„Es ist schon seltsam“, erwiderte er. „Da habe ich mich jahrelang bemüht, alle Beweise dafür, dass ich Jack Fabiano bin zu vernichten und jetzt kommt einer daher, der mir nicht glauben, will wer ich bin!“
„So war das nicht gemeint! Aber sie werden verstehen, dass ich nur eine hart recherchierte Story brauchen kann.“
Er lachte heiser.
Und böse.
„So hart recherchierte Storys wie die von diesem Schauspieler, dem sie eine Affäre mit einer Dreizehnjährigen angehängt haben? Ich weiß nicht, ob die 500 000 Dollar, die er von Ihrem Verlag dafür bekommen hat, dass er keine Anklage gegen Sie erhebt, ihn wirklich dafür entschädigt haben, dass man seine TV-Serie absetzte und er seitdem wohl keine neuen Rollen mehr gefunden hat.“
Brandon Carters Gesicht gefror zu einer Maske.
„Woher haben Sie das?“, fragte er scharf.
„Mit jemandem, über den ich nicht haarklein informiert bin, würde ich mich gar nicht unterhalten!“
„Hören Sie, Fabiano...“
„Jack, bitte!“
„...wenn Sie mir irgendwie ans Bein pinkeln wollen, dann..“
„Machen Sie nur weiter, Brandon. Es wirkt lustig, wenn ein Weichei wie Sie jemandem wie mir, versucht richtig Angst zu machen!“ Fabiano kicherte, was schließlich in ein heiseres Röcheln überging. Er spuckte aus. Dann fuhr er fort: „Wir sind beide Arschlöcher, Brandon. Also passen wir gut zueinander und es dürfte von daher auch tolles Buch werden. Meinen Sie nicht?“
„Sie sollten mal zu einem Arzt gehen. Das hört sich erbärmlich an mit Ihrer Lunge.“
Jack Fabiano ging darauf nicht weiter ein. Sie gingen weiter. Der feuchte Asphalt glänzte im flackernden Licht der Neonreklamen.
Nach zwanzig Yards brach Brandon Carter das Schweigen.
„Sagen Sie, Jack – Sie rechnen aber schon damit, dass vielleicht ein Staatsanwalt das Buch liest, oder?“
„Seit vierzig Jahren sind mir die Cops nicht auf die Spur gekommen, da werden sie in den letzten Monaten, die ich noch habe, das auch nicht schaffen.“
„Was?“
Brandon Carter blieb stehen.
Jack Fabiano sah ihn mit einem sehr ernsten Blick an.
„Ich habe Krebs, Brandon. Die Ärzte geben mir nicht mehr lange. Vielleicht noch ein paar Monate, wenn es gut geht. Es kann aber auch schneller gehen.“ Er blieb stehen, rang nach Luft und hustete. „Da ist nichts mehr zu machen“, sagte er. „Es gibt Dinge, die kann man sich auch für noch so viel Geld nicht kaufen. Aber bevor ich in die ewigen Jagdgründe gehe oder wohin auch immer, will ich reinen Tisch machen. Verstehen Sie mich jetzt, Brandon? Das ist der Grund dafür, weshalb es mich nicht interessiert, ob das Buch noch irgendeinem Staatsanwalt als Vorlage für seine Anklageschrift dient oder er es als Geständnis wertet. Genauso wenig kümmert es mich, ob mir hinterher meine ehemaligen Geschäftspartner ein paar Bluthunde auf den Hals hetzen. Sie würden mir nur einen Gefallen tun und mein Leiden verkürzen.“
Fabiano stützte sich an einer Laterne und hielt inne. Er schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte Carter.
„Niemand... kann... mir... helfen“, war die stockende Antwort des Mannes, der von sich behauptete, einer der erfolgreichsten Lohnkiller aller Zeiten zu sein. „Es ist nicht mehr weit.“
„Kommen Sie, ich stütze Sie!“
„Lassen Sie mich los!“
Fabiano schüttelte Carter ab und wankte vorwärts.
