Er schilderte die Schlacht bei der Isla de Malpelo. Er konnte sogar die Personenbeschreibungen der feindlichen Schiffskommandanten geben.
„Also doch! Der Seewolf und die Rote Korsarin“, sagte Sabreras, als der Mann geendet hatte. „Das habe ich mir gedacht. Wo sind die Überlebenden der Karavelle, die von diesem schwarzen Viermaster versenkt worden ist, de Vargas?“
„Sie haben sich mit Beibooten absetzen können und sind gestern abend zu uns gestoßen.“
„Und die Galeone, das dritte Schiff des geschlagenen Verbandes?“
„Ist nicht wieder zurückgekehrt.“
„Ich entnehme Ihrem Bericht, daß der Kapitän sich feige aus dem Kampf zurückgezogen hat“, sagte Sabreras. Seine Augen waren schmal und blickten unsagbar kalt. „Das ist Fahnenflucht. Ich verurteile diesen Mann und seine Besatzung mit sofortiger Wirkung zum Tode und werde meinen Schuldspruch vom Gouverneur in Panama bestätigen lassen. Wer immer diese elenden Lumpen entdeckt, kann sie als Vogelfreie töten.“ Er wandte sich seinem Ersten Offizier zu, der bisher schweigend dagesessen hatte. „Mangusto – ich vermisse drei weitere Schiffe unseres Gesamtverbandes hier in der Bucht.“
Lopez Mangusto erhob sich. Er war mittelgroß, stämmig gebaut, muskulös und fast von athletischer Statur. Ein dichter schwarzer Vollbart rahmte sein Gesicht. „Senor Comandante, es handelt sich um die Galeone und die beiden Karavellen, die ich ausgesandt habe, als die Boten aus der Mine eingetroffen sind und mir Meldung erstattet haben. Sie suchen die Schiffe des Seewolfs. Kurz nach ihrem Auslaufen kehrte die Galeone zurück, die ich auf Patrouillenfahrt nach Süden geschickt hatte. Sie brachte die ‚Santa Margarita‘ im Schlepp mit. Die Schiffe des Seewolfs haben wir bisher noch nicht entdeckt. Comandante – wollen Sie uns nicht endlich sagen, was in der Mine vorgefallen ist?“
Sabreras setzte es ihnen auseinander. Ihre Augen weiteten sich, und besonders de Vargas und Mangusto kriegten immer längere Gesichter. Sie gehörten zu den Eingeweihten, die an dem großen Schatz auf San Cristóbal beteiligt waren. Als sie vernahmen, daß der Seewolf mit den Serranos paktiert hatte, wußten sie natürlich Bescheid.
„Der Seewolf wird so viele Smaragde wie möglich auf seine Schiffe schaffen“, sagte Sabreras zum Schluß. „Aber wir werden sie ihm wieder abjagen und ihn und seine Bande von Galgenstricken töten. Wir haben genügend Schiffe, um es schaffen zu können – und ich weiß, wo die Galeone ‚Isabella‘ und dieser verfluchte schwarze Viermaster ankern.“
Sie starrten ihn entgeistert an. Sabreras kostete ihre Verblüffung voll aus, er war wieder völlig Herr der Lage und sonnte sich in seiner Führerposition.
Eigentlich hatte er im ersten Schreck wirklich nach Panama flüchten wollen. Aber er hatte eingesehen, daß es töricht war. Es war besser, dem Seewolf eine Falle zu stellen und sich die gesamte Beute zurückzuholen. Dabei würde es ihm schon gelingen, den Anteil von den Galapagos wieder heimlich beiseite zu räumen und zu verstecken.
Und wenn er den Seewolf, Siri-Tong und deren Crews zu den Fischenschickte, gab es niemanden mehr, der ihn eventuell beim Gouverneur von Panama anschwärzen konnte – außer dem Sargento vielleicht.
Hasard durfte aufatmen. Sie hatten den Weg durch den Dschungel glimpflich hinter sich gebracht – trotz der Dunkelheit und aller anderen Widrigkeiten. Erschöpft trotteten sie aus dem Gebüsch auf den Sandstrand der Bucht. Es gab ein beinahe ergreifendes Wiedersehen mit den zur Wache eingeteilten Männern – und dann, wenige Minuten darauf, an Bord der Schiffe.
Hasard blickte sich erstaunt auf dem Oberdeck der „Isabella VIII.“ um.
