Sean Beaufort - Seewölfe - Piraten der Weltmeere 638

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Der fast schon halbtote spanische Stückmeister der «Nobleza» schaffte es, die letzte Culverine zu zünden. Sie bäumte sich auf und zerschmetterte mit ihrer Ladung, die nur sieben Fuß zurückzulegen hatte, die Bordwand der zum Entern längsseits gegangenen Piraten-Galeone. Ein Geschütz der Kerle wurde dabei zerstört, und die herumfliegenden glühenden Trümmer fanden ein umgekipptes Pulverfaß. Die Explosion packte zwei Piraten, die sich, an Tauen hängend, gerade zur «Nobleza» hinüberschwingen wollten. Die Körper wurden hoch in die Luft gewirbelt, drehten sich dort wie betrunkene Möwen und fielen zurück zwischen die beiden Bordwände…

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Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-052-7

Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de

Sean Beaufort

Küste der Mörder

Sie wissen von der Goldladung – die Kaperer kennen kein Erbarmen

Nobles Moya, der Stückmeister, galt an Bord als Halbverrückter, dem man sich besser nicht näherte, wenn er wütend war. Jetzt beherrschten Unruhe und Gespanntheit jede seiner Bewegungen. Mit einem trockenen Lappen, einem Gemisch aus feinem Sand und irgendeiner Seife polierte er das Geschützrohr. Die überlange Culverine glänzte schon jetzt wie dunkles Gold .

„Mittlerweile haben wir die schönsten Geschütze von ganz Portugal“, sagte der Erste grinsend. „Wenn wir nur etwas vor die Mündungen kriegen würden.“

Nobles, ein erstklassiger Artillerist, stieß einen Fluch aus. Dann erwiderte er: „Engländer, Pfeffersäcke oder Spanier – einen werden wir packen.“

Er hob den Kopf, peilte entlang des Rohres, und plötzlich erstarrte er. Er glaubte, an der Kimm die eckigen Segel einer Galeone erkannt zu haben. Segelte dort die erwartete Beute – direkt auf die Mündungen der Geschütze zu?

Die Hauptpersonen des Romans:

Alvarez Santillan– der Capitán der „Nobleza“ beschließt, bei Nacht und Nebel den Konvoi zu verlassen.

Lobo Gomez– der Koch der „Nobleza“ befürchtet deren Untergang und sorgt dafür, ihn zu überleben.

Martim Vitoria– ist als Kapitän der „O Fim do Mundo“ im Geschäft der Piraterie tätig und lauert auf sein nächstes Opfer.

Philip Hasard Killigrew– muß mit Verdrossenheit feststellen, daß nicht alle Schäfchen im Konvoi folgsam sind.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Zehn größere Inseln, ein paar Riffe, etliche tödlich gefährliche Untiefen und eine Handvoll einsamer Felsbrocken, auf denen nur Seevögel nisteten – das waren die Islas do Cabo Verde, die Kapverdischen Inseln im Westen des nordafrikanischen Kontinentblocks.

Santo Anão im Westen, São Tiago im Südosten und Sal im Nordosten – verband ein Navigator die äußersten Kaps dieser drei Inseln, dann ergaben die Linien ein spitzes Dreieck, dessen untere Fläche nach Westen zu deuten schien, zum südamerikanischen Kontinent hinüber.

Drehende Winde, schnelle und reißende Strömungen, aber auch zahllose schützende Buchten mit gutem Ankergrund kennzeichneten die Inseln ebenso wie schroffe Berggipfel und schrundige Felswände, an denen die Brandungswogen sich donnernd und gischtend brachen und zerstäubten. Das Gebiet der Kapverdischen Inseln war kein schlechter Platz, wenn es galt, auf eine lohnende Beute zu lauern.

Die „O Fim do Mundo“ stampfte in Lee von São Vicente und versuchte, die Insel im Norden zu runden. Ihr Ziel war die Passage zwischen São Vicente und Santo Anão, der Insel mit dem rund dreitausend Fuß hohen Berg. Santa Luzia lag achteraus.

„Schlaft nicht ein, ihr Faulpelze!“ schrie Afonso do Sul, der Erste. „Es ist noch zu früh für die Freiwache.“

„Schon gut“, brummte Nobles Moya, der Stückmeister, verdrossen.

Die Hälfte der Crew versuchte mürrisch und ohne Begeisterung, innenbords der portugiesischen Galeone aufzuklaren und ein paar der aufdringlichsten Ratten totzuschlagen und über Bord zu werfen. Aber die Biester waren so flink wie die beiden zuletzt aufgetauchten Schiffe, die sich der Verfolgung durch eine noch schnellere Flucht entzogen hatten.

