Er ließ Angies Arme fallen und ging in sein Zimmer zurück. Es tat ihm innerlich weh, Pegs zugerichteten Körper zu sehen; die klaffende Wunde in ihrem Brustkorb wirkte groß und schmerzhaft. Aber sie war alt, dachte er. Vielleicht war es das Beste, dass sie gestorben war.
Teddy zog ihr das Messer aus der Brust und trug den leblosen Torso durch die Küche in den Hinterhof. „Es tut mir leid, Peg“, sagte er in ihr lebloses, auf Plastik gemaltes Gesicht. Er wollte sie nicht sofort begraben – sondern erst einmal seine Idee ausprobieren. Erst wenn es geklappt hatte, wollte er ihren Körper zur letzten Ruhe betten.
Es wurde allmählich Zeit, er musste sich beeilen. Als er zurück im Zimmer seiner Schwester war, zog er seine Jeans aus und kniete sich neben dem Leichnam nieder. Der Leichengeruch war scharf und Ekel erregend, aber er fürchtete sich zu sehr vor dem Leben. Mit lebendigen Körpern kam er einfach nicht klar. Er gehörte zu den Menschen, die lieber zuschauen. Aber nun war es definitiv zu spät, einfach nur zuzuschauen, und sie würde genau die Richtige für ihn sein. Er konnte sie ja verstecken. Genau wie Peg.
Als Teddy gerade damit beschäftigt war, in einem ungelenken inzestuösen Akt von Nekrophilie seine tote Schwester zu besteigen, bog Mutters Auto in die verrottete Auffahrt ein. Durch die schmutzige Windschutzscheibe konnte sie sehen, wie sich in der Nähe der Veranda die verfaulten Mülltüten im Unkraut stapelten. Dieser abscheuliche Teddy. Genau wie sein Vater.
Teddy stieß nur vier Mal in sie hinein, dann hörte er auf und schämte sich; er blieb aber noch ein paar Momente in ihr – er mochte das schleimige Gefühl an seinem Fleisch. Es war ihm fürchterlich peinlich, aber er mochte diesen ganzen Dreck nun einmal so wahnsinnig gern. Warum konnte Mutter seine Bedürfnisse nicht verstehen?
„Teddy, habe ich dir nicht gesagt, dass du den Müll mitnehmen sollst, wenn du aus dem Haus gehst?“, brüllte sie, während sich die Haustür öffnete und mit einem lauten Knall gegen die Wand schlug. Sie verzog ihr Gesicht, als sie eine Ratte von hier nach da hoppeln sah. Eine riesige Liste möglicher Bestrafungen benebelte ihr Bewusstsein, während sie durchs Wohnzimmer ging.
Teddy erstarrte. Wie konnte er das Mutter bloß erklären? Er musste Angie verstecken; wenn Mutter sah, was da –
„Teddy.“
Mutter humpelte in den Flur, und er schaute aus seiner schmachvollen Position zu ihr hinauf.
Sie stand direkt über ihm. Aus seinem Blickwinkel nahm ihre Erscheinung geradezu altertümliche, leviathanische Dimensionen an. Ihr Rohrstock erschien ihm so groß wie ein Baumstamm, und er rückte ihm bedrohlich nahe.
Teddy löste sich aus seiner Schreckensstarre, er sprang auf, und mit der hohlen Hand verbarg er seine unanständigen Körperteile vor Mutters Blicken.
„Teddy, warum hast du nicht den Müll weggebracht?“
„Wie bitte?“ Er war verwirrt über diese deplatzierte Frage, aus der einfach nur eine banale Mütterlichkeit zu sprechen schien.
„Na ja, sei’s drum.“ Sie versetzte Angie mit dem Rohrstock einen neugierigen Stoß. „Zieh deine Unterhose an.“
„Mutter, es war nicht meine Schuld, sie hat ...“ Er hielt plötzlich inne – Mutter konnte von Peg nichts wissen. Sie hasste Peg.
„Sie ist tot, was?“
„Mutter, ich wollte sie nicht töten.“ Das war eine Lüge.
„Du hast sie schon wieder beobachtet“, strahlte Mutter triumphierend.
„Nein, Mutter. Ich habe sie niemals beobachtet. Ich schwöre es.“
„Hast du doch. Sie hat’s mir gesagt.“
„Nein, Mutter.“ Dieses Miststück, sie hatte gepetzt. Er wünschte, er könnte sie noch mal töten; sie hatte noch viel zu wenig gelitten.
