Um der Pein zu begegnen und die Wonne zu vergessen,
Das Leid zu teilen und der Erde Weh zu tragen,
Zu werken inmitten des Wirkens der Sterne.
Dies lacht in uns und weint und duldet den Hieb,
Frohlockt im Siege und ringt um die Krone;
Ist eins mit Geist und Leib und Leben,
Nimmt auf sich deren Angst und Unvermögen,
Blutet von des Schicksals Hieben, hängt am Kreuz,
Und ist dennoch das unversehrte, unsterbliche Selbst,
Den Spieler stützend in der Menschheit Spiel.
Durch dies schickt sie uns ihre Herrlichkeit und Macht,
Drängt uns zu Weisheitshöhn durch Abgründe des Leids;
Sie gibt uns Kraft für unser Tagewerk
Und Mitgefühl für anderer Leid,
Und die geringe Stärke, die unser ist, um unserer Art zu helfen,
Wir, die wir die Rolle des Universums übernommen haben,
Das Komödie spielt in schmächtiger Menschengestalt,
Wir, die wir die ringende Welt auf unseren Schultern tragen.
Das ist der Gott in uns, klein und entstellt;
In diesen menschlichen Teil des höchsten Wesens
Setzt sie die Größe der Seele in der Zeit,
Um sie von Licht zu Licht, von Macht zu Macht zu heben,
Bis sie auf himmlischem Gipfel steht, ein König,
Gebrechlichen Leibs, zuinnerst eine unbesiegbare Macht,
Klimmt stolpernd sie an ungesehner Hand,
Ein sich mühender Spirit in sterblicher Gestalt.
SRI AUROBINDO
SAVITRI: BUCH VII CANTO 5
Teil I
Diese leibliche Erscheinung ist nicht alles;
Irreführend ist die Form, Maske die Person;
Im Menschen tief verborgen wohnen Himmelsmächte.
Durch das Meer der Jahre trägt sein brüchiges Schiff
Ein Inkognito des Unvergänglichen.
Ein Spirit, eine Flamme Gottes, weilt,
Feuriger Teil des Wundervollen,
Künstler seiner eigenen Schönheit, seiner Wonne,
Unsterblich in unserer sterblichen Armut.
Dieser Bildner der Formen des Unendlichen,
Dieser verborgene, unerkannte Einwohner,
Initiant seiner eigenen verhüllten Mysterien,
Birgt sein kosmisches Denken in stummem Kern.
In stiller Stärke der okkulten Idee
Vorherbestimmte Form und Tat entscheidend,
Wanderer von Leben zu Leben, von Stufe zu Stufe,
Sein erdachtes Selbst von Form zu Form verändernd,
Betrachtet er das Bild, das unter seinem Blicke wächst,
Und ahnt im Wurm den künftigen Gott.
SRI AUROBINDO
SAVITRI: BUCH I CANTO 3
Kapitel 1
Was ist mit dem seelischen Wesen gemeint?
Ich meine mit der Seele das innerste Seelen-Wesen und die Seelen-Natur. In der Umgangssprache wird das Wort nicht in diesem Sinn gebraucht, oder vielmehr, wenn es so gebraucht wird, dann mit großer Unbestimmtheit und viel Verkennung der wahren Natur dieser Seele, und es wird ihm ein großes Feld von Bedeutungen eingeräumt, die den Begriff weit überschreiten. Alle Erscheinungen von abnormaler oder übernormaler psychologischer oder okkulter Art werden als seelisch ausposaunt; wenn ein Mensch eine doppelte Persönlichkeit hat, und von einer zur anderen wechselt, wenn die Erscheinung eines sterbenden Menschen, ein Teil seiner rein vitalen Hülle oder etwa eine Gedankenform von ihm erscheint, und im Zimmer seines verwunderten Freundes umgeht, wenn ein Poltergeist in einem Haus ungehörigen Krach schlägt – all das wird unter seelischen Phänomenen eingeordnet, und als Objekt für die seelische Forschung betrachtet, obgleich diese Dinge rein gar nichts mit der Seele zu tun haben. Und ebenso im Yoga selbst wird viel, was lediglich okkult ist, Erscheinungen der unsichtbaren vitalen oder mentalen oder der feinstofflichen Ebenen, Visionen, Symbole, all jener zweifelhafte, oft verworrene, oft schattenhafte, oft trügerische Erfahrungsbereich, der zum Niemandsland zwischen der Seele und ihren Instrumenten an der Oberfläche gehört, oder vielmehr seinen äußersten Randbezirken, all dieses Chaos des Zwischenbereiches wird summa summarum als seelisch bezeichnet, und als zweitrangiges und zweifelhaftes Gebiet spiritueller Entdeckung betrachtet. Dann wiederum besteht eine fortwährende Verwechslung zwischen dem Begriff der mentalisierten Begierdenseele, die eine Schöpfung des vitalen Drängens im Menschen ist, seiner Lebenskraft, die ihre Erfüllung sucht und der wahren Seele, die ein Funke des Göttlichen Feuers ist, ein Teil des Göttlichen. Weil die Seele, das seelische Wesen, Mental und Vital sowie den Körper als Instrumente für Wachstum und Erfahrung benützt, wird sie für ein Gemenge gehalten oder für eine subtile Schicht des Mentals und Lebens. Doch wenn wir im Yoga diese ganze chaotische Masse als Seelensubstanz oder Seelenregung akzeptieren, werden wir in eine Wirrnis ohne Ausweg geraten. All dies gehört allein zur äußeren Umkleidung der Seele; die Seele selbst ist eine innere Gottheit, größer als Mental oder Leben oder Körper. Sie ist etwas, das, wenn es einmal aus der Verfinsterung durch seine Instrumente entlassen ist, sofort einen direkten Kontakt mit dem Göttlichen und dem Selbst und Spirit herstellt.
