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Ich habe niemals Leute, die alles zurückgelassen haben, um sich zu mehr oder weniger leerer Kontemplation (denn sie ist mehr oder weniger leer) niederzusetzen, solche Leute habe ich niemals irgendeinen Fortschritt machen sehen, oder ihr Fortschritt ist in jedem Fall sehr geringfügig. Ich habe Leute erlebt, die nicht für sich in Anspruch nahmen, Yoga zu üben, die einfach erfüllt waren von Begeisterung über die Vorstellung irdischer Umwandlung und der Herabkunft des Göttlichen in diese Welt und die ihren kleinen Anteil Arbeit mit dieser Begeisterung im Herzen leisteten, sich selbst vollständig hingebend, ohne Vorbehalt, ohne irgendeinen selbstsüchtigen Gedanken an persönliche Erlösung. Solche habe ich großartigen Fortschritt machen sehen, wahrhaft großartig. Und manchmal sind sie wunderbar. Ich habe Sannyasins gesehen, Leute, die in Klöstern leben, ich habe Leute kennengelernt, die vorgaben, Yogis zu sein, nun, ich würde nicht einen der anderen gegen ein Dutzend solcher Leute eintauschen.... Man verändert die Welt nicht, indem man vor ihr davonläuft. Das geschieht dadurch, dass man dort arbeitet, bescheiden, demütig, aber mit einem Feuer im Herzen, das brennt wie eine Opfergabe.
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Mutter, sind nicht manchmal asketische Methoden nützlich für die Selbst-Meisterung?
Nein, das behebt gar nichts. Du verschaffst dir nur die Illusion des Fortschritts, aber du erreichst nichts. Das beweist die Tatsache, dass die Sache, sobald du deine asketischen Methoden aufgibst, noch mächtiger ist als zuvor. Sie kehrt zurück mit Rache. Es hängt davon ab, was du asketische Methoden nennst. Wenn es nicht bedeutet, dass du der Befriedigung all deiner Begierden frönst, dann ist das in der Tat keine Askese, sondern gesunder Menschenverstand. Das ist etwas anderes. Asketische Methoden sind Dinge wie wiederholtes Fasten, sich selbst zu zwingen, die Kälte zu ertragen ... in Wirklichkeit, deinen Körper ein wenig zu foltern. Das verleiht dir nur spirituellen Hochmut, nichts mehr. Es meistert überhaupt nichts. Es ist unendlich viel leichter. Leute tun das, weil es sehr leicht ist, sehr einfach. Gerade weil der Stolz vollständig befriedigt wird und sich die Eitelkeit aufplustern kann, wird es sehr leicht. Man veranstaltet eine großartige Zurschaustellung seiner asketischen Tugenden und hält sich selbst für eine äußerst wichtige Persönlichkeit, und das hilft, viele Dinge zu ertragen.
Es ist sehr viel schwieriger, seine Impulse still, gelassen zu meistern und sie daran zu hindern, sich zu zeigen – sehr viel schwieriger! – ohne asketische Maßnahmen zu ergreifen. Es ist sehr viel schwieriger, den Dingen, die man besitzt, nicht verhaftet zu sein, als nichts zu besitzen. Das ist etwas, das man seit Jahrhunderten weiß. Es verlangt sehr viel größere Fähigkeiten, an die Dinge, die uns gehören, nicht gebunden, als überhaupt besitzlos zu sein oder sein Eigentum auf ein striktes Minimum zu reduzieren. Es ist sehr viel schwieriger. Es ist moralisch von sehr viel höherem Wert. Einfach diese Haltung: wenn dir ein Ding zufällt, nimm, gebrauche es; wenn es aus diesem oder jenem Grunde abhanden kommt, lass es los und bedaure es nicht. Es nicht zu verweigern, wenn du es bekommst, zu wissen, wie du dich darauf einstellst und nicht zu bedauern, wenn es geht.
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Aber ist ein wenig äußere Disziplin nicht hilfreich?
Wenn du dir eine Disziplin auferlegst und sie nicht zu dumm ist, hilft sie dir vielleicht. Eine Disziplin, so sage ich dir – Disziplinen, Tapasyas, alle asketischen Disziplinen sind, so wie sie gewöhnlich praktiziert werden, die besten Mittel, dich hochmütig zu machen, in dir einen solch ungeheuren Stolz aufzubauen, dass du niemals, niemals bekehrt wirst. Man wird ihn mit Hammerschlägen zertrümmern müssen.