Carter folgte ihm.
Keiner von ihnen bemerkte den Schatten, der aus der Bar DOLCE VITA in die Nacht getreten war.
Jack Fabianos Apartment hatte die Adresse 112 Elizabeth Street und lag im vierten Stock eines unscheinbaren Brownstonehauses der unteren Kategorie. Es gab keine Sicherheitselektronik. Aber der Lift funktionierte.
Brandon Carter stellte fest, dass an der Apartmenttür der Name Jay Edgar Fabian stand.
Fabiano suchte den richtigen Schlüssel und schließlich gelang es ihm, die Wohnungstür zu öffnen.
Er trat ein. Carter folgte ihm und schloss die Tür.
„Sie haben den Namen am Türschild gelesen, oder?“
„War nicht zu übersehen, Jack.“
Fabiano lachte auf. „Das ist eine der etwa drei Dutzend Identitäten, die ich in den letzten vierzig Jahren benutzt habe.“ Er grinste schwach. Aber seiner Gesichtsfarbe war anzusehen, dass es ihm nicht besonders gut ging. Die rechte Hand presste er auf die Brust. „Jay Edgar Fabian – ein kleiner Gag, den ich mir erlaubt habe. Verstehen Sie? Klingt wie eine Kreuzung aus Jack Fabiano und J. Edgar Hoover.“
Carter blickte sich um.
Das Apartment war spartanisch eingerichtet. Es gab nichts, was ihm irgendeine persönliche Note gegeben hätte. Kein Bild an der Wand, keine Bücher in den Regalen – nicht einmal eine Zeitschrift, die herumlag.
„Ich besitze diese Wohnung seit fünfundzwanzig Jahren“, erklärte Fabiano. „Allerdings habe ich noch nie hier gewohnt.“
„So sieht es hier auch aus.“
Fabiano deutete auf die aus klobigen und für den zur Verfügung stehenden Raum viel zu klobige Sitzgarnitur aus Leder.
„Setzen Sie sich, Brandon.“
„Wie viel Prozent wollen Sie?“, fragte Carter.
„Sie haben mich noch immer nicht verstanden“, erwiderte Fabiano. „Ich will kein Geld. Es geht mir nicht darum, in den letzten Wochen meines Lebens noch einen großen und diesmal legalen Coup zu landen. Mir ist es einfach nur wichtig, dass jemand wie Sie die Wahrheit über mein Leben an die Öffentlichkeit bringt. Das ist alles.“
In diesem Moment wurde die Tür eingetreten. Sie flog zur Seite.
Zwei Männer stürmten in den Raum. Sie waren dunkel gekleidet, trugen Lederjacken und schwarze Rollkragenpullover.
Bewaffnet waren sie mit Automatikpistolen, auf deren Läufe Schalldämpfer aufgeschraubt waren.
Jack Fabiano griff unter seine Jacke. Er schaffte es gerade noch, seine eigene Waffe hervor zu reißen, als bereits ein Ruck durch seinen Körper ging. Eine Kugel traf ihn in Herzhöhe und schleuderte ihn zu Boden.
Erstaunlicherweise lebte er noch.
Er umfasste zitternd seine Pistole, richtete sie auf den größeren der beiden Killer und versuchte abzudrücken. Doch ein zweiter Treffer ging mitten in die Stirn.
Der unbewaffnete Brandon Carter wich zunächst zurück und hob dabei wie in einer instinktiven Abwehrhaltung. Dann trafen ihn insgesamt vier Kugeln. Zuckend sank sein Körper zu Boden und blieb dort in einer seltsam verrenkten Haltung liegen.
In der Elizabeth Street herrschte das pure Chaos, als mein Kollege Milo Tucker und ich dort eintrafen. Die Einsatzfahrzeuge des New York Police Department, des Coroners und der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker Polizeieinheiten verengten die Fahrbahn, sodass sich der Verkehr nur zähflüssig daran vorbei schleichen konnte.
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