Es ist keinesfalls verwunderlich, dass Gott, wenn er schon die Taufe – so lange gebräuchlich bei den Asiaten – heiligte, auch die Beschneidung guthieß, die nicht weniger lange bei den Afrikanern gebräuchlich war. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass es dem Herrn gegeben ist, die Merkmale seines Wohlgefallens auszuwählen.
Des weiteren hat das jüdische Volk, seitdem es unter Josua beschnitten wurde, diesen Brauch bis auf unsere Tage beibehalten, auch die Araber sind ihm fortwährend treu geblieben, während die Ägypter, die in der ersten Zeit Jungen und Mädchen beschnitten, mit der Zeit damit aufhörten, diese Operation an Mädchen vorzunehmen, und sie schließlich auf Priester, Astrologen und Propheten beschränkten. Das berichten uns Clemens von Alexandria und Origenes. Tatsächlich weiß man gar nicht, ob die Ptolemäer die Beschneidung jemals praktizierten.
Die lateinischen Autoren, welche die Juden mit so großer Verachtung behandeln, indem sie sie zum Beispiel spöttisch Curtus Apella , Credat Judaeus Apella , Curti Judaei * nennen, geben den Ägyptern keine derartigen Beinamen. Das ganze ägyptische Volk ist zwar heute beschnitten, aber aus einem anderen Grund, denn der mohammedanische Glaube hat die alte Beschneidung von den Arabern übernommen.
Es ist diese arabische Beschneidung, die zu den Äthiopiern kam, wo man Jungen und Mädchen noch heute beschneidet.
Man muss eingestehen, dass diese Beschneidungszeremonie zunächst sehr befremdlich erscheint; man muss aber beachten, dass sich die Priester des Morgenlandes zu allen Zeiten ihren Gottheiten durch besondere Kennzeichen weihten. Mit einem Stichel ritzte man den Bacchuspriestern ein Efeublatt ins Handgelenk. Lukian sagt uns, dass die Isisanbeter sich Buchstaben auf die Faust und auf den Hals tätowierten.* Die Priester der Kybele machten sich zu Eunuchen.
Allem Anschein nach stellten sich die Ägypter, die das Fortpflanzungsorgan sehr verehrten und sein Abbild bei ihren Prozessionen prunkvoll mitführten, vor, dass sie Isis und Osiris, von denen alles Leben auf der Erde abhing, einen kleinen Teil jenes Gliedes opferten, durch das sich das menschliche Geschlecht nach dem Willen dieser Gottheiten fortpflanzte. Die alten orientalischen Sitten sind so erstaunlich verschieden von den unseren, dass, wer ein wenig belesen ist, nichts für unmöglich halten wird. Ein Pariser ist ganz erstaunt, wenn man ihm sagt, dass die Hottentotten ihren männlichen Kindern eine Hode abschneiden lassen. Die Hottentotten sind vielleicht erstaunt, dass die Pariser davon zwei behalten.
Genauso wenig, wie wir wissen, was ein Geist ist, wissen wir, was ein Körper ist: Wir sehen einige Eigenschaften, aber was ist das Subjekt, zu dem diese Eigenschaften gehören? Es gibt nur Körper, sagten Demokrit und Epikur. Es gibt überhaupt keine Körper, sagten die Schüler des Zenon von Elea.*
Der Bischof von Cloyne, Berkeley, ist der letzte, der mit hundert trügerischen Sophismen zu beweisen vorgab, dass die Körper nicht existieren; sie haben, so behauptet er, keine Farben, keine Gerüche, keine Temperatur. Diese Eigenschaften gibt es in unseren Empfindungen, aber nicht in den Dingen selbst: Er hätte sich die Mühe sparen können, diese Wahrheit zu beweisen, sie war hinreichend bekannt. Doch von da geht er zur Ausdehnung und Festigkeit über, die zum Wesen des Körpers gehören, und er meint beweisen zu können, dass es in einem Stück grünen Tuches keine Ausdehnung gebe, da dieses Tuch in Wirklichkeit nicht grün sei und diese Empfindung des Grünen nur in uns existiere, weshalb es diese Empfindung der Ausdehnung auch nur in uns geben kann. Und nachdem er auf diese Weise die Ausdehnung zum Verschwinden gebracht hat, schließt er, dass die Festigkeit, die damit verbunden ist, sich von selbst auflöst; und so gibt es nichts anderes auf der Welt als unsere Vorstellungen. Daraus folgt nach diesem Kirchenlehrer, dass zehntausend Menschen, die durch zehntausend Kanonenschüsse getötet wurden, eigentlich nichts anderes sind als zehntausend Ausgeburten unserer Vorstellungskraft.