Die erste Bedingung ist eine gesunde Demut, die dich erkennen lässt, dass du gar nichts bist, wenn du nicht vom Göttlichen getragen, genährt, unterstützt, erleuchtet und geführt wirst. So ist das. Wenn du das gefühlt, nicht nur mit deinem Kopf verstanden hast, sondern bis tief in deinen Körper empfindest, fängst du an, weise zu werden, nicht aber vorher.
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Welche ist die richtige und welche die falsche Art, demütig zu sein?
Es ist sehr einfach, wenn Leuten gesagt wird: „Seid demütig!“ verbinden sie damit sofort, ,demütig gegenüber anderen Menschen sein‘, und diese Demut ist falsch. Wahre Demut ist Demut gegenüber dem Göttlichen, das heißt ein präzises, genaues, ein lebendiges Gefühl, dass man nichts ist, nichts tun, nichts verstehen kann ohne das Göttliche, dass selbst wenn man außergewöhnlich intelligent und fähig ist, dieses nichts ist im Vergleich mit dem Göttlichen Bewusstsein, und dieses Gefühl muss man immer bewahren, weil man dann stets die wahre Haltung der Empfänglichkeit hat – eine demütige Empfänglichkeit, die persönliche Ansprüche nicht in Widerspruch zum Göttlichen setzt.
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Einer, der sehr wenig weiß
Es ist nicht notwendigerweise jemand mit Erfahrung der am meisten fortgeschrittene. Es fehlt ihm ein Element von Schlichtheit, Bescheidenheit und die Formbarkeit, die daher rührt, dass man noch nicht vollständig entwickelt ist. Während man wächst, nimmt etwas im Kopf feste Form an; es wird immer starrer, und wenn man nicht sein Äußerstes versucht, endet man versteinert. Genau das geschieht Leuten gewöhnlich, vor allem solchen, die bis zu einem gewissen Grad nach Realisation gestrebt haben und darin erfolgreich waren oder solchen, die schließlich glauben, ihr Ziel erreicht zu haben. In jedem Fall war es ihr persönliches Ziel. Sie haben es geschafft, sie sind angelangt. Es ist vollbracht, sie bleiben stehen. Sie lassen sich nieder, sie sagen: „Das ist es!“ Und sie tun nichts mehr. Deshalb werden sie sich auch nach vielleicht zehn oder zwanzig oder dreißig Jahren nicht von der Stelle rühren. Dort sind sie, dort werden sie bleiben. Solchen Leuten fehlt jede Formbarkeit der Substanz, die notwendig ist, um weiterzukommen und Fortschritte zu machen. Sie hängen fest. Sie eignen sich sehr gut als Objekte für eine Ausstellung im Museum, aber nicht, um Arbeit zu leisten. Sie sind wie Musterstücke, die beweisen, was getan werden kann, aber sie sind nicht von dem Stoff, aus dem mehr entsteht. Ich persönlich gestehe, dass ich für meine Arbeit jemanden bevorzuge, der sehr wenig weiß, sich nicht zu sehr abgemüht hat, aber über ein beträchtliches Maß an Sehnsucht und einen starken guten Willen verfügt und der in sich diese Flamme fühlt, dieses Bedürfnis voranzukommen. Er mag sehr wenig wissen und vielleicht noch viel weniger realisiert haben, wenn er das jedoch in sich trägt, dann ist das ein sehr gutes Material, mit dem man sehr weit kommen kann, viel weiter.
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Öffne dich, sei bescheiden
Was du tun solltest ist, die Türen deines Wesens weit für das Göttliche aufzustoßen. In dem Augenblick, in dem du etwas verbirgst, läufst du direkt in die Falschheit. Die geringste Verheimlichung von deiner Seite zieht dich unmittelbar hinunter in die Unbewusstheit. Wenn du voll bewusst sein willst, stelle dich immer der Wahrheit – öffne dich vollkommen und versuche dein Äußerstes, um ihr zu erlauben, tief in dich hineinzublicken, in jeden Winkel deines Wesens. Das allein wird Licht und Bewusstsein in dich hineinbringen, und all das ist in höchstem Maße wahr. Sei vollständig bescheiden – das heißt, wisse um den Unterschied zwischen dem, was du bist und dem, was sein soll, indem du nicht zulässt, dass die grobe physische Mentalität glaubt, sie wisse, wenn sie nicht weiß, sie könne urteilen, wenn sie es nicht kann. Bescheidenheit bedeutet, dass du dich mit ganzem Herzen dem Göttlichen hingibst, dass du um Hilfe bittest und durch Unterwerfung die Freiheit und das Fehlen von Verantwortung gewinnst, was äußerste geistige Ruhe verleiht. Auf keine andere Weise kannst du hoffen, Einheit mit dem Göttlichen Bewusstsein und dem Göttlichen Willen zu erlangen.
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