Der Hohn aus den Worten troff wie zäher Sirup über Francis Drake.
Dieser schwarzhaarige Bastard verstand es meisterhaft, ihm vor der gesamten Mannschaft den Rest zu geben. Er deckte schonungslos seine Schwächen auf, die Drake bemüht war, zu verbergen.
Drakes Nerven vibrierten, auf die anderen wirkte er wie ein Pulverfaß, an dem die Lunte brannte.
Er legte alle Kraft in seine Stimme und brüllte: „Scheren Sie sich zum Teufel, Killigrew, fahren Sie zur Hölle! Ich verzichte auf Ihre Hilfe, ich pfeife darauf. Holen Sie den Anker auf, und verschwinden Sie aus meiner Nähe, sonst lasse ich, bei Gott, eine Breitseite auf Sie feuern!“
Hasard lachte stoßartig auf.
„Ehrenwerter Sir!“ rief er zurück. „Sie wollen doch nicht leichtsinnig das Leben Ihrer Crew und das Ihrer Seesoldaten aufs Spiel setzen! Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber ich verspreche Ihnen, daß Ihre ‚Elizabeth Bonaventura‘ anschließend nur noch aus einigen rauchenden Planken besteht! Sie wissen, daß ich mein Wort halte!“
Drake blickte hilflos auf Fenner, der diese Ungehörigkeit des Seewolfs als permanente Ohrfeigen empfand und mit den Zähnen knirschte.
Er hätte vor Wut heulen können, und deutete mit dem Daumen aufs Batteriedeck hinunter, wo die Geschütze standen. Dabei legte er fragend den Kopf schief.
„Ich sollte ihn wirklich zusammenschießen lassen“, murmelte der Admiral. „Dieser impertinente Kerl geistert wie ein Alptraum durch mein Leben.“
„Eine Breitseite ist schnell abgefeuert, Sir“, sagte Thomas Fenner hitzig. „Er kann nur acht Kanonen einsetzen, wir hingegen können ihn total in die Luft blasen.“
Drake schüttelte müde und entsagungsvoll den Kopf.
„Er hat irgendeinen Trumpf in der Hand, das weiß ich, denn sonst könnte er nicht so selbstsicher auftreten. Nein, nein, es geht nicht, daß sich Engländer von Iberiens Küsten gegenseitig bekriegen. Unsere Situation ist prekär genug, Fenner. Wir werden genug zu tun haben, um uns aus dieser Lage selbst zu befreien.“
Fenner hatte den Admiral noch nie so demoralisiert gesehen, und so wandte er sich mit einem Schulterzucken ab.
„Befehlen Sie ihm noch einmal, zu verschwinden!“ rief Drake dem Mann nach.
Fenner trat ans Schanzkleid und brüllte ebenfalls aus voller Kraft hinüber: „Der Admiral verlangt, daß sie augenblicklich verschwinden, Killigrew! Ein drittes Mal wird die Aufforderung nicht wiederholt!“
„So sparen Sie wenigstens den Atem!“ rief Hasard zurück. „Aber wir werden trotzdem bleiben, richten Sie das dem ehrenwerten Admiral aus. Wir werden ihn beschützen, damit kein Malheur passiert, wenn hier Spanier oder Portugiesen aufkreuzen. Wir werden über euch wachen wie besorgte Väter.“
„Jawohl, Sir!“ brüllte der Profos. „Wir behüten euch wie eine Mutter ohne Brust, denn was wollt ihr gegen die Dons ausrichten! Ihr werdet ja nicht mal mit einem fertig! Ihr seht ja nicht einmal die Sandbänke, wenn nicht ständig einer mit der Laterne vor dem Schiff hergeht und euch leuchtet!“
Erneut brandete wieherndes Gebrüll auf. Auf der „Isabella“ amüsierte man sich köstlich, wogegen man auf dem Flaggschiff pausenlos Ohrfeigen einsteckte und nicht der geringste Anlaß bestand, auch nur verschämt zu grinsen.
Drake aber wußte, daß er in eine böse Falle gelaufen war, die ihnen allen zum Verhängnis werden konnte, falls die Dons hier auftauchten, denn diesen fetten englischen Brokken ließen sie sich ganz sicher nicht entgehen, so hilflos wie er war.
Er konnte diesen Killigrew nicht mehr sehen, bei seinen Worten wurde ihm speiübel, und er würde diese Niederlage auch nie verkraften, das wußte er, nie in seinem Leben.
