Ich gehe von den Cometen zu einer andern, noch viel räthselhafteren Classe geballter Materie: zu den kleinsten aller Asteroiden über, welche wir in ihrem fragmentarischen Zustande, und in unserer Atmosphäre angelangt, mit dem Namen der Aërolithen oder Meteorsteine bezeichnen. Wenn ich bei diesen, wie bei den Cometen, länger verweile, und Einzelheiten aufzähle, die einem allgemeinen Naturgemälde fremd bleiben sollten, so ist dies nur mit Absicht geschehen. Der ganz individuellen Charakter-Verschiedenheit der Cometen ist schon früher gedacht worden. Nach dem Wenigen, was wir bis jetzt von ihrer physischen Beschaffenheit wissen, ist es schwer, in einer Darstellung, wie sie hier gefordert wird, von wiederkehrenden, aber mit sehr ungleicher Genauigkeit beobachteten Erscheinungen das Gemeinsame aufzufassen, das Nothwendige von dem Zufälligen zu trennen. Nur die messende und rechnende Astronomie der Cometen hat bewundernswürdige Fortschritte gemacht. Bei diesem Zustande unserer Kenntnisse muß eine wissenschaftliche Betrachtung sich auf die physiognomische Verschiedenheit der Gestaltung in Kern und Schweif, auf die Beispiele großer Annäherung zu andern Weltkörpern, auf die Extreme in dem räumlichen Verhältniß der Bahnen und in der Dauer der Umlaufszeiten beschränken. Naturwahrheit ist bei diesen Erscheinungen wie bei den nächstfolgenden nur durch Schilderung des Einzelnen und durch den lebendigen, anschaulichen Ausdruck der Wirklichkeit zu erreichen.
Sternschnuppen , Feuerkugeln und Meteorsteine sind mit großer Wahrscheinlichkeit als kleine, mit planetarischer Geschwindigkeit sich bewegende Massen zu betrachten, welche im Weltraume nach den Gesetzen der allgemeinen Schwere in Kegelschnitten um die Sonne kreisen. Wenn diese Massen in ihrem Laufe der Erde begegnen und, von ihr angezogen, an den Grenzen unserer Atmosphäre leuchtend werden; so lassen sie öfters mehr oder minder erhitzte, mit einer schwarzen glänzenden Rinde überzogene, steinartige Fragmente herabfallen. Bei aufmerksamer Zergliederung von dem, was in den Epochen, wo Sternschnuppenschwärme periodisch fielen (in Cumana 1799, in Nordamerika 1833 und 1834), beobachtet wurde, bleibt es nicht erlaubt die Feuerkugeln von den Sternschnuppen zu trennen. Beide Phänomene sind oft nicht bloß gleichzeitig und gemischt, sie gehen auch in einander über: man möge die Größe der Scheiben, oder das Funkensprühen, oder die Geschwindigkeiten der Bewegung mit einander vergleichen. Während die platzenden, Rauch ausstoßenden, selbst in der Tropenhelle des Tages Einer meiner Freunde, der an genaue trigonometrische Messungen gewöhnt war, sah in Popayan: einer Stadt, die in 2° 26’ nördlicher Breite und in 5520 Fuß Höhe über dem Meere liegt, in der Mittagsstunde, bei hellem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel, im Jahr 1788, sein ganzes Zimmer durch eine Feuerkugel erleuchtet. Er stand mit dem Rücken gegen das Fenster; und als er sich umdrehte, war noch ein großer Theil der von der Feuerkugel durchlaufenen Bahn vom hellsten Glanze. – Ich würde mich gern in dem Naturgemälde, statt des widrigen Ausdruckes Sternschnuppe , der ebenfalls ächt deutschen Wörter Sternschuß oder Sternfall (schwed. stjernfall, engl. star-shoot, ital. stella cadente) bedient haben, wenn ich es mir nicht in allen meinen Schriften zum Gesetz gemacht hätte, da, wo etwas Bestimmtes und allgemein Bekanntes zu bezeichnen ist, das Ungewöhnlichere zu vermeiden. Nach der rohen Volksphysik schneuzen und putzen sich die Himmelslichter . In der Waldgegend des Orinoco, an den einsamen Ufern des Cassiguiare, vernahm ich aus dem Munde der Eingebornen in der Mission Vasiva ( Relation historique du Voy. aux Régions équinox. T. II. p. 513) noch unangenehmere Benennungen. Sternschnuppen wurden von ihnen Harn der Sterne ; und der Thau, welcher perlartig die schönen Blätter der Heliconien bedeckte, Speichel der Sterne genannt. Edeler und erfreulicher offenbart sich die symbolisirende Einbildungskraft in dem litthauischen Mythus von dem Wesen und der Bedeutung der Sternschnuppen. »Die Spinnerinn, werpeja, beginnt den Schicksalsfaden des neugeborenen Kindes am Himmel zu spinnen, und jeder dieser Fäden endet in einen Stern. Naht nun der Tod des Menschen, so reißt sein Faden, und der Stern fällt erbleichend zur Erde nieder.