„Ich habe dir gesagt, dass du keine Schweinerei anstellen sollst. Und nun erwische ich dich, wie du es auf deiner Schwester machst. Was soll ich bloß mit so einem ungehorsamen Jungen anstellen?“
Ihre Sätze erschreckten ihn. Würde sie ihm den Fernseher wegnehmen? Würde sie ihn zwingen, wieder diese Tabletten zu essen – wie hatte sie die genannt? Salpeter? Aber damit würde er schon klarkommen. Er war darin geübt, sie unter seiner Zunge zu verstecken und sie aus dem Fenster zu werfen.
Obwohl Teddy größer war als Mutter, wurde er von ihrer Erscheinung geradezu erdrückt. Sie stieg über Angie hinweg und zog den Rohrstock; in ihrer Rage wirkte sie ungefähr genauso elegant wie eine alte Krampfader.
„Böse Jungen müssen bestraft werden. Nur so hält man die Familie zusammen.“
Mit überraschender Wucht knüppelte sie auf seinen Kopf ein, ihre Schläge gingen schnell und hart auf ihn nieder, bis er kraftlos und gedemütigt auf dem Teppich zusammenbrach.
* * *
Als Teddy wieder aufwachte und mit den Augenlidern zuckte, fühlte er einen stechenden Schmerz – er konnte sie nicht mehr öffnen, so sehr er es auch versuchte. An seiner nackten Hüfte spürte er die vertraute Kälte von Pegs künstlichem Körper, und unter sich bemerkte er lauter sandige Erde. Diese verdammte Mutter mit ihrer Näherei. Er berührte seine Augenlieder, und er wusste, dass seine Finger auf kleine, verknotete Einstiche stoßen würden, die ihm das Augenlicht raubten.
„Teddy“, rief sie von oben. „Du bist ein böser Junge gewesen. Aber nun wirst du Angie nicht mehr anschauen, dafür habe ich gesorgt. Du bist genau wie dein Vater. Er hat damals auch seine Lektion bekommen.“
Von oben hörte er, wie sie in der Erde scharrte, und er flehte um Vergebung. „Mutter, ich wollte sie nicht anschauen. Es tut mir leid. Bitte, Mutter ...“
Eine Schaufel Dreck landete auf seinem Gesicht, bedeckte seine Nase und seinen Mund; seine Arme waren so eng in das Grab gequetscht, dass er sich auch damit nicht mehr wehren konnte.
„Ich muss die Familie zusammenhalten.“
Mutter schaufelte unbeirrt das Grab voll, während Teddy verzweifelt versuchte, sich zu befreien; er wollte spucken, aber er hatte einfach zu viel Sand im Mund. Über dem Grab brabbelte seine Mutter was von Disziplin. Ihre Strafe brachte Teddy den Erstickungstod, während Tränen voller Blut aus seinen Augen sickerten.
* * *
15. März 1988
Night Terrors Magazine
1007 Union Street
Schenectady, NY 12308
Brian Warner
3450 Banks Rd. #207
Margate, FL 33063
Hallo Brian,
Vielen Dank für »Bleibt alles in der Familie«. Deine Idee gefällt mir, nur würde ich mir die Ausführung ein bisschen detaillierter und weniger oberflächlich wünschen. Du schreibst aber sehr gut und sehr überzeugend, und ich warte gespannt auf den nächsten Text, den ich von dir zu sehen bekomme. Dennoch möchte ich dich, Brian, erst einmal dringend bitten, dich mit der einzigartigen Art von Literatur vertraut zu machen, die wir veröffentlichen, indem du ein Abonnement von NT bestellst. Ich kann Dir die nächsten vier Ausgaben zum Preis von $ 12 für das erste Jahr, und zum Preis von $ 16 für jedes weitere Jahr schicken. Ich hoffe, du möchtest von dieser Ersparnis – mehr als 35 Prozent weniger als der Kioskpreis – profitieren und dich unserer kleinen Gang anschließen. Wenn du ernsthaft vorhast, deine Arbeit an NT zu verkaufen – das Honorar beträgt zweieinhalb Cent pro Wort –, dann solltest du unser Magazin unbedingt näher kennen lernen. Das ist der Schlüssel zu einem schnellen Verkauf.
Bis bald
John Glazer
Redakteur
* * *
28. März 1988
Brian Warner
3450 Banks Rd. # 207
Margate, FL 33063
John Glazer, Redakteur
Night Terrors Magazine
1007 Union Street
Schenectady, NY 12308
Sehr geehrter John Glazer,
Vielen Dank für Ihre ermutigende Antwort. Einen Scheck für vier Ausgaben von NT habe ich beigefügt. Ich bin auf die ersten Hefte schon gespannt. In der Zwischenzeit schicke ich Ihnen anbei drei neue Gedichte, die ich geschrieben habe, „Piece de Resistance“, „Stained Glass“ und „Hotel Hallucinogen“. Ich hoffe, sie entsprechen mehr Ihrem Geschmack.
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