Es lag also nur in der Hand des Herrn Bischof von Cloyne, die Lächerlichkeit nicht auf die Spitze zu treiben. Er glaubt zu beweisen, dass es keinerlei Ausdehnung gibt, weil ein Körper ihm, als er seine Brille aufhatte, viermal so groß erschien, als wie er ihn mit bloßem Auge wahrnahm, und er erschien ihm wiederum viermal kleiner, wenn er andere Gläser aufsetzte. Daraus schließt er, dass, da ein Körper nicht gleichzeitig vier Fuß, sechzehn Fuß und einen einzigen Fuß Ausdehnung haben kann, diese Ausdehnung nicht existiert, weshalb es nichts dergleichen gibt. Er hätte nur ein Maß zu nehmen brauchen und sagen sollen: »Unabhängig davon, wie groß mir ein Körper auch erscheinen mag, besitzt er eine Ausdehnung von soundso vielen Maßeinheiten.«
Er hätte leicht feststellen können, dass es sich mit der Ausdehnung und der Festigkeit anders verhält als mit den Tönen, den Farben, dem Geschmack und den Gerüchen usw. Es ist klar, dass es sich dabei um die in uns durch die Beschaffenheit der Teile hervorgerufenen Empfindungen handelt, aber die Ausdehnung ist gewiss keine Empfindung. Wenn das brennende Stück Holz erlischt, ist es mir nicht mehr warm; wenn die Luft nicht mehr erschüttert wird, höre ich nichts mehr; wenn diese Rose verwelkt, rieche ich sie nicht mehr; aber dieses Stück Holz, diese Luft, diese Rose haben unabhängig von mir eine Ausdehnung. Das Paradoxon von Berkeley ist nicht der Mühe wert, widerlegt zu werden.
Es ist gut zu wissen, was ihn zu diesem Paradoxon veranlasst hat. Ich habe mich vor langer Zeit mehrfach mit ihm unterhalten. Er sagte mir, seine Auffassung sei darin begründet, dass man nicht begreifen kann, was denn dieser Gegenstand ist, dem man die Eigenschaft, ausgedehnt zu sein, zuschreibt. Und in der Tat trägt er in seinem Buch den Sieg davon, wenn er Hylas fragt, was dieser Gegenstand, dieses Substratum , diese Substanz, eigentlich sei.* »Es ist der ausgedehnte Körper«, erwidert Hylas. Daraufhin macht sich der Bischof, der unter dem Namen Philonous auftritt, über ihn lustig, und der arme Hylas, der merkt, dass er gesagt hat, die Ausdehnung sei der Gegenstand der Ausdehnung, dass er also dummes Zeug geredet hat, ist sehr verwirrt und gibt zu, dass er davon nichts verstehe und dass es überhaupt keine Körper gibt, dass die materielle Welt nicht existiere und es nur eine geistige Welt gibt.
Hylas hätte stattdessen einfach zu Philonous sagen sollen: »Wir wissen nichts über das Wesen dieses Dinges, dieser ausgedehnten, festen, teilbaren, beweglichen, geformten usw. Substanz. Ich kenne sie genauso wenig wie das denkende, empfindende und wollende Subjekt; aber dieses Subjekt existiert deshalb nicht weniger, da es wesentliche Eigenschaften besitzt, die man ihm nicht nehmen kann.«
Uns allen geht es dabei wie den meisten Pariserinnen: Sie essen gerne gut, ohne zu wissen, woraus die Gerichte bestehen. Ebenso erfreuen wir uns an den Körpern, ohne zu wissen, woraus sie sich zusammensetzen. Woraus besteht denn ein Körper? Aus Teilen, und diese Teile teilen sich wiederum in andere Teile auf. Und was sind dann diese letzteren Teile? Immer noch Körper. Wir teilen unaufhörlich und kommen doch nie voran.
Schließlich entdeckte ein scharfsinniger Philosoph, dass ein Gemälde aus Bestandteilen besteht, von denen keiner ein Gemälde ist, und ein Haus aus Materialien, von denen keines ein Haus ist, und stellte sich (auf eine etwas andere Weise) vor, dass die Körper aus unendlich vielen kleinen Wesen bestehen, die keine Körper sind; diese nennt man Monaden.* Dieses System hat manches für sich, und wenn es geoffenbart wäre, würde ich wahrscheinlich daran glauben. Alle diese kleinen Wesen wären mathematische Punkte, eine Art Seelen, die nur auf ein Gewand warteten, um hineinzuschlüpfen. Das wäre eine beständige Seelenwanderung, eine Monade schlüpfte bald in einen Walfisch, bald in einen Baum, dann wieder in einen Falschspieler. Dieses System ist nicht schlechter als andere; ich mag es ebenso gerne wie die Bewegungsabweichungen der Atome, die substantiellen Formen; die versatile Gnade und die Vampire von Dom Calmet.*
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