« Jacob Grimm, Deutsche Mythologie 1843 S. 685. alles erleuchtenden Feuerkugeln bisweilen den scheinbaren Durchmesser des Mondes übertreffen; sind dagegen auch Sternschnuppen in zahlloser Menge von solcher Kleinheit gesehen worden, daß sie in der Form fortschreitender Punkte sich nur wie phosphorische Linien Nach dem Berichte von Denison Olmsted , Prof. an Yale College zu New-Haven (Connecticut). S. Poggend. Annalen der Physik Bd. XXX. S. 194. Kepler: der »Feuerkugeln und Sternschnuppen aus der Astronomie verbannt, weil es nach ihm Meteore sind, die, aus den Ausdünstungen der Erde entstanden, sich dem hohen Aether beimischen«; drückt sich im ganzen sehr vorsichtig über sie aus. Stellae cadentes , sagt er, sunt materia viscida inflammata. Earum aliquae inter cadendum absumuntur, aliquae verè in terram cadunt, pondere suo tractae. Nec est dissimile vero, quasdam conglobatas esse ex materia foeculentâ, in ipsam auram aetheream immixta: exque aetheris regione, tractu rectilineo, per aërem trajicere, ceu minutos cometas, occultâ causa motus utrorumque. Kepler , Epit. Astron. Copernicanae T. I. p. 80. sichtbar machten. Ob übrigens unter den vielen leuchtenden Körpern, die am Himmel als sternähnliche Funken fortschießen, nicht auch einige ganz verschiedenartiger Natur sind, bleibt bis jetzt unentschieden. Wenn ich gleich nach meiner Rückkunft aus der Aequinoctial-Zone von dem Eindruck befangen war, als sei mir unter den Tropen: in den heißesten Ebenen, wie auf Höhen von zwölf-oder funfzehntausend Fuß, der Fall der Sternschnuppen häufiger, farbiger und mehr von langen glänzenden Lichtbahnen begleitet erschienen wie in der gemäßigten und kalten Zone; so lag der Grund dieses Eindruckes wohl nur in der herrlichen Durchsichtigkeit der Tropen-Atmosphäre selbst Relation historique T. I. p. 80, 213 und 527. Wenn man in den Sternschnuppen, wie in den Cometen, Kopf (Kern) und Schweif unterscheidet, so erkennt man an dem längeren und stärkeren Glanze des Schweifes die größere Durchsichtigkeit der Atmosphäre in der Tropenregion. Die Erscheinung braucht darum dort nicht häufiger zu sein, weil sie uns leichter sichtbar wird und sichtbar bleibt. Die Einwirkung der Beschaffenheit des Dunstkreises zeigt sich bei Sternschnuppen bisweilen auch in unserer gemäßigten Zone in sehr kleinen Entfernungen. Wartmann berichtet, daß in einem November-Phänomen an zwei einander ganz nahe gelegenen Orten, zu Genf und aux Planchettes, der Unterschied der gezählten Meteore wie 1:7 war ( Wartmann , mém. sur les étoiles filantes p. 17). Der Schweif der Sternschnuppen, über den Brandes so viele genaue und feine Beobachtungen angestellt hat, ist keinesweges der Fortdauer des Lichtreizes auf der Netzhaut zuzuschreiben. Seine Sichtbarkeit dauert bisweilen eine ganze Minute, in seltenen Fällen länger als das Licht des Kernes der Sternschnuppe; die leuchtende Bahn steht dann meist unbeweglich ( Gilb. Ann. Bd. XIV. S. 251). Auch dieser Umstand bezeugt die Analogie zwischen großen Sternschnuppen und Feuerkugeln. Der Admiral Krusenstern sah auf seiner Reise um die Welt den Schweif einer längst verschwundenen Feuerkugel eine Stunde lang leuchten und sich überaus wenig fortbewegen ( Reise Th. I. S. 58). Sir Alexander Burnes giebt eine reizende Beschreibung von der Durchsichtigkeit der trocknen, die Liebe zur Astronomie einst so begünstigenden Atmosphäre von Bokhara, das 1200 Fuß über der Meeresfläche und in 39° 43’ Breite liegt: »There is a constant serenity in its atmosphere and a clearness in the sky. At night, the stars have uncommon lustre, and the milky way shines gloriously in the firmament. There is also a neverceasing display of the most brilliant meteors, which dart like rockets in the sky: ten or twelve of them are sometimes seen in an hour, assuming every colour: fiery, red, blue, pale and faint. It is a noble country for astronomical science, and great must have been the advantage enjoyed by the famed observatory of Samarcand.« Burnes , Travels into Bokhara Vol. II. (1834) p. 158. Man darf einem einzelnen Reisenden nicht vorwerfen, daß er viel Sternschnuppen schon 10–12 in der Stunde nennt; erst durch sorgfältige auf denselben Gegenstand gerichtete Beobachtungen ist in Europa aufgefunden worden, daß man für den Gesichtskreis einer Person 8 Meteore als Mittelzahl der Stunde zu rechnen habe ( Quetelet , Corresp. mathém. et phys. T. IX. 1837 p. 447), während selbst der so fleißig beobachtende Olbers ( Schum. Jahrb. für 1838 S. 325) diese Annahme auf 5–6 beschränkte.. Man sieht dort tiefer in den Dunstkreis hinein. Auch Sir Alexander Burnes rühmt in Bokhara, als Folge der Reinheit des Himmels: »das entzückende, immer wiederkehrende Schauspiel der vielen farbigen Sternschnuppen«.
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