Capitao Martim Vitoria hatte seine Befehle gegeben, und die Kerle taten wenigstens so, als würden sie hart arbeiten. Der Stückmeister hörte nicht auf, seine Rohre zu polieren, als könne er durch Schönheit sicherstellen, daß jeder Schuß auch ein Treffer wurde.

Afonso do Sul zog das Spektiv aus der Rocktasche und enterte den Niedergang zum Achterdeck auf. Schweigend und mit angehaltenem Atem, in den Knien das harte Stampfen der Galeone abfedernd, suchte er die Kimm ab. Am Horizont türmten sich Regenwolken. Das runde Bild tanzte und zitterte, und die jagenden Vögel, die vor den Linsen und dem angeblichen Ziel vorbeiflatterten, täuschten das Auge des Offiziers.

Er sah Wellenkämme, ein paar Möwen, die im Wasser schaukelten, Wolkenfetzen, aber keine Segel. Mit größter Sorgfalt wiederholte er seinen Versuch, die angeblich prallen Segel zu erkennen. Die Kimm war leer, und er mußte warten, bis die mächtige Silhouette der Insel kein Hindernis mehr darstellte.

„He, Nobles!“ schrie der hinunter zur Kuhl.

Der Stückmeister hob den Kopf und grinste.

„Fette Beute, wie?“ rief Nobles und fuhr durch sein strähniges, schwarzes Haar.

Do Sul schüttelte energisch den Kopf. „Nichts zu erkennen. Warten wir, bis wir im Süden der großen Insel sind.“

„Klar, Senhor.“

Mitunter sah einer der portugiesischen Seeleute tatsächlich ein, daß etwas mehr Sauberkeit weder ihm noch dem Schiff schaden könnte. Pützen voll Seewasser wurden an Deck gehievt und weitergegeben. Die Lenzpumpe arbeitete keuchend und spie einen dicken Strahl unbeschreiblich übel stinkender Flüssigkeit aus der Bilge außenbords. Aus der Kochstelle brodelten Rauch und ein anziehender Geruch, der das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

Der Kapitän wandte sich an den Ersten. „Nichts zu sehen, Afonso?“

„Absolut nichts. Die Insel, Kapitän. In zwei Stunden haben wir freie Sicht.“

„Ist gut. Wir versäumen nichts.“

In Ribeira Brava hatten sie Wasser und Proviant gebunkert. Wenn es sein mußte, pullten sie mit der Jolle an Land und fingen Kleinwild in Schlingen. An Proviant brauchten sie nicht zu sparen, die meisten Weinfässer aus dem letzten Überfall waren noch voll.

Aber Kapitän, Offiziere und Crew des Kaperers träumten von einem größeren Fang. Vom größten Fang, den sie je vor den Mündungen ihrer funkelnden Geschütze gehabt hatten.

Genau fünfzig Mann segelten auf der „O Fim do Mundo“. Nicht einmal der Kapitän hatte herausfinden können, warum die kleine, dickbauchige Galeone ausgerechnet „Das Ende der Welt“ getauft worden war. Niemand wußte auch, aus welchem Grund die Galionsfigur ein Fabelwesen darstellte: eine Bestie, zusammengesetzt aus Pantherpranken, einem Tintenfischleib und einem böse blickenden Frauenkopf. Es war ein gutes, tüchtiges Schiff, das bei den Kaperfahrten manche tiefe Schramme davongetragen hatte.

„Ein Strich nach Steuerbord abfallen“, ordnete der Kapitän an.

Der Rudergänger am Kolderstock bestätigte.

Im Gewirr der Inseln gab es viele gute Schlupfwinkel und Verstecke. Ein Kapitän, der dieses Gewässer kannte und seine eigenen Karten ständig verbesserte, war jedem anderen überlegen. Seit zwei Monaten lag die Galeone hier auf der Lauer, aber bisher hatten sich die Träume vom Reichtum und Goldregen noch nicht erfüllt. Langsam wurden die Männer ungeduldig.

Wieder einmal hatte sich gezeigt, daß der Wunsch, womöglich ein spanisches Schatzschiff zu sichten, der Vater bestimmter Gedanken gewesen war. Aber vielleicht zeigte sich doch ein Schiff an der Kimm, wenn die Insel halb gerundet war.

Wieder ertönte das Glasen. Der Wind fing sich, wurde vom Landmassiv der Insel umgelenkt und packte die Galeone von achtern. An Backbord zog die Felsküste an der Galeone vorbei, ein Stück menschenleere Insel, von scharfkantigen Riffen gesäumt. Ein breiter Brandungsgürtel erstreckte sich vor den steil abfallenden Felsen.

Hunderte von Vogelnestern klebten an den Spalten und Simsen. Das Geschrei der Vögel war meistens lauter als das Donnern der Brandung. Hin und wieder hob einer der Kerle den Kopf über das Schanzkleid und peilte hinüber zu den abweisenden Felsen.

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