„He, Ben“, sagte er. „Was wird denn hier gespielt? Ihr seid ja alle auf den Beinen – und die alte Lady ist gefechtsklar.“
Ben lächelte grimmig. „Der schwarze Segler auch. Wir halten Augen und Ohren offen und sind auf der Hut. Bill, unser Schiffsjunge, hat kurz nach Einbruch der Dunkelheit Schiffe gesichtet. Zuerst die ‚Santa Margarita‘, die wie eine lahme Ente bei einer anderen Galeone im Schlepp hing, dann zwei Karavellen und eine Galeone der Spanier, die zuerst direkt auf die Bucht zuzulaufen schienen.“
„Sabreras’ Männer“, entgegnete Hasard. „Sie suchen uns. Hört zu.“
In knappen Zügen setzte er ihnen auseinander, was sich in der Mine zugetragen hatte. Ben Brighton blickte dabei zu dem Papagei Sir John, der sich auf Carberrys breiter Schulter niedergelassen hatte und seinen Herrn zärtlich ins Ohr zwackte.
„Ich hab’s ja geahnt“, murmelte. Ben. „Thorfin Njal, dieser behelmte Nordpolbär, wollte es nicht wahrhaben, aber fast wäre das Ganze in die Hose gegangen, und zwar gründlich. Wir haben hier keine Schüsse und auch keine Explosion vernommen, als ihr euch befreit habt. Sonst hätte ich doch noch einen Trupp Männer losgeschickt.“
„Der Wind hat die Laute davongetragen“, erwiderte der Seewolf. „Außerdem liegt die Mine zu weit landeinwärts. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich habe meinen Plan bereits mit Siri-Tong abgesprochen. Wir ziehen die Landwachen ab. Alle Mann an Bord, und dann nichts wie ankerauf und auf die offene See hinaus! Wir folgen Sabreras!“
Die Männer lösten sich aus ihrer Bewegungslosigkeit. Während der Seewolf sich direkt aufs Achterdeck begab, stürzte die Crew zum Spill von Bug- und Heckanker, schob die Handspaken hinein und begann zu drehen. Die Trossen knarrten, die mächtigen Stockanker hoben sich vom Grund der Bucht und schwebten nach oben.
Drüben auf dem schwarzen Schiff gingen die Vorbereitungen zum Auslaufen mit der gleichen Schnelligkeit und Behendigkeit vonstatten. Zwischen Siri-Tong und dem Seewolf bedurfte es keiner weiteren Absprache mehr. Der Aufbruch erfolgte mit großer Routine und in fast gespenstischer Stille. Sogar Carberry verzichtete auf sein übliches Gebrüll, denn der Verband, der nach ihnen fahndete, konnte sich in der Nähe befinden.
Hasard ließ die Zurrings der Piragua auf dem Achterdeck lösen. Er gab seinen Männern einen Wink, und kurz darauf hob sich das einmastige Gefährt der Indianer ein Stück, schwebte über das Backbordschanzkleid weg und pendelte in seinen Galgen über der schwarzen Wasserfläche.
„Was tust du?“ fragte Hidduk überrascht.
„Ich lasse deine Piragua abfieren“, erklärte Hasard ihm ruhig. „Unsere Wege trennen sich hier. Du hast dich großartig verhalten und dein Wort nicht gebrochen, Hidduk. Wir sind Freunde geworden. Trotzdem will ich alles Weitere selbst erledigen.“
Hidduk zog überrascht die Augenbrauen hoch. Seine Stirn war gefurcht, seine Lippen aufgeworfen, seine Miene spiegelte einen ärgerlichen Ausdruck.
„Du brauchst mich also nicht mehr. Du willst mich und meine drei Krieger – ausbooten.“
Hasard lächelte und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Aber nein, so darfst du das nicht auffassen. Ihr müßt jetzt zu eurem Stamm auf San Cristóbal zurückkehren, denn dort werdet ihr dringender benötigt als hier. Was uns betrifft, so hast du bereits mehr als nur deine Schuldigkeit getan, Hidduk.“
„Ich will Sabreras.“
„Überlaß ihn mir.“
„Das ist nicht gerecht, Lobo del Mar.“
Hasard widersprach: „Ich denke dabei an deine Leute. Wenn Sabreras wider Erwarten doch der Durchbruch nach Panama gelingt, könnte er aus Rache einen Verband Kriegsschiffe nach San Cristóbal schicken. Ihr müßt auf jeden Fall von dort fort – und wer anders als du soll wohl den Aufbruch veranlassen?“
Hidduk überlegte. „Gut“, sagte er schließlich. „Lobo del Mar ist wie immer ehrlich. Ich lese es in seinen Augen. Aber er soll nicht denken, daß Hidduk sich aus Feigheit zurückzieht.“
„Niemals würde ich das tun“, erwiderte Hasard ernst.
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