SPITTA.
Einsperren oder irgendeine andere Gewaltmaßregel würde bei mir durchaus nichts helfen, fürcht ich.
DIREKTOR HASSENREUTER.
Aber Mensch: Sie wollen Schauspieler werden? Mit Ihrer schiefen Haltung, mit Ihrer Brille und vor allem mit Ihrem heiseren und scharfen Organ geht das doch nicht.
SPITTA.
Wenn es im Leben solche Käuze gibt wie mich, warum soll es nicht auch auf der Bühne solche Käuze geben? Und ich bin der Ansicht, ein wohlklingendes Organ, womöglich verbunden mit der schillerischgoethisch-weimarischen Schule der Unnatur, ist eher [34]schädlich als förderlich. Die Frage ist nur: würden Sie mich, wie ich nun einmal bin, als Schüler annehmen?
DIREKTOR HASSENREUTER
(zieht hastig seinen Sommerpaletot über). Nein! denn erstens ist meine Schule auch nur eine Schule schillerisch-goethisch-weimarischer Unnatur! Zweitens könnte ich es vor Ihrem Herrn Vater nicht verantworten! Und drittens zanken wir uns so schon genug, jedes Mal nach den Privatstunden, die Sie in meinem Hause geben, beim Abendbrot. Das würde dann bis zur Prügelei ausarten. Und nun, Spitta: ich muss auf die Pferdebahn.
SPITTA.
Mein Vater ist bereits informiert. Ich habe ihm in einem zwölf Seiten langen Brief Punkt für Punkt die Geschichte meiner inneren Wandlung eröffnet …
DIREKTOR HASSENREUTER.
Sicherlich wird der alte Herr äußerst davon geschmeichelt sein! Mensch, und nun kommen Sie mit mir, ich werde sonst wahnsinnig.
(Der Direktor zieht Spitta gewaltsam mit sich fort und hinaus. Man hört die Tür ins Schloss fallen. Es wird still bis auf das ununterbrochene Rauschen Berlins, das nun lauter hervortritt. Nun wird die Bodenklappe geöffnet, und Walburga Hassenreuter steigt in wahnsinniger Hast, gefolgt von Frau John, die Treppe herunter.)
FRAU JOHN
(flüsternd, heftig). Wat is denn? Et is doch jar nischt jeschehn.
WALBURGA.
Frau John, ich schreie! Ich muss gleich losschreien! – Um Gottes willen, ich kann gar nicht an mich halten, Frau John.
FRAU JOHN.
Taschentuch mang die Zähne, Mächen! – Et is ja jar nischt! Wat haste dir denn?
WALBURGA
(zähneklappernd, ihr Röcheln gewaltsam be [35]zwingend). Ich bin ja des Todes … ich bin ja des Todes erschrocken, Frau John!
FRAU JOHN.
Wenn ick man wisste, for wat du erschrocken bist?
WALBURGA.
Haben Sie nicht diesen schrecklichen Menschen gesehn?
FRAU JOHN.
Wat is denn da schrecklich? Det is doch mein Bruder! wo mich manchmal bei Papans seine Sachen auskloppen helfen dut.
WALBURGA.
Und das Mädchen, was mit dem Rücken am Schornstein sitzt und wimmert?
FRAU JOHN.
Det is deine Mutter nich anders jejangen, eh det du zur Welt jekommen bist.
WALBURGA.
Ich bin hin. Ich bin tot, wenn Papa wiederkommt.
FRAU JOHN.
Na, denn sieh, det de fortkommst, und fackel nich lange. (Frau John begleitet die entsetzte Walburga den Gang hinunter und lässt sie hinaus. Dann kommt sie wieder.) Det Mächen weeß, Jott sei Dank, von hellichten Dache nischt. (Sie nimmt die entkorkte Weinflasche, gießt einen der Römer voll und nimmt ihn mit auf den Boden, wo sie verschwindet.)
(Kaum ist das Zimmer leer, so erscheint der Direktor wieder.)
DIREKTOR HASSENREUTER
(noch an der Tür, singend). »Komm herab, o Madonna Teresa!« (Er ruft.) Alice! (Noch immer an der Tür.) Komm mal! Hilf mir mal die eiserne Stange mit dem doppelten Schloss vor die Tür legen. Alice! (Er kommt nach vorn.) Wer jetzt noch unsere Sonntagsruhe zu stören wagt: anathema sit! – Heda! Kobold! Wo steckst du, Alice? (Er wird auf die Weinflasche [36]aufmerksam und hebt sie in die Höhe.) Was? – Halb leer? – Schlingel! (Man hört eine hübsche weibliche Singstimme hinter der Bibliothekstür sich in Koloraturen ergehen.) Ha ha ha ha! Himmel! sie hat sich schon einen Schwips angetrunken.
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