Der Mensch begann mit diesem bekannten Verfahren einfacher Schnitte durch Betonung seines Selbstgefühls als Mensch; er machte aus sich selbst ein getrenntes, einmaliges und eigentümliches Wesen in dieser Welt, für das oder um das herum alles andere erschaffen worden sein sollte – und alles Übrige, das Existierende unterhalb des Menschen, Tier, Pflanze, unbelebtes Objekt, alles bis zum Uratom, erschien ihm als eine von ihm verschiedene Schöpfung, abgetrennt, von anderer Natur; er erklärte alle für seelenlos, er allein war ein seelenbegabtes Wesen. Er sah das Leben, definierte es durch bestimmte Merkmale, die seinem Mental auffielen, und trennte alles andere Dasein als nichtlebend, unbelebt, davon ab. Er schaute seine Erde an, machte sie zum Nabel des Weltalls, weil sie der einzige von eingekörperten Seelen oder Lebewesen bewohnte Ort wäre; doch die unzähligen anderen Himmelskörper waren nur Lichter, um den Erdentag zu erleuchten oder die Nacht zu erleichtern. Die Erkenntnis der Unzulänglichkeit dieses einen irdischen Lebens war für ihn nur der Grund, um eine andere, entgegengesetzte Definition eines vollkommenen himmlischen Lebens zu schaffen, das er in den Himmel versetzte, den er über sich sah. Er nahm sein „Ich“ oder Selbst wahr und stellte es sich als ein abgetrenntes, eingekörpertes Ego vor, als das Zentrum seines ganzen irdischen und himmlischen Interesses, und schnitt alles andere Sein als das Nicht-Ich weg; dieses war für ihn da, damit diese seine kleine absorbierende Wesenheit den bestmöglichen Gebrauch davon mache. Blickte er über diese natürlichen, sinnenbeherrschten Aufteilungen hinaus, verfolgte er dieselbe logische Politik. Als er sich den Geist vorstellte, trennte er ihn scharf ab als eine Sache für sich, als den Gegensatz von allem, was nicht Geist war; die Antinomie zwischen Geist und Materie wurde die Grundlage seiner Selbst-Konzeption oder, weiter gefasst, zwischen Geist auf der einen und Mental, Leben und Körper auf der anderen Seite. Dann wurde die Vorstellung des Selbstes als Wesenheit, wobei alles andere Nicht-Selbst war, als von ganz anderer Art abgetrennt. Nebenbei sah er es mit den Augen seines unverbesserlichen trennenden Mentals als sein eigenes abgetrenntes Selbst, und wie er zuvor die Befriedigung des Egos zu seiner Hauptaufgabe auf Erden gemacht hatte, so machte er nun die individuelle Eigenrettung der Seele zu der einen, ganz wichtigen spirituellen Himmelsunternehmung. Oder er sah das Allgemeine und bestritt die Wirklichkeit des Individuellen, indem er ihnen jede lebendige Einheit oder gleichzeitig vorhandene Wirklichkeit absprach, oder er sah ein transzendentes Absolutes getrennt von Individuum und Universum, so dass diese eine reine Einbildung des Unwirklichen, Asat, wurden. Für sein säuberlich trennendes, scharfes und selbstsicheres Mental sind Sein und Werden zwei gegensätzliche Kategorien, von denen entweder die eine oder die andere geleugnet oder zu einer vorläufigen Konstruktion oder Summe gemacht werden oder von der Blässe der Illusion angekränkelt sein muss, und das Werden darf nicht als eine ewige Entfaltung des Seins akzeptiert werden. Diese Vorstellungen der von den Sinnen geleiteten oder intellektuellen Vernunft gehen uns immer noch nach, aber ein nachdenkendes Wissen kommt immer mehr zu der Erkenntnis, dass sie doch Konstruktionen sind, wie wir heute sagen, mögen sie noch so schlüssig und befriedigend scheinen und für das Wirken des Lebens, das Wirken des Mentals und das Wirken des Geistes noch so hilfreich sein. Es steckt eine Wahrheit dahinter, aber eine Wahrheit, die diese Isolierungen nicht wirklich zulässt. Unsere Klassifizierungen errichten allzu starre Wände; alle Grenzen sind ja nur Grenzen und keine unpassierbaren Abgründe. Der eine unendlich wechselnde Geist in den Dingen überträgt all das Seine in jede Form seiner Allgegenwart; das Selbst, das Sein ist zugleich einmalig in einem jeden, gemeinsam in unseren Gemeinschaften und ein einziges in allen Wesen. Gott bewegt sich gleichzeitig auf vielerlei Weise in seiner eigenen unteilbaren Einheit.
