Streitigkeiten mit zivilrechtlichem Bezug
Nachbarrechtliche Streitigkeiten enden bei privatrechtlichen Auseinandersetzungen vor dem Zivilgericht. In Ausnahmefällen kann auch die Polizei hinzugezogen werden.
Auseinandersetzungenkönnen schon allein dadurch entstehen, dass zwei Grundstücke direkt nebeneinanderliegen. Wenn zum Beispiel einer der Nachbarn einen Zaun zieht, damit nur noch von ihm Befugte sein Grundstück betreten oder auch darüberfahren können, kann dadurch dem Nachbarn unter Umständen jegliche Möglichkeit genommen werden, sein Grundstück zu erreichen. In anderen Fällen muss das Nachbargrundstück wegen Reparaturarbeiten betreten werden, was vom anderen Nachbarn verhindert wird.
Streit mit dem Nachbarn kann sich auch aus der Anlage und Pflege der einzelnen Gärten ergeben. Der eine liebt Naturgärten, während der andere seinen Rasen und die Beete und Rabatten akkurat hegt und pflegt. Unerwünschter Samenflug oder Blattfall, über die Grenze wachsende Äste, Zweige oder Wurzeln belästigen dann den ordnungsliebenden Nachbarn. Auch Dekorationsstücke wie Gartenzwerge und Ähnliches können stören oder sogar beleidigen.
Ärger verursachen dann auch die Bewohner des Grundstücks. So, wenn Lärm vom Nachbargrundstück beim Mittagsschlaf stört, oder, wenn abends lautstark gefeiert wird, auch während der Nachtruhe. Zusätzliche Belästigungen durch Rauch und Gestank ergeben sich bei Grillfesten, so wie auch die Tiere des Nachbarn stören können, zum Beispiel durch Hundegebell oder durch Streunen auf dem Nachbargrundstück und „Hinterlassenschaften“, die dann beim Rasenmähen unerwünscht umherfliegen.
In Mehrfamilienhäusern, in denen die Menschen noch näher nebeneinander leben, gibt es neben den Lärmbelästigungen dann oft auch Auseinandersetzungen wegen Nichteinhaltung anderer Mieterpflichten, zum Beispiel der Hausordnung.
Wenn unter den Parteien keine gütliche Einigung durch klärende Gespräche möglich ist, so hilft der Blick ins Gesetzbuch. In den §§ 903 – 924 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sind die grundsätzlichen Befugnisse eines Eigentümers festgelegt, so sind auch die Probleme von Überhang, Überbau, Notweg und die Zuführung von „unwägbaren Stoffen“ wie Schall, Rauch, Samen und Ähnlichem geregelt.
Nutzungsrechte
Die gewohnte Zufahrt zum hinteren Grundstück wird blockiert? Ein Problem, wenn dann kein Geh- und Fahrtrecht im Grundbuch steht.
Weitere Vorschriften ergeben sich aus den Ausführungsgesetzen der einzelnen Bundesländer zum BGB oder auch aus vertraglichen Vereinbarungen wie Teilungserklärung, Hausordnung und Mietvertrag.
Im Kapitel „Ziviles Nachbarrecht“ ab Seite 72werden diese Probleme im Einzelnen ausführlich behandelt, auch werden Hinweise und Tipps zum weiteren Vorgehen gegen den jeweiligen Störer gegeben.
Steigen wir also gleich mal ein in ganz typische Konflikte zwischen Nachbarn.
„Der kommt mir nicht mehr auf mein Grundstück“
Anton ist Eigentümer eines großen Grundstücks am See und teilt dieses in ein direkt am See liegendes und ein davorliegendes Grundstück zur Straße auf, das er an Bruno verkauft. Das Grundstück am See hat keinen eigenen Zugang zur Straße, weshalb Anton und seine Besucher so wie früher immer über das Grundstück von Bruno gehen oder fahren, um vor Antons Haus zu parken. Bruno geht dafür über das Grundstück von Anton zum See. Jahrelang geht dies gut.
