Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
Titelbild: Firuz Askin
Ein CassiopeiaPress E-Book
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© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www . AlfredBekker . de
postmaster @ alfredbekker . de
Der Umfang dieses Ebook entspricht 126 Taschenbuchseiten.
„Ich habe die Opfer nie gezählt“, sagte der Mann mit den tief liegenden, grauen Augen. „Es müssen über hundert sein.“ Er beugte sich vor und schnipste mit den Fingern. „Es ist so einfach! Man bekommt eine E-Mail mit den Daten und eine Überweisung auf ein Schweizer Bankkonto. Und dann knipst du die Zielperson einfach aus. Wenn der Auftraggeber das will, quälst du das Opfer noch ein bisschen oder wendest eine bestimmte Mordmethode an. Alles im Rahmen des Machbaren natürlich... Es gibt viele, die in der Branche Fuß zu fassen versucht haben. Manche von denen liegen längst selber bei den Fischen im East River.“ Er lächelte und nippte an seinem Cappuccino. „Aber es gibt keinen, der so gut ist wie ich – Jack Fabiano!“
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Der Mann, der Fabiano gegenübersaß hatte kurz geschorenes, blondes Haar. Er hieß Brandon Carter und war ein bekannter Enthüllungsjournalist. Er arbeitete sowohl für Boulevardsendungen im Fernsehen, als auch für mehrere Zeitungen und Zeitschriften. Vor allem war er allerdings in den letzten Jahren durch spektakuläre Prominenten-Biographien hervorgetreten, von denen mindestens zwei Titel im Augenblick verschiedene amerikanische und europäische Gerichte beschäftigten, da diejenigen, deren Leben Carter dargestellt hatte, von dem Ergebnis alles andere als begeistert waren.
Man nannte ihn in der Branche respektvoll den „Insider“.
Einer, der jeden kannte, alles wusste und das Gras wachsen hörte. Immer zur Stelle, wenn es irgendwo einen Skandal aufzudecken oder im Keller eines nach außen hin als Saubermann auftretenden Prominenten eine Leiche auszugraben galt – ob nun im wörtlichen oder im tatsächlichen Sinn spielte dabei eine untergeordnete Rolle.
Jack Fabiano trank seinen Cappuccino aus und meinte: „Ich verkaufe Ihnen die Geschichte meines Lebens, Brandon. Den ersten Mord habe ich mit 14 begangen. Da war ein Typ, der mir dumm kam. Ich habe ihm mit einem Schraubenschlüssel den Schädel eingeschlagen und die Leiche anschließend in einen alten Buick gelegt, der in die Schrottpresse sollte. Ich bekam bei diesem ersten Mal noch nicht einmal Geld dafür. War sozusagen eine persönliche Sache, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Fabiano kicherte und knabberte an den Keks herum, der ihm mit dem Cappuccino gereicht worden war, verzog dann das Gesicht und spuckte ihn wieder aus. Die Leute an den Nachbartischen wurden bereits aufmerksam.
Brandon Carter gefiel das überhaupt nicht. „Hören Sie, vielleicht sollten wir uns woanders unterhalten, als ausgerechnet hier?“
„Haben Sie was gegen diese Bar? Ich gebe zu, dass der Cappuccino in einem Coffee Shop um die Ecke besser schmeckt, aber der hat so spät nicht mehr geöffnet. Die Drinks sollen hier dafür umso besser sein, aber ich weiß das nur aus zweiter Hand. Alkohol ist nichts mehr für mich. Das war mal...“
„Ich würde mich einfach gerne ungestört mit Ihnen unterhalten.“
„Ich wollte Sie erstmal kennen lernen, darum habe ich Sie nicht gleich zu mir nach Hause bestellt, Mister Carter. Um ehrlich zu sein, habe ich kaum zu hoffen gewagt, dass Sie überhaupt kommen.“
„Ihre Story interessiert mich, Mister Fabiano.“
„Nennen Sie mich Jack. Wir werden Dinge von mir erfahren, die sich manche Ehepartner nicht erzählen, da sollte man sich wenigstens mit dem Vornamen anreden, finde ich.“
„Wie sind Sie auf mich gekommen, Jack?“
„Ich bin der Beste auf meinem Gebiet. Und deswegen will ich auch den besten Schreiber haben, um mein Leben zu erzählen. Verstehen Sie? Nicht so einen Schmierfink, dessen Geschreibsel niemand zur Kenntnis nimmt, sondern einen, der das Zeug dazu hat, ein Buch auch in die Bestseller-Listen zu katapultieren. Und einer, dem man glaubt, was er schreibt. Der nichts beschönigt, sondern die Dinge beim Namen nennt.“ Er lehnte sich zurück und kicherte. „Damit wir uns nicht missverstehen, Brandon. Ich habe keinen Ihrer unsäglichen Schinken mehr als nur angelesen. Schließlich interessiere ich mich nicht für Hollywoodstars und es ist mir auch ziemlich gleichgültig, ob ein Senator oder ein Minister stürzt, weil Sie seine Schweinereien aufdecken! Ich habe gesehen, dass die Schwarten mit Ihrem Namen drauf stapelweise bei Macy’s herumliegen und offenbar auch gekauft werden. Das ist für mich das Entscheidende. Außerdem haben Sie eine Kolumne bei USA Today. Ich will nämlich, dass es alle wissen. Alle sollen die Wahrheit lesen und ein paar Säcke in Little Italy oder in Wall Street werden jede Seite umschlagen und davor zittern, dass auch ihr Name als Auftraggeber eines Mordes erwähnt wird!“
„Gehen wir besser“, sagte Brandon Carter.
Fabiano erhob sich, legte ein paar Dollars auf den Tisch und meinte: „Sie sind eingeladen, Brandon. Sie mögen mit Ihrem Geschmiere schon einiges verdient haben, aber das kann nicht halb so viel sein, wie ich inzwischen auf der hohen Kante habe.“
„Danke, Jack.“
„Mein Apartment liegt ein paar Häuser weiter. Ich kann Ihnen allerdings leider nichts zu Trinken anbieten.“
„Das macht nichts.“
Brandon Carter war sich inzwischen nicht mehr so ganz sicher, ob er mit diesem Typ nicht vielleicht doch eine Niete gezogen hatte.
Gemeinsam verließen sie das DOLCE VITA, eine Bar in der Elizabeth Street.
Draußen war es dunkel. Es nieselte.
„Können Sie eigentlich beweisen, dass Sie wirklich Jack Fabiano sind?“, fragte Carter.
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