SRI AUROBINDO (Archives and Research 3:202)
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Das, was man in der Terminologie des Yoga unter „seelisch“ versteht, ist das Element der Seele in der Natur, die reine Seele oder der göttliche Nukleus, der hinter dem Mental, Leben und Körper steht (er ist nicht das Ego), und dessen wir uns nur undeutlich bewusst sind. Er ist ein Teil des Göttlichen, und besteht fort von Leben zu Leben, wobei er die Lebenserfahrung durch seine äußeren Instrumente empfängt. In dem Maße wie diese Erfahrung wächst, offenbart er eine sich entfaltende seelische Persönlichkeit, die immer auf dem Guten und Wahren und Schönen beharrt, und schließlich bereit und stark genug wird, die [menschliche] Natur dem Göttlichen zuzuwenden. Sie kann dann gänzlich hervortreten und den mentalen, vitalen und physischen Schirm durchbrechen, die Instinkte beherrschen und die Menschennatur wandeln. Die Natur drängt sich nicht länger mehr der Seele auf; vielmehr ist es die Seele, der purusa, der der Natur seine Befehle auferlegt.
SRI AUROBINDO (24:1605)
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Die Menschen verstehen deshalb nicht, was ich mit dem Ausdruck „seelisches Wesen“ meine, da das Wort „Seele“ im Englischen für alles gebraucht wird, was sich auf das innere Mental, das innere Vital oder das innere Physische bezieht, oder auch auf alles Anormale oder Okkulte, sogar auf die feineren Regungen des äußeren Wesens – alles in kunterbuntem Durcheinander; selbst okkulte Phänomene werden häufig als seelisch bezeichnet. Eine Unterscheidung dieser verschiedenen Teile des Wesens ist unbekannt. Selbst in Indien ist das alte Wissen der Upanishaden, das diese Unterscheidung kannte, verloren gegangen. Der jivatman, das seelische Wesen (purusa antaratman), der manomaya purusa, der pranamaya purusa – alles wird miteinander verwechselt.
SRI AUROBINDO (22:290)
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Unser seelischer Wesensteil ist etwas, das direkt vom Göttlichen stammt und in Kontakt mit dem Göttlichen steht. Seinem Ursprung nach ist er ein Zentrum voller göttlicher Möglichkeiten, das diese niedere dreifache Manifestation von Mental, Leben und Körper trägt. Es gibt dieses göttliche Element in allen lebenden Wesen, doch ist es hinter dem gewöhnlichen Bewusstsein verborgen, ist zunächst nicht entwickelt, und selbst wenn es entwickelt ist, tritt es nicht immer hervor; es verleiht sich in dem Maße Ausdruck wie es die Unvollkommenheit seiner Instrumente erlaubt, und ist an deren Mittel und Begrenzungen gebunden. Es wächst an Bewusstsein durch die auf Gott gerichtete Erfahrung und gewinnt jedes Mal Kraft, wenn eine höhere Regung in uns ist; schließlich wird durch die Anhäufung dieser tieferen und höheren Regungen eine seelische Individualität entwickelt – das, was wir meist das seelische Wesen nennen. Das seelische Wesen ist immer die wahre, doch oft verborgene Ursache dafür, dass sich ein Mensch dem spirituellen Leben zuwendet, und es ist für diesen Schritt seine größte Hilfe. Aus diesem Grund müssen wir es im Yoga aus dem Hintergrund nach vorne bringen.
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