Weil aber der Hund von Anton auf dem Grundstück von Bruno ständig sein Geschäft verrichtet und Anton sich daran stört, dass Bruno im Garten hinter seinem Haus oft unbekleidet herumläuft, kommt es zum Streit. Nach einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Anton und Bruno zieht Bruno entlang der Grenze zwischen den beiden Grundstücken auf seiner Seite einen Zaun und versperrt damit den Zugang zum Grundstück von Anton. Er baut jedoch eine kleine Tür ein, damit er durch diese über das Grundstück von Anton zum See gelangen kann.
Anton kann deshalb seitdem sein Wohnhaus weder zu Fuß noch mit dem Auto erreichen, auch können seine Besucher nicht mehr direkt zu ihm gelangen und vor seinem Haus parken. Als Rache versperrt er seinerseits Bruno den Zugang zum See.
Gesetz und Recht:Ein Blick ins BGB ergibt: Gemäß § 903 kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.
Dies bedeutet: Anton und Bruno können es jeweils verbieten, dass Unbefugte ihr Grundstück betreten. Sie können sogar Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs erstatten, wenn andere dieses Verbot missachten. Bruno kann deshalb zum Schutz seines Grundstücks auch einen Zaun ziehen. Soweit dessen Ausführung ortsüblich ist und auch sonst keinen gesetzlichen oder örtlichen Vorschriften widerspricht, benötigt er dazu auch keine Baugenehmigung.
Anton kann jedoch nicht verbieten, dass Bruno sich in seinem eigenen Garten, ohne Einsicht durch die Öffentlichkeit, nackt sonnt oder dort badet. Handlungen auf dem eigenen Grundstück, die das ästhetische oder sittliche Empfinden des Nachbarn verletzen oder sogar den Verkehrswert des Nachbargrundstücks mindern, sind grundsätzlich nicht als Beeinträchtigung zu werten (RG 76, 130/32; BGH 95,307). Hier ist aber letztlich der Einzelfall entscheidend.
Anton kann jedoch nun nicht mehr sein eigenes Grundstück erreichen. Üblicherweise wird deshalb bei der Teilung von Grundstücken in ein Vorder- und ein Hinterliegergrundstück zugunsten des Hinterliegers ein Geh- und Fahrtrecht gemäß § 1018 ff. BGB vereinbart und dieses auch im Grundbuch eingetragen, wobei der Umfang der Nutzung und oft auch eine Beteiligung am Unterhalt des Weges dann einzelvertraglich ausgehandelt werden. Besteht ein solches im Grundbuch eingetragenes Geh- und Fahrtrecht, darf Anton auch über das Grundstück von Bruno gehen und fahren, wie dies auch seine Besucher dürfen.
Im vorliegenden Fall hat Anton bei der Aufteilung der Grundstücke vergessen, sich ein solches Geh- und Fahrtrecht zu sichern. Er ist aber der Ansicht, dass Bruno es weiterhin dulden muss, dass er über dessen Grundstück zu seinem eigenen Haus fährt, schließlich sei dies schon jahrelang so üblich und er habe deshalb bereits aus Gewohnheit dieses Recht. Gemäß Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH V ZR 155/18) müssen Dienstbarkeiten gemäß §§ 1018 ff. BGB wie ein Geh- und Fahrtrecht im Grundbuch eingetragen werden, um wirksam zu sein. Ein Gewohnheitsrecht gibt es hier nicht.
Anton hat deshalb nur noch ein Notwegerecht gemäß § 917 BGB. Danach kann ein Grundstückseigentümer vom Nachbarn verlangen, dass er dessen Grundstück als Zugang beziehungsweise Zufahrt benutzen darf, wenn seinem Grundstück die notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt und er somit sein Grundstück nicht mehr ordnungsgemäß benutzen kann.
Art und Ausmaß dieser Nutzung müssen begründet notwendig sein, bei einem Wohngrundstück ist auch die Zufahrt für Kraftfahrzeuge zur Erreichbarkeit des Grundstücks notwendig (BGH NJW-RR 09/515). So muss es auch möglich sein, dass zum Beispiel Lieferanten für Heizstoffe oder auch Krankenwagen das Anwesen von Anton erreichen können.
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