Die Konzeption des Menschen als eines abgetrennten und ganz eigentümlichen Wesens im Weltall wurde durch eine geduldige und unparteiische Untersuchung des Naturprozesses unsanft erschüttert. Er ist ohnegleichen oder unvergleichlich und nimmt eine privilegierte Stellung auf Erden ein, ist jedoch nicht einzig in seinem Wesen; die ganze Evolution dient zur Erklärung dieses Suchers spiritueller Größe, der in einem zerbrechlichen Körper, in einem engen Leben und in einem beschränkten Mental eingekörpert ist, und durch sein Sein und Suchen erhält die Evolution ihrerseits eine Erklärung über sich selbst. Der Mensch wird durch das Tier vorbereitet und unvollkommen vorgebildet, das Tier wird in der Pflanze vorbereitet, wie auch diese dunkel vorausgesehen wird von allem, was ihr in der irdischen Entfaltung vorangeht. Der Mensch selbst nimmt das wunderbare Spiel des Elektrons und Atoms auf, zieht das chemische Leben des Subvitalen durch die Gesamtentwicklung des Protoplasmas zu sich empor, vollendet das ursprüngliche Nervensystem der Pflanze in der Physiologie des vervollkommneten Tierwesens, wiederholt als wachsender Embryo rasch die vergangene Evolution der Tiergestalt bis hin zur menschlichen Vollendung und richtet sich, ist er geboren, von der erd- und abwärts geneigten tierhaften Körperhaltung zur gerade gewachsenen Gestalt des Geistes auf, der für seine weitere Entwicklung schon himmelwärts schaut. Die ganze irdische Vergangenheit der Welt ist hier im Menschen zusammengefasst, und die Natur hat ihm nicht nur gleichsam das physische Signum gegeben, dass sie in ihm ein kleines Gegenstück zu ihren universalen Kräften gebildet hat, sondern er ist auch psychologisch, in seinem unterbewussten Sein, eins mit ihrem dunkleren subanimalischen Leben, in seinem Mental und in seiner Natur ist das Tier enthalten, und aus diesem ganzen Unterbau erhebt er sich zu seinem bewussten Menschentum.
Welche Seele auch immer im Menschen wohnt, sie ist kein abgetrenntes spirituelles Wesen, das keine Verbindung mit der übrigen irdischen Familie hat, sondern sie scheint daraus hervorgewachsen zu sein, indem sie dies alles in sich aufnahm und dessen Sinn überschritt mit einer neuen Kraft und einem neuen Sinn des Geistes. Dies ist die universale Natur der Menschengattung auf Erden, und man kann mit gutem Grund annehmen, dass, wie auch immer die vergangene Geschichte der individuellen Seele verlaufen sein mag, sie dem Gang der universalen Natur und Evolution gefolgt sein muss. Der Trennungsstolz, der die Einheit der Natur zerbrechen möchte, um aus uns sowohl eine andere als auch eine größere Schöpfung zu machen, hat keine physische Berechtigung, sondern wurde im Gegenteil von der ganzen Beweiskraft der Augenscheinlichkeit widerlegt; und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass er spirituell irgendwie gerechtfertigt wäre. Die physische Geschichte der Menschheit ist das Hinauswachsen aus dem Subvitalen und dem Tierleben in die höhere Kraft des Menschentums; unsere innere Geschichte, wie sie durch unsere gegenwärtige Natur angedeutet wird, die animalisch und zusätzlich etwas ist, das über das Tier hinausgeht, muss ein gleichzeitiges Parallelwachstum auf demselben Bogen in die Seele der Menschheit hinein gewesen sein. Die alte indische Vorstellung, die es ablehnte, die Natur des Menschen von der universalen Natur oder das Selbst des Menschen von dem einen allgemeinen Selbst zu trennen, akzeptierte diese Konsequenz ihrer Sicht. So setzt das tantrische System die Summe von achtzig Millionen Pflanzen- und Tierleben zur Vorbereitung für eine Menschengeburt an, und ohne uns auf diese Zahl festzulegen, können wir seine Vorstellungskraft würdigen, mit der es sich die schwierige Seelen-Evolution vergegenwärtigt, durch die die Menschheit entstand beziehungsweise vielleicht ständig entsteht. Von dieser Notwendigkeit einer animalischen Vergangenheit können wir uns nur dann lösen, wenn wir der subhumanen Natur alles Seelische absprechen.
Читать дальше