Fred McMason - Seewölfe - Piraten der Weltmeere 536

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Der Raum war klein und von gespenstischem Halbdämmer erfüllt. In die Wände waren Nischen geschlagen worden, in denen kniehohe Holzgestelle standen – Kojen. Sie waren leer – bis auf jene in der letzten Nische. Und da schrie Philip junior auf und fuhr zusammen, daß er fast seinen Bruder umgerissen hätte. Auch Hasard junior wurde es mulmig zumute. In der Koje lag ein steinalter Mann. Im Dämmerlicht sah es so aus, als schlafe der Alte. Aber er war längst tot. Sein Gesicht glich den erstarrten Zügen einer Mumie. Pergamentartige Haut spannte sich über die Knochen. Die Augen waren geschlossen, ein weißlichgrüner Bart umrahmte das eingefallene Gesicht. Die welken Hände lagen seitlich am Körper. Auch sie hatten diese pergamentähnliche Haut, die an dünnes Leder erinnerte…

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Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-944-4

Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

Odyssee der toten Seelen

Das Wrack ist uralt – und es birgt ein Geheimnis

„Inselspringen“, so nannten die Zwillinge Hasard und Philip den herrlich aufregenden Spaß, von einem Inselchen zum anderen zu segeln, um neugierig nachzusehen, was es dort gab .

Die kleine Jolle befand sich weit draußen auf See, im Bereich der mehr als hundert kleinen Inseln, Eilande und Atolle der Seychellen .

Überall leuchteten unter ihnen bunte Korallengärten in unvorstellbarer Pracht. Bunte Fische flitzten unter der Jolle hindurch, und einmal sahen sie eine riesige Muräne, die aus einer kleinen Grotte unwillig ihren monströs-häßlichen Schädel hervorreckte. Sie waren so eifrig bei der Sache, daß sie anfangs nicht bemerkten, wie die Jolle immer schneller wurde .

„Mann, haben wir ein Affentempo drauf!“ rief Hasard junior staunend. „Das kann doch nicht allein am Wind liegen!“

Es lag nicht am Wind, keinesfalls, denn der Wind wehte nur mäßig. Es lag daran, daß sie in einen Mahlstrom geraten waren, einen stark ziehenden Sog, der sie wie ein richtiger Trichter in sich aufnahm .

Weiter vorn waren gigantische Wirbel zu sehen, und inmitten dieser Wirbel hatte sich ein Höllenschlund aufgetan, der nur darauf wartete, das Boot zu sich herunterzuziehen …

Die Hauptpersonen des Romans:

Hasard junior– Mit seinem Zwillingsbruder Philip unternimmt er eine Erkundung der Inselwelt der Seychellen – ein „Inselspringen“, das allerdings mit Gefahren verbunden ist.

Old Donegal O’Flynn– Der „Admiral“ bricht für seine Enkel eine Lanze und steckt ihnen heimlich eine Buddel Rum zu.

Philip Hasard Killigrew– Der Vater muß vor der Abenteuerlust seiner Söhne kapitulieren, aber dann fangen die Sorgen erst richtig an.

Edwin Carberry– Der Profos ergreift zusammen mit Smoky die Flucht, als sie den „Knochenmann“ entdecken.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

An diesem Januartag des Jahres 1597 blickten die Männer von der „Santa Barbara“ auf ein einmalig paradiesisches Bild.

Die Seychellen lagen vor ihnen – Inseln des Friedens, palmenbewachsen, von Korallenriffen geschützt, eingebettet in samtblaues Wasser, über dem sich ein Himmel mit Schäfchenwolken wölbte.

Immer mehr Inseln tauchten auf. Da gab es große, fast unüberschaubare Inseln, aber da gab es auch winzige Eilande und Atolle, die wie schaumgekrönte Perlen aus dem Meer wuchsen.

Die Vegetation der Inselwelt war mehr als üppig. An den scheinbar unberührten und jungfräulichen Stränden wuchsen Palmen der Gruppe Borassae und Areceae. Einige Stellen waren dicht mit Kasuarinen bewachsen.

Aber es gab auch hügelige und bergige Granitinseln mit Steilküsten, die knapp neunhundert Yards über dem Meeresspiegel aufragten.

In den Korallengärten der Inseln tummelten sich riesige Seeschildkröten. Sie gaben sich so unbekümmert, als wüßten sie nichts von jenen Wesen, die ihnen nachstellten.

Auch die Seeschwalben störten sich nicht an dem weißgrauen Vogel, der mit geblähten Segeln über das Meer glitt. Anmutig und graziös ließen sie sich vom Wind tragen und hielten nach Beute Ausschau, die es hier im Überfluß gab.