„Sie übernehmen vorläufig das Kommando an Deck, Fenner“, sagte er müde, und über seinen grauen Augen schien ein trüber Schleier zu liegen. „Wir warten ab. Gefechtsbereitschaft bleibt bestehen. Ich glaube, der heutige Tag war etwas anstrengend für uns.“
„Ja, das glaube ich auch, Sir. Aye, aye, Sir, ich lasse Sie wecken, falls etwas Unvorhergesehenes eintritt.“
„Ich habe nicht gesagt, daß ich mich schlafen lege, Mister Fenner“, erwiderte Drake hochmütig. „Ich kann nur den Anblick dieses Schiffes nicht mehr ertragen, ohne krank zu werden.“
„Ich verstehe, Sir.“
Drake ließ die Schultern hängen, als er ging.
„Sie verstehen gar nichts“, murmelte er. „Sie können es auch gar nicht verstehen, es ist reichlich kompliziert.“
Fenner sah ihm nach, als er ging. Ein gebrochener Mann, mit dem er plötzlich Mitleid empfand. Drake schien nicht mehr derselbe zu sein, nicht mehr der harte unbeugsame Admiral.
Genau genommen, dachte Fenner, sah er aus wie ein müder alter Mann, der die Lust am Leben verloren hat.
Und das alles hatte der schwarzhaarige Kerl mit ein paar Worten bewirkt?
Fenner sah zu der Galeone des Seewolfs hinüber. Ihn fror plötzlich, einfach so, aus keinem besonderen Anlaß. Vielleicht waren es die Augen dieses Höllenhundes, die so kalt wie Polareis schimmern konnten.
Drake war noch keine Viertelstunde fort, als er wieder an Deck erschien. Er sah etwas frischer aus und seine Schultern hatten sich wieder gestrafft, aber er vermied es, zu der Galeone des Seewolfs hinüberzublikken.
„Ich war vorhin wohl etwas durcheinander, Mister Fenner“, sagte er kühl. „Natürlich warten wir nicht ab, sondern beginnen unverzüglich mit der Arbeit. Ich möchte nicht auf diesen Killigrew zurückgreifen müssen, es wäre zu beschämend. Wir versuchen selbst, uns herunterzuziehen. Lassen Sie Anker ausbringen, der Profos und der Bootsmann verstehen ihr Handwerk. Treiben Sie die Leute ordentlich an, lassen Sie eine Extraration Rum an die Mannschaften ausgeben. Natürlich sollen Sie das nicht selbst tun, Mister Fenner, geben Sie den Befehl weiter, tut mir leid, wenn ich mich immer an Sie wende, aber Sie verstehen mich schon.“
„Aye, Sir, ich werde alles veranlassen.“
Nachdem die Ration Rum ausgegeben worden war, begann auf der „Elizabeth Bonaventura“ eine äußerst schweißtreibende Arbeit.
Da wurden Boote zu Wasser gelassen, da wurde gebrüllt, geschrien und geflucht, und über allem stand später der Mond und blickte seelenruhig und milde herunter.
Bei Beginn der Nacht gab, es keine fauleren Burschen als die Seewölfe auf der „Isabella“.
Sie hockten ausnahmslos an Deck und sahen gespannt und belustigt auf das Treiben gegenüber.
Einige hingen faul und träge wie große Spinnen in den Webleinen der Wanten, andere hockten mit herabbaumelnden Beinen auf dem Handlauf des Schanzkleides, und ein großer Teil saß auf der Kuhlgräting und verfolgte interessiert, wie die aufgescheuchten Seesoldaten und Mannschaften wohl ihr Schiff vom Dreck ziehen wollten.
Daß ihr Tun von kräftigen und ironischen Kommentaren gewürzt wurde, verstand sich von selbst.
Carberry lehnte däumchendrehend am Schanzkleid und grinste, als die Kerle den schweren Anker ausbrachten und sich verzweifelt abmühten, ihn ins Boot zu hieven.
„Ha, ihr triefäugigen Kanalratten!“ schrie Ed. „Ihr müßt das Boot austrimmen. Ihr stellt euch an wie Nachttopfsegler!“
„Halt dein Maul, du Narbengesicht!“ schrie einer der Seesoldaten sauer zurück. „Ihr hockt da wie faule Hunde!“
„Klar, wir sind ja auch nicht so bescheuert und segeln auf Sandbänken spazieren.“ Carberry hob dozierend den Zeigefinger hoch. „Merke, du Kakerlake“, sagte er, „wer kein Wasser unter dem Kiel hat, sollte nicht zur See fahren, du lausiger Sandrutscher!“
„He, ihr Schlickrutscher!“ rief Smoky und schwenkte eine halbvolle Weinflasche. „Stellt euch doch mit hundert Mann auf die Sandbank und hebt den Kasten vorn hoch, dann gehts besser!“
Unter dem anfeuernden Gebrüll der Seewölfe wurden die Männer von Drake wütend und sauer und schrien lautstark zurück.
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