauen zu können, müssen wir zunächst ein paar Begriffe definieren. So ist schon auf sprachlicher Ebene zwischen einer Auseinandersetzung, einem Streit und einem Konflikt zu unterscheiden:
Die Auseinandersetzungist der Austausch über ein Problem. Ohne sich und die gegnerische Streitpartei mit dem Problem zu konfrontieren, lässt es sich kaum lösen. Die Auseinandersetzung mit dem Gegner erfolgt in Gesprächen. Das sachliche, von Emotionen befreite Verhandeln ist die beste Form der Streitbeilegung. Zugegebenermaßen setzt sie eine Einsichtsbereitschaft und -fähigkeit voraus, die bei manchen Nachbarn nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann.
Beim Streitkommen emotionale Komponenten hinzu. Die Auseinandersetzung entwickelt sich zu einem hitzigen Wortgefecht, bei dem es sogar zu Handgreiflichkeiten kommen kann.
Für den Konfliktgibt es kein Verb. Mithin beschreibt der Konflikt nicht die Ausprägung, sondern die Ursache oder den Hintergrund für den Streit. Ein Konflikt kann zu einem Streit führen, so wie sich aus einem Streit ein Konflikt entwickeln kann. Die den Konflikt kennzeichnenden, widerstreitenden Auffassungen bilden einen Widerspruch, der seinen Ausdruck in dem zu lösenden Problem findet.
Das Wort Konflikt
stammt vom Lateinischen „conflictus“ ab und bedeutet Zusammenstoß. Es beschreibt ein Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen oder Interessen, aus dem sich eine schwierige Situation ableitet, die zum Zerwürfnis führen kann.
Das Problem definiert also die zu lösenden Sachfragen. Der Konflikt ist Hintergrund oder Folge. Er drückt sich meist in den damit einhergehenden Emotionen aus und hat oft mit der Art und Weise zu tun, wie die Nachbarn ihre Beziehung einschätzen. Basiert die Beziehung auf unterschiedlichen Sichtweisen oder wird sie unterschiedlich eingeschätzt, entstehen Spannungen, die sich in einem Konflikt ausleben können.
Es liegt auf der Hand, dass die Auseinandersetzung, also die Verhandlung, stets die optimale Form der Problemlösung darstellt. Die Auseinandersetzung garantiert eine sachgerechte Abwicklung jenseits von Gefühlen und Emotionen.
Sobald Emotionen hinzukommen, treten jenseits der Sachfragen liegende Motive in den Vordergrund. Wie damit umzugehen ist, soll im folgenden Kapitel dargestellt werden. Bevor es dazu kommt, sollte man immer zunächst in sich gehen und sich fragen, ob das Problem überhaupt eine Herausforderung ist, der man sich zu stellen hat.
Habe ich überhaupt einen Konflikt?
Die Betonung der Frage liegt auf dem Wort „ich“. Der Andere ist zweifellos der Konfliktveranlasser. Die Gefühle entstehen aber in mir selbst. Wer hat also jetzt den Konflikt?
Die Frage nach dem Konfliktist nicht immer leicht zu beantworten. Immerhin leben Nachbarn in einer sozialen Beziehung. Soziale Beziehungen sind solche, die einen dauerhaften Rahmen haben und nicht zufällig sind, wie etwa die von Passanten in einer Fußgängerzone.
Wenn hier von Beziehungen die Rede ist, bedeutet das nicht, dass es intakte und gute Beziehungen sein müssen. Auch Nachbarn, die nichts miteinander zu tun haben, befinden sich in einer Beziehung. Markant bei sozialen Beziehungen ist stets, dass die Beziehungspartner voneinander lernen. Mit der Zeit kann man den Nachbarn einschätzen. Auch Streitparteien gehen eine soziale Beziehung miteinander ein, bei der sie die jeweilige Gegenseite einzuschätzen lernen und sich auf das Streitverhalten einstellen. Machen Sie sich also bitte bewusst, dass Sie immer auch ein Teil des Spiels sind. Denn so, wie Sie den Nachbarn einschätzen, kann der Nachbar das auch. Jede Aktion ruft eine Reaktion hervor, und Ihre Reaktion könnte aus Sicht des Nachbarn die Aktion sein, die wiederum seine Reaktion veranlasst.
Gar nicht auf Störungen zu reagieren, ist auch eine Reaktion. Aber was bedeutet sie? Ganz nach dem Grundsatz „Es gibt keine Nichtkommunikation“, wird Ihr Nachbar Ihr Verhalten interpretieren. Möglicherweise fühlt er sich dadurch in seinem eigenen Verhalten bestätigt. Ganz nach dem Motto: „Wer nicht widerspricht, stimmt zu!“
Gar nicht auf Störungen zu reagieren, ist auch eine Reaktion.
Es steht zu befürchten, dass er sich dadurch in der Zukunft zu weiteren Übergriffen ermächtigt fühlt. Aber wer weiß das schon? Deutlich wird, dass es sich um eine klärungsbedürftige Situation handelt. So wie die Grundstücksgrenzen geklärt sein sollten, müssen auch die persönlichen Grenzen geklärt sein. Und nicht nur das.
Aber eines nach dem anderen. Achten Sie immer zuerst auf sich selbst, bevor Sie dem Nachbarn zu viel Aufmerksamkeit widmen.
Im Konfliktfall sollten Sie stets folgende Fragen klären, bevor Sie irgendetwas unternehmen:
Habe ich ein Problem?
Ohne Problem besteht kein Handlungsdruck. Um die passende Reaktion zu finden und kreative Lösungen zu ermöglichen, muss man sich darüber klar werden, was genau das Problem (die zu entscheidende Frage) ist und warum es eine ganz bestimmte Wirkung auf einen selbst hat. Die Betonung liegt auf dem Wort „genau“. Kommen Gefühle hinzu, sollten sie von den Sachfragen getrennt werden. Ist das Problem gefunden, sollte die nächste Frage lauten, warum das nicht gelöste Problem bei Ihnen selbst Emotionen auslöst. Die Emotionen geben einen Hinweis auf den eigentlichen Konflikt.
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