Hasard sah gedankenvoll den weißen Feenseeschwalben nach, die paarweise durch die Luft flogen und nur wenige Flügelschläge brauchten, um noch höher zu steigen. Sie schienen zu schweben, als hätten sie kein Gewicht. Strahlend weiß schimmerten sie in der Sonne und glitten dann wieder zum Land zurück.

„Viel höher nordwärts werden wir nicht mehr segeln“, sagte er nach einer Weile, immer noch in Gedanken versunken. „Schließlich müssen wir auch mal an die Rückkehr denken, obwohl sich dieser Abstecher durchaus gelohnt hat.“

Sie hatten die Westküste von Madagaskar umsegelt, den Komoren einen Besuch abgestattet und befanden sich jetzt dicht unter dem Äquator.

„Viel zu weit nördlich schon“, murmelte Hasard, „aber die Neugier hat uns immer weitergetrieben.“

„Was sind schon ein paar Wochen Zeit“, meinte Ben, „an unserer Ladung kann nichts verderben, aber dafür haben wir eine Menge Neues gesehen und hinzugelernt. Immerhin haben wir auf den anderen Inseln jenen längst ausgestorben geglaubten Riesenvogel gefunden.“

„Ja, es war sehr interessant. Aber einmal ist Schluß damit.“

„Das heißt also, daß wir jetzt umkehren werden?“

„Ich weiß, daß alle es bedauern. Dazu ist diese Inselwelt einfach zu herrlich und paradiesisch. Ich denke, wir sehen uns einige dieser Inseln noch einmal genauer an, studieren die Fauna und Flora, versorgen uns mit dem, was die Inseln bieten, und gehen dann auf den alten Kurs zurück, der um Afrika herumführt.“

Er lehnte sich an die Schmuckbalustrade und sah einem Fregattvogel nach, der mit aufgeplusterter roter Brust dicht über dem Wasser flog und auf seine Lieblingsspeise, fliegende Fische, lauerte, die an einigen Stellen immer wieder aus dem Wasser schnellten. Als er sich endlich einen geschnappt hatte, flog er in einem eleganten Bogen zu der hohen Küste zurück, an die kraftvoll die Brandung donnerte.

Hasard suchte mit dem Spektiv die Strände ab. Nach einer Weile ließ er es wieder sinken.

„Keine Anzeichen, daß die Inseln bewohnt sind. Bei den anderen war das der Fall, aber hier scheint alles unberührt zu sein.“

Er dachte daran, wie sie erst vor kurzem auf den anderen Inseln zwanzig Malaien aus den Händen der Franzosen befreit hatten. Dort war es recht turbulent zugegangen. Hier dagegen schienen keine Eingeborenen zu leben, hier gab es nur Pflanzen und Tiere, die in stiller und einträchtiger Harmonie lebten.

Smoky sang laufend die Tiefe aus. Sobald sich die Farbe des Wassers voraus etwas veränderte, wurde er noch durch einen zusätzlichen Ruf aus dem Fockmars gewarnt, wo Luke Morgan stand und wachsam Ausschau hielt.

Zwei kleinere Inseln wurden gerundet. Auch sie waren unberührt, aber von Mangrovendickicht gesäumt. Zwischen ihren hohen Wurzeln bewegten sich kleine reiherähnliche Tiere, die emsig ihre Schnäbel ins Wasser hieben. Sie fischten nach Schalentieren.

Hasard ließ Kurs auf eine andere Insel nehmen, die größer war und höher aus dem Wasser ragte. Sie wies einige Hügel auf, die ebenfalls mit üppiger Vegetation ausgestattet waren. Dazwischen lag eine tiefdunkle Stelle. Den Erfahrungen nach konnte es da Trinkwasser geben.

Noch waren sie zwar gut eingedeckt, aber in diesen südlichen Breiten verdarb das Wasser bei der schwülwarmen Luft rapide, und dann bildeten sich ebenso schnell grünliche Algen. Daher war es besser, das Trinkwasser vor der Weiterreise noch einmal zu wechseln.

Daß sie bald wieder umkehren würden, sprach sich mittlerweile schon unter den Arwenacks herum. Hatten sie erst einmal die Südspitze von Afrika gerundet, begann der lange und eintönige Törn über den Atlantik. Dort aber waren die Inseln nicht halb so interessant wie hier, und diese Tatsache löste lebhaftes Bedauern aus.

„Dafür werden wir aber in der Karibik wieder entschädigt“, sagte der Decksälteste Smoky. „Da haben wir alles ungefähr wieder wie hier, außerdem sind wir dann im Stützpunkt, wo es ganz sicher eine Menge Neuigkeiten geben wird.“

Old O’Flynn, der neben Smoky mit ein paar anderen am Steuerbordschanzkleid der Kuhl stand, löste seinen Blick vom Land und drehte sich langsam um.

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